cover

SCHMIDAUER/HORNBOGNER (HG.) • KLAGENFURT/CELOVEC

GÜNTER SCHMIDAUER /
ERIKA HORNBOGNER (Hg.)

Klagenfurt – es reicht!
Celovec – dost nam je!

Kärntner Autorinnen und Autoren
schreiben über die Landeshauptstadt.

Koroške avtorice in avtorji
pišejo o glavnem mestu svoje dežele

DRAVA

Die Herausgabe dieses Bandes wurde
gefördert vom Land Kärnten.

image

In Kooperation mit:

image

Die Herausgabe dieses Buches erfolgt unter Berücksichtigung der von
den Autoren jeweils bevorzugten alten oder neuen Rechtschreibung.

image

DRAVA VERLAG • ZALOŽBA DRAVA GMBH
9020 Klagenfurt/Celovec
www.drava.at

© dieser Zusammenstellung 2016 bei Drava Verlag GmbH,
Klagenfurt/Celovec
© der einzelnen Beiträge bei Autoren und Autorinnen
Umschlagbild und Fotos im Buch von Gerhard Maurer

eISBN 978-3-85435-811-4

Für Fabjan Hafner
Za Fabjana Hafnerja
8.6.1966 – 10.5.2016

Inhalt

Vorwort

Predgovor

Miriam Auer

Mimi Wulfend Superstar

Delphine Blumenfeld

tango tanzt

Alois Brandstetter

Klagenfurt: Es reicht

Sieglind Demus

Kleider machen Leute

Janko Ferk

jetzt schreibe ich

Marianne Fischer

Homo klagenfurentis

Ilse Gerhard

Klagen furt und furt

Alfred Goubran

Die Proberaumkönige

Tatjana Gregoritsch

Grenzüberschreitung – Zugriff – Spielaus

Egyd Gstättner

In Klagenfurt

Egyd Gstättner 9020

Maria Alraune Hoppe

Ein See steht

Die rote Flosse

Christina Jonke

Emmas Aufstieg und Fall (5.063)

Gerhard Mauer

Ein Fotoessay

Peter Kersche

Klagenfurt

Gertraud Klemm

Morbus Ingeborg

Karsten Krampitz

Kleine Geschichte des Organisierten Gebrechens – über Schnorrer in der Polis, in Klagenfurt und Berlin.

Felix Kucher

Wiener Gasse, Sonntagmorgen, 6 Uhr, Sonett

Andrea Nagele

Mein Klagenfurt. Mein Platz. Meine Bank.

Jani Oswald

Es reicht!

Dine Petrik

welches jahr

Arnulf Ploder

Satte Luft

Eva Possnig

Die sechs Farben einer Stadt

Prucha…

Fleckenstift

Marc Reichwein

C wie Celovec

Günter Schmidauer

Vertraute fremde Stadt

Hans Dieter Sihler

Krankheitsbilder – oder von Kärntner Schriftstellern und ihrem unrühmlichen Ende

Gunther Spath

Flusspferd im Schlagloch

Dominik Srienc

(mali in veliki traven 2016)

Isabella Straub

Darf’s ein bisserl weniger sein?

Christine Tidl

Begegnung im Park

Lojze Wieser

Erster Original Klagenfurt Bitter/ Prvi Celovški Pelinkovac

Stefan Zefferer

Lebensaugenblicke

Heinz Zitta

Hurra, wir sind Großstadt!

Vorwort

Klagenfurt – Celovec
Es reicht!

33 Kärntner Autoren schreiben über die Landeshauptstadt

Es reicht!

Manchen genügt es. So wie Klagenfurt/Celovec sich zeigt und erfahrbar ist, reicht es allemal für ein angenehmes, ein beruhigtes Leben am Ufer des Wörthersees und im Windschatten globaler Verunsicherung.

Es reicht!

Andere haben genug von diesem langsamen Siechtum in gepriesener Schönheit, das langsam aber sicher in Orientierungslosigkeit und Stillstand zu versickern droht. Sie gehen weg.

Es soll nicht gejammert werden, denn das Jammern riecht immer nach ranziger Verweigerung, die sich in einer heiteren, manchmal zelebrierten Hoffnungslosigkeit gefällt. Kennt man in Kärnten die Wut? Gibt es so etwas wie enttäuschte Aggression, die sich nicht gegen sich selbst richtet, sondern nach den Ursachen greift und auch bei der Beseitigung derselben Hand anlegt?

Es ist das Recht jedes Einzelnen enttäuscht zu sein. Es ist das Recht jedes Einzelnen, sich in einen Zustand der Zufriedenheit hineinzuträumen. Es ist das Recht jedes Einzelnen zu gehen, wenn nichts mehr passt.

In Kärnten wurde das Schweigen zwar nicht erfunden, aber zumindest auf hohem Niveau kultiviert. Schweigen, um niemandem zu schaden, schweigen, um sich selbst nicht zu verunsichern, schweigen, um nicht einen Schlussstrich ziehen zu müssen. Schweigen, um in Ruhe gelassen zu werden. Letzten Endes werden auch Gedanken totgeschwiegen.

Schweigen brechen. Autoren und Autorinnen, die in Kärnten geboren sind, verschiedenste Erfahrungen mit Kärnten gemacht haben, vermittels Kärntner und Kärntnerinnen gemacht haben, die geblieben sind, die fortgegangen sind, die hierhergekommen und geblieben sind, schreiben über Klagenfurt.

Es ist uns die Beschäftigung mit der Landeshauptstadt, die für viele noch immer ihre Landeshauptstadt ist und die ein neues Leitbild sucht, ein Anliegen. Schreibend gestalten Autoren und Autorinnen mit, mit Argumenten, kreativen Anregungen, im Zorn oder im Versöhnungsmodus.

Die Leserschaft hat die Möglichkeit, in der Vielfalt der Texte Ansätze zu entdecken, die fernab verbreiteter Klischees und ohne Harmoniezwang ein Verständnis für Erfolge und Scheitern einer Stadt und seiner Bewohner belegen, oder verweigern.

Denen, die laut und ausdauernd agieren, soll die Möglichkeit entzogen werden, ihren Stempel aufzudrücken, nur weil andere geschwiegen haben. Es reicht!

Die Herausgeber – Urednika
2016

Predgovor

Celovec – Klagenfurt Dost nam je!

33 koroških avtorjev piše o glavnem mestu svoje dežele

Dost nam je!

Nekateri so zadovoljni. Takšen, kot se Celovec/Klagnfurt kaže in kakršnega doživljajo, povsem zadostuje za prijetno, mirno življenje na bregu Vrbskega jezera in v zavetju globalne negotovosti.

Dost nam je!

Drugi pa so siti počasnega životarjenja v tolikanj opevani krasoti, ki se počasi, a zagotovo pogreza v neorientiranost in mrtvilo. In odhajajo.

Nikar ne jadikujmo, kajti jadikovanje ima vselej priokus žaltavega zavračanja, samovšečno spogledujočim se z vedrim brezupjem, ki ga tu in tam celo proslavlja. Poznamo na Koroškem bes? Ali sploh obstaja kaj takega, kot je razočarana agresija, ki se ne usmerja proti sebi, temveč se loti vzrokov in jih pomaga odpravljati.?

Vsak posameznik ima pravico, da je razočaran. Vsak posameznik ima pravico, da se zasanja v stanje zadovoljnosti. Vsak posameznik ima pravico, da odide, če ne gre drugače.

Na Koroškem molka sicer niso iznašli, vandar so ga vsekakor na visokem nivoju kutivirali. Molk, da bi nikomur ne škodovali, molk, da bi samega sebe ne spravili v negotovost, molk, da bi ne bilo treba kaj podvzeti. Molk, da te pustijo pri miru. Navsezadnje ostanejo zamolčane tudi misli.

Prekiniti molk. Avtorji in avtorice, ki so rojeni na Koroškem, ki imajo s Koroško najrazličnejše izkušnje, ki imajo izkušnje s Korošci in Korošicami, tisti, ki so ostali in tisti, ki so odšli, pa tisti, ki so prišli sem in so tu ostali, pišejo o Celovcu.

Želimo si ukvarjanja z deželnim glavnim mestom, ki je mnogim še vedno njihovo glavno mesto in ki išče novo vodilo. Z besedo ga avtorji in avtorice sooblikujejo z argumenti, kreativnimi pobudami, v jezi ali spravljivo.

Bralke in bralci imajo možnost, da odkrijejo v raznolikosti besedil stališča, ki so daleč od znanih klišejev in brez prisile harmoniziranja posredujejo ali pa odklanjajo razumevanje za uspehe in polomije mesta in njegovih prebivalcev.

Tistim, ki so glasni ki nenehno agirajo, je treba odvzeti možnost, da bi zapustili svoj pečat samo zato, ker so drugi molčali. Dost nam je!

Urednika – Die Herausgeber
2016

Mimi Wulfend Superstar
von Miriam Auer

Ich bin dann mal weg, sagt die Wulfenia. Und ehe man sich versät … Und ehe man sich versieht, hat Flora uns hier verlassen. Zur Tour um den Globus. Sie weiß nicht, ob sie zurückgeweht werden will. Ich bin dann mal ich, sagt eine menschliche Mimose von hier, aus dem Bundesland mit dem Umlaut, der nicht von einem -österreich im Suffix herrührt. Vielleicht sagt man bei uns deshalb so gerne Äh, auf vielerlei Art und Weise. Äh ja, ich komme aus Kärnten. Das Äh laut und schuldbewusst. Kärnten flüsterleise. Wie in einem erzwungenen Geständnis.

Wenn man gesehen werden will, kann man eigentlich nur in die Landeshauptstadt gehen, denken viele. Klagenfurt, Gegenstand uninspirierter Wortspiele. Bachmann, Lavant, Musil – und die grandiosen lebendigen Künstlerinnen und Künstler, von denen man zu wenig spricht, sieht und hört. Schlachthofskandal, nicht überraschend für die mit Gefühl. Die namenlosen Geister in der Maschinerie, die man gerne verschweigt. Klagenfurt: erzählt vom Blut und von der Pleite. Aber auch von der Uni, dem See, der Kultur. Von denen, die niemals aufgeben. Die im Stadtgarten ackern und alles beleben, begrünen, in Wirklichkeit und im übertragenen Sinn. Ja, diese Hauptstadt. Der millionste Mensch. Alle kennen seinen Namen. Noch macht es ihm nichts aus. Seltsam vermenschlicht hier also: das Heute, der Schatten. In die Hauptstadt gehen, wo die Million schon wartet. Von Menschen, nicht Moneten.

Wie es der Zufall will – jemand lacht im Off –, haben wir sie hier in Klagenfurt. Die Madame, die Menschmimose mit Wulfeniaflora vereint: Mimi Wulfend. Schweigen aus dem Off, dem offenen Vollzug. Ihr werdet sie noch kennenlernen! Raunen geht durch das Off. Durch den Off. Kyrill Raunen sitzt schon eine Weile in Klagenfurt im Gefängnis. Mimi Wulfend kennt sich mit Justizanstalten nicht aus, dafür aber mit Kleinanzeigen. Sie sucht einen Lebensmenschen, der idealerweise auch ein Gutmensch ist. Negative Besetzungen von Wörtern kümmern sie wenig. Mimi schreibt: Menschen- und Tierrechtsaktivistin sucht Umweltschützer, der sie zum gewaltlosen Kampf gegen grausame Zustände in Österreichs Schlachthöfen begleitet und dann mit ihr gegen Großkonzerne angeht, die Menschen in Entwicklungsländern alles nehmen. Sucht Idealisten. Sucht Liebe, einfach nur Liebe. Die große, die kleine, ganz egal.

Wenige antworten, weil sie nicht als Gutmenschen exponiert werden wollen. Mimi versteht die Welt nicht mehr so ganz. Was ist aus den guten Ideen geworden, aus den

mutigen Veränderern? Trotzdem muss es weitergehen. Als sie nach einem Tag, an dem sie auf zwei Demonstrationen im strömenden Regen gewesen ist, mit dem aufgeweichten Pappschild Leben und leben lassen! in ihre Einzimmerwohnung in Bahnhofsnähe zurückkommt und versucht, das Theaterblut abzuwaschen, mit dem sie in einer schlecht besuchten Performance vor dem Klagenfurter Schlachthof auf Tierschicksale aufmerksam hat machen wollen, findet sie dann doch einen Brief vor der Tür. Aktionskunst und Kärnten: kein Paar mit Zukunft. Aber vielleicht Mimi und Kyrill, Wulfend und Raunen. Das klingt super, denkt sich Mimi.

Mimi Wulfends Brieffreundschaft mit Kyrill Raunen geht in die vollen, in die vollen krakeligen Handschriftseiten, aber nicht in die Knie. Doch mitten ins Herz. Sie besucht ihn, sie verlieben sich. Sie fragt nicht danach, was er getan hat. Mimi findet die Frau, die an ihr die Sicherheitskontrolle beim ersten Besuch durchgeführt hat, wunderschön. Sie findet das Leben wunderschön. Und Mimi findet Kyrill wunderschön. Er hat ja nur irgendwelche Landesgelder jongliert, sagt man. Mimi mag das Jonglieren. Das Werfen von Bällen erinnert sie an Planeten im Universum, daran, wie klein wir sind. Und wie gut das Leben sein kann, wenn man es sich schön macht. Sie ist eine Blauäugige. Die Wulfend liebt die Menschen auf der Welt, liebt die Tiere, auch, wenn ihr alle irgendwann ins Herz latschen. Heute: Der Raunen nennt sie mein Sternchen. Morgen: Der Raunen verlässt sie für eine reiche Erbin mit Wörtherseegrundstück, die seine selbstgestochenen Tattoos anregend findet.

Mimi Wulfend sitzt im Planetarium. Allein, aber nicht vereinsamt. Irgendjemand wird schon kommen. Sie singt Zeilen von David Bowie: There’s a starman waiting in the sky. He’d like to come and meet us. Während eine Supernova im Kuppelkino wütet, ist Mimi dann doch froh, in Klagenfurt zu sein, auch, wenn sie mittlerweile manche hier zum Mond schießen möchte. Sie macht es aber nicht. Ebenso wenig wie Kyrill Raunen je einen Stern nach ihr benannt hätte. Wås kümmern mi die Sternlan … Doch Mimi wulft einfach weiter wie bisher: Mimi Wulfend Superstar. Bewahrt sich süße Hoffnungsreste. Die sind haltbar wie zuckrige Brötchen der Fastfood-Ketten. Man darf sie nur nicht einfach wegschmeißen. Das ist Hoffnung, die geht noch

Auch die Wulfenia kann bleiben, wächst gut auf Kompost. Sie wächst gut auf Asche. Sie hat keinen Grund und Boden, um zu gehen. Man kann es sich auch richten. Man kann an und in vielem wachsen. Man kann versuchen, großartig zu werden, aber auch großmütig. Wie Björk schon gesungen hat: All is full of love. Ein Leben in Perfektion, das würden wir wohl kaum bemerken, uns nicht darin spüren. Ein Leben in Kärnten, das fühlt sich sehr nach Menschsein an.

Problembären, einsame Wölfe und Luchse, gefangene Jongleure und gefallene Sternchen, Freiheit und Blattlaus: Wenn in Kärnten, dann sind sie alle für die meisten zu klein, zu weit weg, um sie leben zu sehen. Bär, Wolf und Luchs werden in die Hauptstadt gehen müssen. Sich neben den Lindwurm stellen. Darauf warten, Sagengestalten zu werden. Es wird dauern. Aber vielleicht gar nicht allzu lange. Derweil versteinern sie. Wer sich als Schlächter neben sie gesellt, neben ihnen sedimentiert, das kann man noch nicht sagen. Doch wenn man nicht die liebste Mimi Wulfend ist, hat man Ahnungen.

Wir müssen etwas gegen die Versteinerung tun. Zuhause ist, wo das Herz ist, nicht aus Stein ist. Alter Platz. Neue Liebe. Und ålles is voll Gfühl …

tango tanzt
von Delphine Blumenfeld

(… frei flottierende angst und räume…)

eine frei schwimmende flotte
widersprüchlichster gefühle
schiffte sich aufgewühlt
durch das flottengesichtige lachen
von frau kapitänswitwe,
die langsam auf grund sank
und allmählich am grund ihrer schapsflasche ersoff.
wenigstens für diese nacht.
und die folgende und …

schnapsflasche schüttelte sich ab
und trieb als flaschenpost davon –
mit kapitänswitwe als altem segelschiff
(und ihren 6 oder 18 vergrundelten masten).

madame pompadour bäcker-mistlacke
und sonst noch sachen,
wärmten sich an blechtonne mit feuer,
am straßenrand,
mit zerlumptem gesicht.

hugo flottenschneider ist auch da,
und schneidet sich ein stück speck
aus der rippe
und reicht es weiter.

madame pompadour bäcker-mistlacke
wischt sich die fettigen finger
ins kreuz,
in das am rücken,
und in jenes, welches an schwerer blechkette
zwischen ihren ausgemergelten brüsten baumelt.

sie lächelt.
kleines lächeln verläßt wie eine
motte ihr gesicht
und läßt sich an hugo flottenschneiders
zerbeulter schulter nieder,
flattert ihm ein stück dankbarkeit
mit zärtlichen flügelschlägen ins ohr.

irgendwo summt eine fliege
(die eine träne ist,
aus hugos vermotteter herzkammer).
fliege verbrennt im heißen gesicht
von lampe.

lampe ist fiebergesicht
von frau kapitänswitwes
gestrandeten hoffnungen –
die hoffnungsvoll
in einem eimer randvoll
mit schnaps ersoffen.
beinahe hundert jahre nach kapitäns
großer seenot
an einer bunten küste,
vor der er mit frachtschiff ersoff.

nichts kann ihm mehr etwas anhaben.
nichts kann geschehen.
kapitänswitwe schläft blubbernd
und eingerollt hinter der tonne.

II

akkordeonklänge.
bordermaus kommt um die ecke
des zerfallenden gebäudes geschlurft
und spielt in pantoffeln ihr lied.

ein lied aus dem tangvögel fliegen.
es schneit federn,
rote flamingos, kormorane,
sturmvögel, wildenten, mantelrochen
und nachtvögel.
bordermaus lehnt am hauseck und spielt.

vogelschwärme ziehen über die dächer,
tauchen in den verlotterten straßen
und wirbeln papiermüll auf.
sie spielt immer dasselbe.
anderes kennt sie nicht.

kapitänswitwe ist am grund
ihrer schnapsflasche angekommen,
schnarcht schnapswolken
und einen besoffenen wolkenhund.

bordermaus spielt,
eingehüllt in einen fliegermantel
aus dem letzten, oder zukünftigen Weltkrieg.

im flattern erwacht tango.
klettert aus ihrem lied.
er zerrt madame pompadour bäcker-mistlacke
und hugo flottenschneider
aus ihrem hocken und kauern,
in dem sie fast erstarrt wären, vor kälte.

blechtonnes feuer
ist in sich zusammengesunken,
unter ganz warmer asche.

bordermaus’s lied ist fast zu ende.
sie spielt es von neuem
und von hinten nach vorn,
dass sich ihre vogelschwärme
darin überschlagen,
spiegeln,
und draußen von den wänden purzeln,
die häuser entlang.

durch stahlbetonbauten
und kaputte fenster.

III

dahinter höfe mit katzenpisse
und glumpert,
und leergeschleckten ranzigen töpfen,
in denen streunende ratte
welken flieder, schuhsohle,
knochen mit glasmurmeln und warzenkraut kocht,
für ihre kinder,
die hungrig im bett liegen und heulen.

ratte kocht.
kocht steine und steinsuppe.
derweil wärmt straßenköter die kleinen
in seinem löchrigen fell.

mit trockener zunge
bellt er ihnen raue geschichten,
vom mond und zelt
und hühnerhöfen
und …

jetzt träumt der alte knochen ihnen
straßenköterträume,
die nach menschenbeinen, -fleisch
und trauben riechen.

bordermaus spielt:
ratte, berg, spinne, straßenköter,
mond,
ein zelt mit sternen.
eine gelbe leiter mit graffitis:
bin tot – auferstehung vielleicht morgen!

spielt einen müdgelaufenen
zerrauften alten tango.

tango tanzt,
dass papierfetzen und wollratten
neben und aus den tonnen und Containern
schneien, fliegen, steigen,
in sturmböe,
die ein buch daraus entblättert.

sturmböe liest
seite für seite:
papierflügel
und riesenwollmäuse
in tangos schultern.
bis er aussieht, wie ein zerfledderter engel.

an tangos schmutzigen pfoten,
tanzen madame pompadour bäcker-mistlacke
und hugo flottenschneider,
strudeln und wirbeln
leicht mit den mausefüßchen,
randvoll mit wilder Zärtlichkeit –

in ihren lumpen,
mit den milchbärten,
im kalten tabak,
der flockig
vor ihren gesichtern hängt.

kapitänswitwes schnarchen rüsselt
irgendwo zwischen kanalgittern…

im müllsturm
und mausgestöber
träumt bordermaus
leer, grau und ausgekippt
in der ecke,

und rollt sich
zwischen den warmen körpern
der köterbande zusammen,

die schafssicher verschifft,
in einer flotte aus flocken
segelschiffmäßig
zum himmel
schneit


.

Klagenfurt: Es reicht
von Alois Brandstetter