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Über den Autor

Otfried Höffe, Gastprofessor für Rechtsphilosophie an der Universität St. Gallen, war bis zu seiner Emeritierung ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Tübingen. Er leitet die Forschungsstelle Politische Philosophie und ist Mitherausgeber der «Zeitschrift für philosophische Forschung» und Herausgeber der Reihe «Denker». Bei C.H.Beck erschienen von ihm zuletzt «Kants Kritik der reinen Vernunft» (bsr, 2011) und «Thomas Hobbes» (bsr, 2010).

Zum Buch

Otfried Höffe führt in diesem Buch Schritt für Schritt durch Kants praktische Philosophie. Der erste Teil stellt die vier Antriebskräfte vor, die Kant zu seiner praktischen Philosophie motivierten und die bis heute aktuell sind: Aufklärung, Kritik, Moral und Kosmopolitismus. Dann zeigt Höffe im zweiten Teil, inwiefern Kant die Moralphilosophie revolutionierte, und erläutert im dritten Teil die Provokationen, die in Kants praktischer Philosophie liegen. Die weiteren Teile befassen sich mit der Politischen Philosophie, der Geschichtsphilosophie und Kants Denken über Religion und über Erziehung. Verfaßt von einem der besten Kenner, führt das Buch systematisch in einen der wichtigsten Bereiche von Kants Philosophie ein und setzt deren Grundgedanken in Beziehung zu den heutigen Debatten.

Otfried Höffe

Kants Kritik
der praktischen Vernunft

Eine Philosophie der Freiheit

 

 

 

 

 

 

 

 

C.H.Beck

 


 

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Vernunft in Freiheit: für Evelyn

Inhalt

Vorwort

Erster Teil: Vier Antriebskräfte

1. Aufklärung

1.1 Selbstdenken

1.2 Ein Grundmotiv

1.3 Vier Stufen

1.4 Öffentlicher und privater Vernunftgebrauch

2. Kritik

2.1 Judikative Kritik

2.2 Ein demokratischer Gerichtsprozeß

2.3 Bleibende Attraktivität

3. Moral

3.1 Häretische Lektüre von Kants Werk

3.2 Eine Motiv-Konkurrenz?

3.3 Instrumentalisierung des Wissens?

4. Kosmopolitismus

4.1 Der Weltbürger aus Königsberg

4.2 Die epistemische Weltrepublik

4.3 Moralischer Kosmopolitismus

4.4 Kosmopolitische Erziehung

4.5 Weitere Kosmopolitismen und Bilanz

Zweiter Teil: Kants Revolution der Moralphilosophie

5. Ethik als praktische Philosophie

5.1 Vorrang der zweiten Kritik

5.2 Das moralische Interesse

5.3 Reine praktische Vernunft

5.4 Sieben Beweisschritte

5.5 Die entscheidende Passage

6. Kritik am Prinzip Glückseligkeit

6.1 Ein weltfremdes Moralisieren?

6.2 Bloße Form

6.3 Zwei Glücksethiken: Aristoteles und Utilitarismus

7. Die neue Formel: Der kategorische Imperativ

7.1 Drei Aufgaben

7.2 Das Naturgesetz als Typus

7.3 Beispiel 1: Lügeverbot

7.4 Beispiel 2: Depositum

7.5 Maximenethik

8. Willensfreiheit und Vernunftfaktum

8.1 Ein Blick zurück in die dritte Antinomie

8.2 Ein freier Wille

8.3 Sittengesetz vor Freiheit

8.4 Faktum der Vernunft

8.5 Warum moralisch sein: Das Gefühl der Achtung

8.6 Was kann die heutige Ethik-Debatte von Kant lernen?

Dritter Teil: Kantische Provokationen

9. Provokation 1: Höchstes Gut?

9.1 Eine Parallele zur ersten Kritik?

9.2 Vom Sollen zum Hoffen: Das höchste Gut

9.3 Re-Theologisierung und Rest-Eudaimonismus?

9.4 (Quasi-)Dialektik der reinen Vernunft tout court

9.5 Die Postulate: Gott und Unsterblichkeit

10. Provokation 2: Pflicht kontra Neigung?

10.1 Braucht die Moral den Gegensatz zur Neigung?

10.2 Was findet in der schönen Seele zur Einheit?

10.3 Kant oder Schiller?

11. Provokation 3: Eine «Metaphysik» der Moral?

11.1 Kant als Aristoteliker

11.2 Aristoteles’ Ethik: metaphysikfrei-metaphysisch

11.3 Kants Ethik: metaphysisch-metaphysikfrei

12. Ausblick: Kantinspirierte Ethiken

12.1 Deutscher Idealismus bis zum Neukantianismus

12.2 Kant in der Gegenwart

Vierter Teil: Politische Philosophie

13. Der kategorische Rechtsimperativ

13.1 Moralisches kontra positives Recht

13.2 Metaphysik plus Anthropologie

13.3 Der moralische Rechtsbegriff

13.4 Sechs Funktionen

13.5 Zwangsbefugnis

14. Das eine angeborene Recht

14.1 Das Kriterium für Menschenrechte

14.2 «kraft seiner Menschheit»

14.3 Eine Rechtspflicht gegen sich

14.4 Implizite Menschenrechte

14.5 Quasi-Menschenrechte

14.6 Ein Blick in die Friedensschrift

15. Kants Gerechtigkeitstheorie des Friedens

15.1 Ein eminent politisches Traktat

15.2 Eine Fülle von Innovationen

15.3 «Königliche Völker» und königliche Menschheit

15.4 Eine realistische Vision

Fünfter Teil: Geschichte

16. Kosmopolitische Geschichtsphilosophie

16.1 Der Diskussionsrahmen

16.2 Die Texte

16.3 Wider «zyklopische Gelehrsamkeit»

16.4 Der Motor: Antagonismus

16.5 Fortschrittsdenken: bescheiden-unbescheiden

16.6 Zum epistemischen Status

17. Zur Garantie des ewigen Friedens

17.1 Eine quasi-transzendentale Deduktion

17.2 Die Lösung: «die große Künstlerin Natur»

17.3 Äußere und innere Natur

17.4 Staatsrecht, Völkerrecht, Weltbürgerrecht

17.5 Epistemischer Status

18. Geschichtsphilosophie nach oder mit Kant

18.1 Friedrich Schiller

18.2 Georg Wilhelm Friedrich Hegel

18.3 Friedrich Nietzsche

18.4 Ausblick: Lieber mit Kant

Sechster Teil: Religion

19. Vernunftgrenzen der Religion

19.1 Keine vierte Kritik

19.2 Religionsphilosophie vor der Religionsschrift

19.3 Das neue Projekt

19.4 Die Hauptthemen

19.5 Eine Fülle von Lesarten

19.6 Vorläufige Bilanz

20. Philosophische Bibelhermeneutik

20.1 Zur Religionsphilosophie der Fakultätenschrift

20.2 Fortsetzung der Religionsschrift

20.3 Vier hermeneutische Grundsätze

20.4 Einwände

21. Über das Böse und über Bösartigkeit

21.1 Das Thema wiedergewinnen

21.2 Zum Begriff des moralisch Bösen

21.3 Gibt es moralisch Böses?

21.4 Von Natur aus böse?

21.5 Führt Moral unumgänglich zur Religion?

Siebter Teil: Ausblick

22. Erziehungsziele: Kultivieren, Zivilisieren, Moralisieren

22.1 Eine kosmopolitische Pädagogik

22.2 Pädagogische Anthropologie

22.3 Zweck: Aufklärung

22.4 Vier Erziehungsziele

22.5 Über den Wert des Menschen

22.6 «Das Kind soll … arbeiten lernen»

22.7 Bilanz

23. Das Moralwesen Mensch als Endzweck

23.1 Die provokative These

23.2 Zum systematischen Ort

23.3 Vom teleologischen System der Organismen

23.4 Vom letzten Zweck der Natur als eines teleologischen Systems

23.5 Vom Endzweck

Abkürzungen und Zitierweise

Literatur

Namenregister

Sachregister

Vorwort

Auf dem Höhepunkt der europäischen Aufklärung wendet Immanuel Kant eine Leitidee seines Zeitalters, die Kritik, auf die beiden anderen Leitideen der Epoche, auf Vernunft und Freiheit, an. Auf diese Weise unterwirft er die Aufklärung einer radikalen Selbstkritik. In einer Aufklärung über Aufklärung nimmt er deren bis heute vorbildliche Selbstaufklärung vor. Zugrunde legt er ihr seine drei seither berühmten Fragen: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen?

Kants Antwort auf die erste Frage, die transzendentale Vernunftkritik, fällt so neuartig aus, daß sie in einem wörtlichen Sinn bahnbrechend ist. Die zuständige Schrift, die Kritik der reinen Vernunft, ist nicht bloß nach Arthur Schopenhauer «das wichtigste Buch, das jemals in Europa geschrieben worden» (Gesammelte Briefe, Nr. 157). Auch der führende Kopf des nordamerikanischen Pragmatismus, Charles S. Peirce, nennt das Werk «meine Muttermilch in der Philosophie» (1909, 143).

Lediglich für die erste Frage ist das Werk allerdings nicht zuständig. Auch wenn viele Interpreten Kants Kritik der reinen Vernunft auf die erste Frage verkürzen, behandelt sie in Wahrheit auch die zweite und die dritte Frage. Dieses geschieht freilich sehr knapp, weshalb man für deren gründliches Verständnis weitere Schriften heranzuziehen hat. Es sind insbesondere Texte zu Moral, Recht und Staat, zu Geschichte, Religion und Pädagogik. Diese Studie nimmt sich die angedeutete Fülle von Themen und Texten vor, ohne die erste Kritik zu vernachlässigen, denn schon in ihr entfaltet Kant wesentliche Gedanken seiner praktischen Philosophie. Es bleiben aber Grundlagenprobleme übrig, deren Lösung erst nach vielen Anläufen und mancherlei Umwegen gelingt. Hinzu kommen weithin neue Themen, deren Erörterung den Einsichten der ersten Kritik, ihrer transzendentalen Vernunftkritik, verpflichtet bleibt.

Diese Studie trägt den Titel Kants Kritik der praktischen Vernunft. Damit spielt sie auf das grundlegende Werk von Kants praktischer Philosophie, die Kritik der praktischen Vernunft, an. Während die erste Kritik die Anmaßungen der reinen theoretischen Vernunft verwirft, weist die zweite Kritik Exklusivansprüche der empirisch bedingten praktischen Vernunft zurück. Dieses Zurückweisen bildet in verschiedenen Varianten den Leitfaden der gesamten praktischen Philosophie Kants. Ihr zufolge liegt die Würde der menschlichen Natur in der Freiheit, weshalb der Freiheit im Gesamtsystem der reinen, sowohl theoretischen als auch praktischen Vernunft der Rang des Schlußsteines zukommt.

Kant entwickelt eine Philosophie der Freiheit um eben dieser Freiheit willen, was seine Philosophie zu einer eminent praktischen Philosophie macht. Soweit es dabei auf Recht, Staat und Politik ankommt, behandelt er diese politischen Gegenstände in politischer Intention, womit seine eminent praktische Philosophie zu einer im emphatischen Sinn politischen Philosophie wird.

Ein derartiger Blick auf Kants Philosophie der Freiheit mag bekannt klingen und ist in der Tat nicht unbekannt. Dennoch gibt es kaum Überlegungen, die diesen Blick zum Leitfaden der gesamten praktischen Philosophie Kants machen und unter dieser Perspektive auch den nicht so bekannten Kant, etwa dessen Schriften zur Geschichtsphilosophie und zur Pädagogik, mit einbeziehen. Auch geschieht es nicht häufig, daß man sich statt an der Grundlegung weit mehr an der Kritik der praktischen Vernunft orientiert.

Diese Studie schließt sich an meinen Kommentar zur Kritik der reinen Vernunft an (Höffe 2003). Ähnlich wie dort versuche ich hier, mein längeres Kant-Studium zu bilanzieren, jetzt zu Kants praktischer Philosophie. Der Sache nach ziehe ich aber nur eine Zwischenbilanz. Denn zu einem ebenso kreativen wie provozierenden Denker wie Kant kann man nie annehmen, je das eigene letzte Wort, schon gar nicht die letztgültige Deutung zu schreiben.

Meine Zwischenbilanz greift auf Überlegungen der vergangenen zwei, drei Jahrzehnte zurück. Soweit sie veröffentlicht sind, werden sie im Literaturverzeichnis aufgeführt, aber nie schlicht übernommen. Aus Anlaß einer Vorlesung und eines Interpretationskurses zur Kritik der reinen Vernunft, den letzten Lehrveranstaltungen meiner aktiven Zeit in Tübingen (2010/11), sind sie je für sich neu bedacht, überdies in einen Zusammenhang gestellt, außerdem an verschiedenen Stellen thematisch erweitert worden. Zugrunde liegt das Motto «I Kant get no satisfaction», in schlichtem Deutsch: «Von Kant kann man nie genug haben».

Erneut kommt es mir darauf an, die reiche Literatur nicht zu ignorieren, aber in erster Linie Kant selber zum Sprechen, aber nicht etwa zum Stottern oder Stolpern zu bringen. Nach der Erfahrung «Wer Bälle nur ins Aus befördert, gewinnt kein Spiel» suche ich keinen kleinlich-beckmesserischen Umgang mit dem Autor. Vielmehr will ich seine Beweggründe, Fragen und Argumente verstehen und als noch für heutiges Denken relevant einsehen. Zugleich soll Kants Denken, statt es zu verharmlosen, in seiner oft bleibenden Provokation zutage treten. Dabei werden wir nicht selten auf philosophische Streitigkeiten, sogar Minenfelder philosophischer Konflikte stoßen.

Zwei von ihnen seien schon hier in Form von Fragen benannt. Zum einen: Wie kann man einem Zeitalter, das als Epoche der Natur- und Sozialwissenschaften am liebsten nur Natur- und Sozialgesetze anerkennt, trotzdem Freiheitsgesetze plausibel machen? Zum anderen: Wie kann man in Zeiten der Globalisierung beides miteinander verbinden, die Verpflichtung auf gemeinsame Moral- und Rechtsprinzipien mit dem Recht auf Differenz?

Einem Philosophen, der wie Kant ein thematisch so umfassendes Werk geschaffen hat, droht die Gefahr, daß aus der Fülle seiner Einsichten viele in den zuständigen systematischen Diskursen mißachtet werden. Hier sei nur ein Beispiel genannt: Kants Begriff des Antagonismus, der ungeselligen Geselligkeit, überwindet einen säkularen Gegensatz in der philosophischen Anthropologie und Sozialphilosophie, nämlich den zwischen Aristoteles’ Kooperations- und Hobbes’ Konfliktmodell. Deshalb müßten sich heute sowohl Neoaristoteliker als auch Neohobbesianer mit Kants Gedanken der spannungsvollen Verbindung auseinandersetzen. Weil ähnliches für viele andere Gedanken gilt, versuche ich am Ende der einzelnen Teile mit Blick auf aktuelle Debatten eine knappe Bilanz zu ziehen: «What in Kant still matters?», also «Was läßt sich von Kant immer noch lernen?»

Erneut ist zu danken: den Studierenden der Lehrveranstaltungen, den Teilnehmern mehrerer Kant-Symposien und für deren Förderung der Fritz-Thyssen-Stiftung, nicht zuletzt einem früheren Mitarbeiter, PD Dr. Nico Scarano, und von meinen derzeitigen Mitarbeitern insbesondere Moritz Hildt, M. A., sowie Karoline Reinhardt, M. A.

Tübingen, im März 2012

Erster Teil
Vier Antriebskräfte

 

Drei Aufgaben stellen sich einer gründlichen Kant-Exegese: die Mikroanalyse eng umgrenzter Probleme, die Mesoanalyse größerer Problembereiche und die Makrountersuchung eines umfassenden Problemraumes. Bevor sich diese Studie auf Meso- und Mikroanalysen einläßt, drängt sich zur Einführung ein weiträumiger Blick auf. Exzessiv zu einem Panoramablick auf das gesamte, namentlich kritische Œuvre ausgeweitet, sieht er unter Kants philosophischen Antriebskräften vier herausragen: die Aufklärung, vornehmlich als Selbstdenken bestimmt, das methodische Ziel einer judikativen Kritik, die Moral als jenes Leitmotiv, das schon die erste Kritik bestimmt, und einen umfassenden Kosmopolitismus.

Bei ihnen handelt es sich nicht um voneinander getrennte Antriebskräfte, die eventuell für unterschiedliche Themenbereiche zuständig wären, so die Kritik für die theoretische, die Moral und die Aufklärung für die gesamte praktische Philosophie und der Kosmopolitismus für deren Teil, das Rechts- und Staatsdenken. Sie greifen vor allem durch Kants drei berühmte Fragen vermittelt ineinander und bilden verschiedene Facetten einer komplexen, von Kant aber nicht eigens benannten Antriebskraft. Im Fall der Moral beläuft sie sich auf eine Aufklärung des moralischen Bewußtseins über sich selbst. Dabei verbindet sich das Selbstdenken mit einer Kritik an moralphilosophischen Fehldeutungen, der wiederum ein moralisches Interesse zugrunde liegt, darüber hinaus ein existentielles und zugleich universalistisches Interesse, das als solches einen kosmopolitischen Charakter hat.

Weil Kant der erstgenannten Antriebskraft, der Aufklärung, einen eigenen Essay widmet, nehme ich diesen zum Leitfaden der Erläuterung (Kapitel 2). Für die zweite Antriebskraft ist die Kritik der reinen Vernunft der entscheidende Bezugstext (Kapitel 3), während für die beiden anderen Antriebskräfte, Moral (Kapitel 4) und Kosmopolitismus (Kapitel 5), mehrere Texte wichtig sind. Ohnehin ist auch bei den zwei ersten Antriebskräften, um deren generelle Bedeutung aufzuzeigen, auf weitere Kant-Texte einzugehen.

Die im Vorwort angekündigte Frage, was bleibt («What in Kant matters?»), kann man thetisch für die Antriebskräfte schon einleitend beantworten: Sowohl für die Philosophie als auch für die zeitgenössische Zivilisation sind alle vier Antriebskräfte unverzichtbar. Weder an gewisse Kulturen noch an bestimmte Epochen gebunden, sind sie unserem Zeitalter der Globalisierung hochwillkommen.

1. Aufklärung

Wenige Jahre nach der Kritik der reinen Vernunft beweist Kant, daß er sich sowohl thematisch als auch literarisch auf mehr versteht und daß beide, die neuen Themen und die neue literarische Gattung, ineinander greifen, sogar, wie bei großen Philosophen üblich, einander bedingen. Während Kant die umfangreiche und peinlich genaue Neubegründung der Philosophie für die Fachkollegen schreibt und auch die Prolegomena für «künftige Lehrer» verfaßt (IV 255), wendet er sich mit anderen Themen an ein breiteres Publikum und trifft den dafür ebenso sach- wie lesergerechten Ton. Denn er behandelt nicht etwa dasselbe Thema, seine Neubegründung der Fundamentalphilosophie, nur daß er sie dieses Mal dank didaktischen Geschicks auf eine auch für Nichtfachleute verständliche Weise darstellt. Statt eine Popularisierung seiner transzendentalen Kritik vorzunehmen, befaßt er sich, selbstverständlich unter Anerkennung seiner transzendentalkritischen Wende, mit neuen Gegenständen, zugleich Gegenständen, die ein breiteres Publikum angehen:

Innerhalb kurzer Zeit veröffentlicht er im Diskussionsforum der deutschen Hoch- und Spätaufklärung, der Berlinischen Monatsschrift, so prägnante Essays wie Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784), Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (1786) und Was heißt: Sich im Denken orientieren? (1786). Hinsichtlich der Wirkungsmacht übertrifft sie aber ein vierter Essay, die Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784).

Auf die von einem Kirchenbeamten aufgeworfene Frage melden sich so bedeutende Intellektuelle wie Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn, Christoph Martin Wieland und Friedrich Schiller zu Wort. Aber nur Kants Antwort läßt tagesaktuelle Fragen weit hinter sich, wird über die Sprachgrenzen hinaus berühmt und erhält den Rang des klassischen Textes.

Dessen Leitbegriffe: Mündigkeit, Selbstdenken und das Freisetzen einer allgemeinen Menschenvernunft, gelten bis heute als die entscheidenden Merkmale von Aufklärung. Dabei pflegt man zu übersehen, daß sie nicht einfach das «Wesen» dieser Epoche ausdrücken, vielmehr entfalten sie einen neuartigen, zugleich provokativen Begriff. Auf diese Weise bietet der zuständige Text das Musterbeispiel einer im emphatischen Sinn politischen Philosophie. Darüber hinaus bringt er eine der vier Antriebskräfte auf den Begriff, die nicht bloß für Kants politisches Denken, sondern auch für seine Moral-, Religions- und Erziehungsphilosophie, selbst für seine theoretische Philosophie wesentlich sind.

Kants Provokation: Aus einer historischen Bewegung, auf die die Epoche, insbesondere ihre Leitfiguren, mit Stolz, fast schon selbstgefällig zurückblicken, wird eine bleibende systematische Aufgabe. Dabei gibt Kant die in der Bezeichnung «Auf-klärung» liegende Grundbedeutung auf. Ihm kommt es nicht auf klarere Einsichten, mithin einen Erkenntniszuwachs an. An die Stelle eines theoretischen Gewinns tritt eine moralische Aufgabe, die in nichts weniger als einer Revolution der inneren Lebenshaltung, der Einstellung zur Welt, besteht. Sie schließt die Kritik am absolutistischen Staat und einer machtorientierten Kirche ein, kann aber nicht, wie bei Brandt (2010, 175) anklingt, darauf verkürzt werden.

1.1 Selbstdenken

Schon der Beginn des Aufklärung-Essays nennt den moralischen Impuls: «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit» (VIII 35). In der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht nennt Kant diesen «Ausgang» eine «Revolution in dem Innern des Menschen», qualifiziert sie sogar als Superlativ, als die «wichtigste Revolution», und erläutert: «Statt dessen, daß bis dahin andere für ihn dachten und er bloß nachahmte, … wagt er es jetzt, mit eigenen Füßen auf dem Boden der Erfahrung, wenn gleich noch wackelnd, fortzuschreiten» (VII 229).

Schon vor dem Aufklärung-Essay, in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, spricht Kant von Aufklärung, nennt sie «ein großes Gut», behauptet, daß der «aufgeklärte Mensch am Guten» unvermeidlich einen «gewissen Herzensanteil» nehme, und erwartet, daß die Aufklärung sich auf die Herrscher ausdehne, nämlich ihre Regierungsgrundsätze beeinflusse (VIII 28). Der Aufklärung-Essay selbst geht insofern noch einen Schritt weiter, indem er sich auf die Leistung jedes Menschen, mithin auch auf die des einfachen Bürgers richtet. Danach folgt die berühmte Kurzfassung, der «Wahlspruch der Aufklärung», der die Sache der Aufklärung und nicht bloß eine historische Epoche pointiert: «Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!» (VIII 35).

Das Zeitalter der Aufklärung, das lange 18. Jahrhundert, ist stolz auf seinen Kampf gegen Aberglauben und auf seine explosionsartige Erweiterung des geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen Wissens, ferner auf seine Entdeckungen und Erfindungen sowie die Zunahme des medizinischen und technischen Könnens. Hier beginnt nun Kants Provokation, da er in der einleitenden Definition wie auch in deren Erläuterungen all diese Leistungen übergeht und sie durch ihr Verschweigen als bestenfalls mitlaufend wichtig qualifiziert. Dabei wird die Aufklärung stärker praktisch relevant, folglich für Kants praktische Philosophie erheblicher. Kant hält die beiden nicht genannten Kriterien, den Kampf gegen Aberglauben und die Zunahme von Wissen und Können, nicht etwa für aufklärungsirrelevant, schätzt sie aber hinsichtlich ihres Aufklärungswertes als nicht primär ein und in ihrer nachgeordneten Bedeutung als unterschiedlich wichtig.

Zwei Jahre später, in der Schrift Was heißt: Sich im Denken orientieren?, lehnt er es nachdrücklich ab, «die Aufklärung in Kenntnisse [zu] setzen» (VIII 146). Er hält die Bestimmung der Aufklärung als Zuwachs von Kenntnissen sogar für Einbildung, worin man eine deutliche Spitze gegen das große französische Projekt, die von d’Alembert und Diderot veranstaltete Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (1751–1772), sehen kann. Keineswegs hält Kant jemanden in dem Maße für aufgeklärt, wie er über geistes-, sozial- und naturwissenschaftliche Kenntnisse und Kompetenzen verfügt. Statt den einschlägig Gelehrten als aufgeklärter einzuschätzen, hält er im Gegenteil viele Kenntnisse für eine Aufklärungsbarriere. Und vollends verwirft er die Erwartung, das – in der Encyclopédie – gesammelte Wissen würde «unsere Enkel nicht nur gebildeter, sondern gleichzeitig [!] auch tugendhafter und glücklicher machen» (Encyclopédie, V 635).

Die Tragweite dieser Neubestimmung darf man nicht unterschätzen. Denn unausgesprochen verwirft sie das französische Selbstverständnis der Epoche als Siècle des lumières, als Jahrhundert des Lichts und der Erleuchtung. Kants alternative Einschätzung, der «Ausgang aus einer selbstverschuldeten Unmündigkeit» (VIII 35), legt auf eine Eigenleistung Wert, eben auf eine Revolution im Inneren, die im Prinzip jedermann zu erbringen vermag. Hier verschränkt sich die Antriebskraft der Aufklärung mit der der Moral: Kants Aufklärungsinteresse ist nachdrücklich moralisch-praktischer, nur subsidiär, als Hilfsmittel für das praktische Interesse, auch theoretischer Natur. Bloße Gelehrsamkeit erscheint dagegen als so gut wie bedeutungslos. Anders verhält es sich mit dem Aberglauben. Wer sich «seiner eigenen Vernunft» bedient, «wird Aberglauben und Schwärmerei … alsbald verschwinden sehen» (Denken, VIII 147; vgl. gegen Schwärmerei schon KrV, B xxxiv).

Ebensowenig wie Kant auf Wissen als solches abhebt, legt er auf jene instrumentelle Vernunft Wert, die dem medizinischen, noch mehr dem technischen Können zugrunde liegt und wegen deren angeblicher Herrschaftsansprüche man seit Horkheimer und Adorno von einer «Dialektik der Aufklärung» zu sprechen pflegt (1947). Wer wie Kant die Aufklärung als ein Verhältnis des Menschen zu sich selbst, und zwar als ein moralisch-praktisches, nicht als ein technisches, auch nicht als ein theoretisches Selbstverhältnis bestimmt, der spricht ihr, ohne den damals noch nicht geläufigen Ausdruck zu verwenden, eine emanzipatorische Bedeutung zu.

Wer die Aufklärung nicht auf eine herrschaftsorientierte Vernunft verkürzt, sondern auf die Moral und das Recht Wert legt, ferner über das Beispiel der Meinungsfreiheit die Menschenrechte in den Blick nimmt, dem sind die Bestimmung der Aufklärung als «Entzauberung der Welt» und der sich daran anschließende Gedanke von Horkheimer und Adorno (vgl. 1947, 9ff.), die Vernunft könnte zum Opfer ihrer eigenen Herrschaftsansprüche werden, fremd, eigentlich sogar unverständlich.

Weil die zur Aufklärung unverzichtbare Eigenleistung laut Kant weder besondere Kenntnisse noch Sonderfähigkeiten verlangt, ist sie vielmehr etwas, das jedermann zu leisten vermag und zu leisten auch aufgefordert ist. Kant, der intellektuelle Demokrat, lehnt jeden Eigendünkel ab, sowohl den Eigendünkel des Forschers oder Gelehrten als auch den von Intellektuellen, nicht zuletzt den Eigendünkel derjenigen, die sich für moralisch bessere Menschen halten: «Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen» (Aufklärung, VIII 35). Zur Pointierung darf man ergänzen: wie groß oder scharf der Verstand auch immer sei. Denn die Fortsetzung lautet: «Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen» (ebd.).

Sobald das Wesen der Aufklärung nicht in einer intellektuellen, sondern einer charakterlichen Leistung besteht, sind nicht Scharfsinn, Brillanz, Kreativität und Originalität entscheidend, sondern geistige Anstrengung und geistige Courage. An die Stelle der im Französischen vorherrschenden Lichtmetapher tritt das Selbstdenken, das wiederum jedem offensteht. Kants erste Provokation des überlieferten Verständnisses von Aufklärung, die Wende vom Theoretischen zum Moralisch-Praktischen, verbindet sich mit einer zweiten Provokation: der Ablehnung jeder intellektuellen Aristokratie zugunsten einer Demokratie auch in geistigen Dingen.

1.2 Ein Grundmotiv

Kants provokatives Verständnis der Aufklärung findet sich nicht nur im einschlägigen Essay, sondern in zahlreichen weiteren Texten zur praktischen Philosophie, darüber hinaus in Kants gesamtem Denken. Schon in der veritablen Erstlingsschrift ist es präsent, so daß es sich hier in der Tat um eine basale Antriebskraft seines Denkens, um ein Kantisches Grundmotiv, handelt:

In den Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (1746), einem Beitrag zum damaligen Disput über die Bestimmung der Bewegungsenergie, beruft sich Kant mehrfach und mit großer Emphase auf den eigenen Verstand. Die Zeit, in der Autoritäten, hier: wissenschaftliche Autoritäten, nicht etwa die politischen oder geistlichen Autoritäten Staat und Kirche, eine «grausame Herrschaft» ausüben (I 8), hält Kant für endgültig überwunden. Ob berühmte oder unbekannte Autoren – vor der Wahrheit sind alle gleich. Politisch gesprochen verschwistern sich hier Menschenrechte und Demokratie. Zum Menschenrechtsprinzip, der Freiheit des Selbstdenkens, gesellt sich das Demokratieprinzip der Gleichheit aller Selbstdenkenden. (Und wer den Gleichheitsgedanken in der Menschenrechtsidee schon enthalten sieht, findet bei Kant beide Aspekte, Freiheit und Gleichheit, hervorgehoben.) Zwei Jahrzehnte später, in Träume eines Geistersehers (1766), erklärt Kant, daß «kein Vorwurf dem Philosophen bitterer» ist, «als der der Leichtgläubigkeit» (II 353). Denn zu Kantischem Selbstdenken gehört von Anfang an das Zurückweisen von «Irrtümern, Falschheiten oder auch Verblendungen» (Gedanken, I 12), sofern man sie denn durchschaut hat, selbstverständlich hinzu.

Zwischen der Erstlingsschrift und dem weit späteren Aufklärung-Essay besteht allerdings ein gewichtiger Unterschied. Dort, in seiner wissenschaftlich-philosophischen Sturm-und-Drang-Zeit – der Autor ist erst 24 Jahre alt –, bringt Kant seinen Verstand gegen äußere Barrieren, nämlich gegen wissenschaftlich-philosophische Autoritäten wie Newton und Leibniz, in Anschlag; hier, in der Aufklärung, richtet er sich gegen zwei innere Barrieren, gegen Faulheit und Feigheit. So sei man zu bequem, das durchaus beschwerliche, insofern «verdrießliche Geschäft» (VIII 35) des Selberdenkens, auf sich zu nehmen. Als Beispiele dafür, daß man sich lieber auf andere verläßt, führt Kant erneut nicht etwa die politische oder geistliche Obrigkeit an, durch die man sich mit dem Argument entlasten könnte, daß die Verhältnisse eben nicht so seien; Staat und Kirche, Thron und Altar stünden im Wege. Er verweist auf «ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt» (ebd.).

Wer nun den zweiten der beiden Vorwürfe (Faulheit und Feigheit) erhebt und jemandem mangelnden Mut vorwirft, fordert ihn indirekt auf, den Mut doch aufzubringen. Gemäß der Einsicht, «Mut auffordern ist schon zur Hälfte so viel, als ihn einflößen» (Rel., VI 57), ermuntert der Aufklärung-Essay zum erforderlichen Mut und erweist sich damit erneut als ein Stück genuin praktischer Philosophie: Indem Kant über die Vorbedingungen von Aufklärung aufklärt, fordert er zum Erfüllen der Vorbedingungen auf und trägt auf diese Weise, modo philosophico, zur Beförderung eben dieser Aufklärung bei.

Im Essay Was heißt: Sich im Denken orientieren? bekräftigt Kant die genannten Begriffsbestimmungen: «Selbstdenken heißt: den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst … suchen; und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung» (VIII 146). In dieser Hinsicht darf man sich nicht als bloßes Opfer aufspielen und lediglich anderen die Schuld auflasten. Die Verantwortung kann man hier weder auf die Eltern und Lehrer noch auf die Wirtschaft oder die Gesellschaft, auch nicht auf den Staat, die Religion, das Schicksal oder Gott abwälzen. Entscheidend ist jeder selbst. Letztlich kommen Freiheit und Aufklärung nicht durch andere in die Welt. Die erste im Namen der Aufklärung zu leistende Emanzipation muß vom Subjekt selbst ausgehen.

Andernorts bestreitet Kant nicht, daß es weitere Verantwortlichkeiten gibt. Nach einem zweiten, nicht minder brillanten Essay, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, muß sich der Mensch zunächst einmal vom Instinkt freimachen. Dieser erste Emanzipationsschritt ist aber schon in der Menschheitsgeschichte erfolgt, so daß die Gattungs-Emanzipation, die Befreiung vom Instinkt, in einer individuellen Emanzipation zum Selberdenken, mithin in einer Leistung jedes einzelnen, fortzusetzen ist.

Gegen die These, die Aufklärung sei ein Grundmotiv des Kantischen Œuvres, könnte man einwenden, in der Kritik der reinen Vernunft, immerhin Kants erstem epochalen Werk, spiele der Ausdruck keine tragende Rolle. Über den Hauptbegriff, die Kritik, ist aber die Sache der Aufklärung wie selbstverständlich präsent. In Abwandlung von einem «Zeitalter der Aufklärung» spricht Kant jetzt vom «eigentlichen Zeitalter der Kritik», der sich «alles unterwerfen» muß (KrV, A xi). Und in dem dafür einschlägigen Teil, in der «Disziplin … im polemischen Gebrauch», taucht nicht bloß der Ausdruck der Aufklärung auf, sondern klingt auch ihr Kriterium, das Selbstdenken, an. Denn es sei ungereimt, «von der Vernunft Aufklärung zu erwarten, und ihr doch vorher vorzuschreiben, auf welcher Seite sie notwendig ausfallen müsse» (KrV, B 775). Damit zeigt sich eine weitere Verschränkung: Die Antriebskraft der Aufklärung ist nicht nur mit der Moral, sondern auch mit der Kritik aufs innigste verschränkt. Der Grund liegt im Wesen der Aufklärung im Kantischen Sinn. Sobald sie nicht mehr als Wissenszuwachs bestimmt wird, sondern als Selbstdenken, läßt sich, wer diese Aufklärung vornimmt, eo ipso auf Kritik ein und bringt deren Leistung, das Freisetzen der allgemeinen Menschenvernunft zustande.

Die innige Verschränkung trifft auch auf die vierte Antriebskraft, den Kosmopolitismus, zu. Denn in zweierlei Hinsicht hat die Aufklärung kosmopolitischen Charakter. Einerseits ist sie als Selbstdenken nicht an partikulare Kulturen und Epochen gebunden. Andererseits soll sie jenem «Weltbesten» dienen (Denken, VIII 147), das nach Kant den Kosmopolitismus auszeichnet (siehe Kap. 4).

1.3 Vier Stufen

Eine sorgfältige Lektüre der einschlägigen Passagen stößt auf unterschiedlich anspruchsvolle Begriffe von Aufklärung. Auch wenn Kant es so nicht sagt, kann man deshalb von mehreren Stufen der Aufklärung sprechen:

Die erste und bescheidenste, freilich schon entscheidende Stufe besteht im «Selbstdenken»; dessen Verbindung von Selbst und Denken bildet die unverzichtbare Grundstufe der Aufklärung. Nach dem ersten Teil, dem Selbst, hat man sich von fremden Autoritäten freizumachen und sich auf die eigenen Vermögen zu verlassen, auf das eigene Können im Gegensatz zu fremden Vorgaben, auf Autonomie statt Heteronomie.

Bei dem zweiten Bestandteil, dem Denken, handelt es sich um eine kognitive Tätigkeit, die sich durch Begriff und Argument auszeichnet. Mit der Forderung, selber zu denken, wendet sich Kant gegen die Ansicht, das einschlägige Selbst erlaube Privatansichten und subjektive Willkür. Kant ermuntert nicht jeden kleinen Geist, möglichst originell zu sein und eigene Idiosynkrasien für Aufklärung zu halten. Im Gegenteil formuliert er schon im Essay Was heißt Sich im Denken orientieren? für die Grundstufe der Aufklärung, das Selbstdenken, ein Kriterium. Es besteht in dem Gedankenexperiment, sich zu fragen, «ob man es wohl tunlich finde, den Grund, warum man etwas annimmt, oder die Regel, die aus dem, was man annimmt, folgt, zum allgemeinen Grundsatze seines Vernunftgebrauchs zu machen» (VIII 146f.).

Vier Jahre später, in der Kritik der Urteilskraft (1790), unterscheidet Kant ausdrücklich drei Stufen von Aufklärung, dort als drei «Maximen des gemeinen Menschenverstandes» bezeichnet. Auf die Grundstufe, das Selbstdenken, folgen zwei Steigerungen, zunächst «2. An der Stelle jedes anderen denken», sodann «3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken» (KU, V 294; vgl. Anthropologie, VII 228). Demzufolge stellt das in der Kritik der Urteilskraft noch als «vorurteilsfrei», in der Anthropologie als «zwangsfrei» qualifizierte Selbstdenken nur das Minimum, eben die Grundstufe der Aufklärung, dar. Die mittlere Stufe besteht in der «erweiterten» (KU, V 295) bzw. der «liberalen, sich den Begriffen Anderer bequemenden» (Anthropologie, VII 228), die dritte Stufe dagegen in der «konsequenten (folgerechten)» (ebd.) Denkungsart. Erläuternd setzt Kant hinzu, daß die dritte Maxime «nur durch die Verbindung beider ersten … erreicht werden» kann (KU, V 295).

Im Aufklärung-Essay begnügt sich Kant mit dem bescheideneren Selbstdenken und einer Definition, die sich auch im Nachlaß findet: «Aufgeklärt sein heißt: selbst denken, den obersten Probierstein der Wahrheit meines Urteils … in sich selbst suchen». Allerdings fügt Kant die Erläuterung hinzu: «d.i. in Grundsätzen» (XVIII N 6204), was auf die dritte Stufe verweist.

Die Religionsschrift (VI 123) deutet noch einen weiteren, erneut anspruchsvolleren Begriff an. Kant spricht hier von einer «wahren Aufklärung» und läßt bei ihr mit dem Kriterium «jedermanns Einstimmung» das Objektivitätskriterium der ersten Kritik anklingen, worin man eine über die konsequente Denkungsart hinausgehende vierte Stufe sehen kann. Sie verpflichtet die Aufklärung auf Objektivität. Im Fall der Moral besteht die Objektivität in der Universalisierbarkeit von Maximen. Und darin liegt auch ein Beispiel für Kants genuin philosophische, nämlich reflexive Aufklärung, für seine Aufklärung über Aufklärung: Daß vorgebliche Tugenden in Wahrheit bemäntelte Laster sein können, wissen wir seit den Sophisten, in der Neuzeit seit der europäischen Moralistik. Kant verdanken wir das Kriterium, die genannte Universalisierbarkeit, das die tatsächlichen von den vorgeblichen Tugenden abzugrenzen vermag (siehe Kap. 7).

1.4 Öffentlicher und privater Vernunftgebrauch

Die Aufgabe, sich aus einer «beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten», hält Kant für so schwer, daß er sie nur wenigen Menschen zutraut (Aufklärung, VIII 36). Gegenüber der Aufklärungsbereitschaft der Individuen zeigt sich Kant mithin pessimistisch, allerdings nicht hinsichtlich der Fähigkeit, wohl aber der Motivation, diese auszuüben. Selbst diesen Pessimismus vertritt Kant nur insoweit, als er die Erziehung noch ausklammert. Im Denken-Essay erklärt er nämlich: «Aufklärung in einzelnen Subjekten durch Erziehung zu gründen, ist also gar leicht», vorausgesetzt, man gewöhnt «die jungen Köpfe» rechtzeitig daran, sich ihrer eigenen Vernunft zu bedienen (VIII 147). Dann dürfte auch der Stoßseufzer von Georg Christoph Lichtenberg überflüssig werden: «Man spricht viel von Aufklärung und wünscht mehr Licht, mein Gott, was hilft aber alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben, oder die, welche sie haben, vorsätzlich schließen» (Sudelbücher, L 472).

Im Aufklärung-Essay geht Kant zum Optimismus über. Gegen die höchstpersönliche Aufklärung setzt er nämlich die des Publikums ab, hält diese für eher möglich, bei entsprechender Freiheit sogar für «beinahe unausbleiblich». Denn glücklicherweise fänden sich immer «einige Selbstdenkende», die den freien Vernunftgebrauch nicht nur für sich praktizierten, sondern ihn auch verbreiteten. Dafür muß freilich eine bescheidene, nicht mehr persönliche, sondern politische Bedingung erfüllt sein: daß man die Freiheit hat, «von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen» (Aufklärung, VIII 36; vgl. schon KrV, B 766f., bes. B 780).

Kant votiert hier für ein Grundelement des politischen Liberalismus, für die Meinungsfreiheit in einem philosophisch anspruchsvollen Sinn (vgl. ZeF, Geheimer Artikel, VIII 368f.). Dem Philosophen geht es weniger um das Recht, beliebige Ansichten freimütig zu äußern, als um jenes Recht auf freie und öffentliche Prüfung aller Ansichten (Aufklärung, VIII 41), das keine Autorität, auch Staat und Kirche nicht, ausnimmt. Im Essay Was heißt: Sich im Denken orientieren? erläutert er die entsprechende Freiheit im Denken durch drei Bedeutungen, die er allesamt sowohl negativ als auch positiv bestimmt. Die ersten zwei richten sich gegen den Staat und die Kirche: (1) Dem bürgerlichen Zwang entgegengesetzt, gehört zur Freiheit des Denkens das Recht, «seine Gedanken öffentlich mitzuteilen». (2) Dem Gewissenszwang und religiösen Vormündern entgegengesetzt, besteht die Freiheit im Recht, Glaubensformeln einer «Prüfung der Vernunft» zu unterwerfen. (3) Und die nächste Bedeutung wendet sich gegen ein Genie, das sich aller «Einschränkung durch Gesetze» glaubt entziehen zu können, was das Genie zwar für Erleuchtung, Kant aber für Schwärmerei hält (Denken, VIII 144f.).

Das dritte Moment der Freiheit im Denken erinnert an eine Grundbotschaft der Kritik der reinen Vernunft. Es widerspricht nämlich dem gesetzlosen Gebrauch der Vernunft und verlangt positiv die Unterwerfung der Vernunft «unter Gesetze, allerdings unter keine anderen Gesetze, als: die sie sich selbst gibt» (Denken, VIII 145). Nimmt man die Meinungsfreiheit pars pro toto, so spricht sich Kant im Rahmen seines Verständnisses von Aufklärung schon ein halbes Jahrzehnt vor der Französischen Revolution für unveräußerliche Menschenrechte aus.

Das Votum für Meinungsfreiheit erfolgt zwar unmißverständlich klar, jedoch weder als flammendes Plädoyer noch sachlich «ohne Wenn und Aber». Für Kant gibt es nämlich eine klare Grenze, die Staatsräson. Ihretwegen gebe es einen doppelten, nämlich neben dem uneingeschränkten öffentlichen einen eingeschränkten privaten Vernunftgebrauch, was der Philosoph an drei öffentlichen Amtspersonen, dem Offizier, dem Finanzbeamten (oder auch Steuerzahler) und dem Kirchenbeamten, erläutert. Einerseits haben sie im Rahmen ihres Amtes Vorgaben zu gehorchen, mithin als Soldaten den Offiziersbefehlen, als Steuerzahler den Steuerbescheiden und im geistlichen Bereich dem Glaubensbekenntnis ihrer Kirche. Andererseits dürfen sie außerhalb ihrer Amtspflichten frei räsonieren.

Kant ist sich der Möglichkeit von Gewissenskonflikten bewußt, sieht deren Lösung aber nicht in einer Gehorsamsverweigerung, die sich, angeblich mutig, zu einem Widerstand steigern könnte. Vielmehr votiert er für einen Rücktritt vom Amt. Sieht man von Verhältnissen ab, die Kant hier nicht in den Blick nimmt, etwa von einem tyrannischen oder totalitären Regime, so überzeugt sein Votum: Wer als Geistlicher, aber ebenso: wer als Offizier, Verwaltungsbeamter oder Richter, mit den geltenden Bestimmungen so grundlegende Schwierigkeiten hat, daß er die Ausübung seiner Amtsgeschäfte für mit seinem Gewissen unvereinbar hält, sollte das Amt niederlegen und mittels öffentlicher Vernunft seiner Kritik freien Lauf lassen. Dann kann er zu jener «Volksaufklärung» beitragen, die Kant später als «öffentliche Bekehrung des Volkes von seinen Pflichten und Rechten», dort «in Ansehung des Staats, dem es angehört», bestimmt (Fak., VII 89).

Für heutige Ohren ist Kants Ausdruck «Privatgebrauch» mißverständlich. Denn er bezeichnet nicht wie heute den Vernunftgebrauch einer Privatperson, sondern den im Rahmen einer öffentlichen Aufgabe. Mit Hilfe der Kantischen Unterscheidung läßt sich nun der gegenüber Institutionen gebotene Pflichtgehorsam mit der vollen Denkfreiheit innerhalb eines Gemeinwesens vereinbaren.

Noch immer pflegen Hegelianer Kant eine Mißachtung von Institutionen vorzuwerfen (aktuell etwa Honneth 2011, 16). Andere erheben diesen Vorwurf gegen die Epoche der Aufklärung generell (z.B. Marquard 1981). Auf Kant bezogen lebt dieser Vorwurf von einer Unkenntnis der einschlägigen Texte, namentlich der Schrift Zum ewigen Frieden, der Rechtslehre, aber auch schon des Aufklärung-Essays (1784). Als Aufklärungsphilosoph nimmt Kant allerdings keine vorbehaltlose Wertschätzung vor, Institutionen bleiben der Kritik ausgesetzt. Kant lehnt beispielsweise den staatlichen Absolutismus, aber nicht jede Staatlichkeit ab, vielmehr votiert er für eine Republik (siehe Kap. 15). Auch wendet er sich gegen eine Überbewertung der sichtbaren Kirche, plädiert statt dessen für eine kosmopolitische Vernunftreligion, läßt aber neben deren «unsichtbarer Kirche» auch der sichtbaren Kirche ein Recht (siehe Kap. 19).

Kants für eine politische Philosophie wichtige Unterscheidung von privatem und öffentlichem Vernunftgebrauch erlaubt nun jedem Menschen, zwei Rollen auszuüben. Man darf gewissermaßen ein Doppelleben führen, was Kant wiederum an denselben drei Bereichen erläutert, an Militär, Steuern und Kirche: Im Militär ist der Offizier nicht bloß Vorgesetzter seiner Soldaten, sondern auch Untergebener höherer Offiziere und weiterer «Oberer», deren Befehlen er untersteht. Dem Offizier «im Dienst», erklärt Kant, steht es nicht frei, über die «Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit» der Befehle laut zu «vernünfteln». Denn der Gehorsam gehört zu den unverzichtbaren Funktionsbedingungen einer Armee. Außerhalb des Dienstes, als Gelehrter, darf es dem Offizier aber nicht verwehrt sein, was auch den Mitgliedern einer demokratischen Armee weitreichende Rechte zugesteht, nämlich «über die Fehler im Kriegsdienste Anmerkungen zu machen, und diese seinem Publikum vorzulegen» (Aufklärung, VIII 37).

Man muß nicht Kants Anschlußüberlegungen im Aufklärung-Essay folgen und etwa die soeben skizzierte nähere Unterscheidung von privatem und öffentlichem Vernunftgebrauch übernehmen, um folgendem zuzustimmen; ohnehin geschähe es durch die Tat, durch ein mit Argumenten gestütztes Nichtübernehmen: Kants Begriff der Aufklärung, deren Bestimmung als Selbstdenken, gehört fraglos zu den Elementen der Kantischen Philosophie, die bis heute und auch in Zukunft überdauern. Überall, wo Argumente zählen, wird dieses Selbstdenken, einschließlich Mündigkeit und allgemeiner Menschenvernunft, praktiziert.

2. Kritik

2.1 Judikative Kritik

Mit gutem Grund unterscheidet man in Kants intellektueller Entwicklung zwei Phasen, zwischen denen noch eine Umbruchphase liegt, das von Publikationen freie stille Jahrzehnt. Die in dieser Studie thematisierte Philosophie der Freiheit und zugleich praktische Philosophie fällt nach ihren entscheidenden Texten vollständig in die zweite Phase. Trotzdem empfiehlt sich der Hinweis, daß die üblichen Bezeichnungen der zwei Phasen als vorkritische und kritische Phase irreführend sind, da der Kritikimpuls keine späte Antriebskraft ist, sondern Kant von Beginn an leitet:

Schon in der erwähnten Erstlingsschrift Gedanken von der wahren Schätzung, ihrem allerersten Satz, nimmt sich unser Philosoph selbstbewußt jene Freiheit heraus, die das Kennzeichen veritabler Kritik ist: «großen Männern zu widersprechen» (I 7). Nach einem geflügelten Wort, das auf Aristoteles zurückgeht, «Amicus Plato, magis amica veritas», frei übersetzt: «Ich liebe Plato, aber noch mehr liebe ich die Wahrheit», ist auch für Kant die Entdeckung der Wahrheit wichtiger als die Anerkennung wissenschaftlicher Autoritäten, damals vor allem Newton und Leibniz.

Indem Kant in seiner Erstlingsschrift so gut wie alle bisher vorgetragenen Meinungen «ungescheut» zu tadeln sich erlaubt und an deren Stelle den eigenen Gedanken den Vorzug einräumt, ist er von Anfang an durch Selbstdenken, mithin durch Aufklärung in Kants Verständnis, und daraus folgend durch Kritik motiviert. Beide Motive, Aufklärung und Kritik, erweisen sich, wie schon gesagt, als ineinander verschränkt. Als Ablehnung fremder Autoritäten ist Kants Kritik zunächst vornehmlich negativer Natur; in Übereinstimmung mit der heutigen Alltagssprache zielt sie auf Mißbilligung, Einspruch und Widerspruch.

In den drei Kritiken tritt aber eine andere, neutrale Bedeutung in den Vordergrund; sinngemäß trifft sie auf Kants gesamtes Œuvre zur praktischen Philosophie zu:

Der griechische Ausdruck kritikos, der zum Verb krinein – «scheiden, trennen, entscheiden» – gehört, steht zunächst in medizinischem Zusammenhang und bedeutet jene «kritischen Tage», in denen eine Krankheit zu ihrem entscheidenden Punkt, der Krise, gelangt. Später erhält der Ausdruck eine juristische Bedeutung, und im Lateinischen erweitert er sich als ars critica zur Kunst, über Wert und Unwert einer Sache fachmännisch zu urteilen. Wieder später wird Kritik, jetzt als Fähigkeit der gründlichen Prüfung, die Wahres vom Falschen und Gutes vom Schlechten unterscheidet, zu einem Grundwort der Aufklärungsepoche.

An dieses Verständnis schließt Kant in seiner sogenannten kritischen, tatsächlich aber transzendentalen Phase an. «Kritik» bedeutet hier nicht, wie heute in der Umgangssprache, eine negative: tadelnde, ablehnende oder entlarvende Kritik, vielmehr die in der Kunst- und Literaturkritik bis heute geübte richterliche Form, die judikative Kritik.

Um diese sachgerecht auszuüben, muß man selber denken, also schon über die erste Antriebskraft verfügen. Umgekehrt bedient, wer selber denkt, sich des eigenen Verstandes; statt sich fremden Autoritäten zu unterwerfen, öffnet er sich zur eigenen Kritik. Wird diese methodisch, überdies radikal, bis zu den Wurzeln der Probleme, vorgenommen, so läßt man sich auf Kants in der ersten Kritik geübte transzendentale Kritik ein.

Aber schon vorher, in der Erstlingsschrift, ist judikative Kritik präsent. Denn Kant wendet sich an «Richter» (Gedanken, I 7) und diagnostiziert schon hier, nicht erst in der Kritik der reinen Vernunft, einen «Streit», allerdings noch keinen fundamentalphilosophischen Streit, sondern nur eine «der größten Spaltungen, die jetzt unter den Geometern von Europa herrscht» (I 16).

Knapp ein Jahrzehnt später, in der Neue[n] Erhellung der ersten Grundsätze (Nova dilucidatio, 1755), klingt ebenfalls die judikative Kritik an, da vom Streit der Meinungen, von deren besonnener Prüfung und von billigen qua fairen Schiedsrichtern die Rede ist.

Diese Befunde stützen die einleitende Bemerkung, daß sich Kant lange vor der Kritik der reinen Vernunft, selbst vor dem stillen Jahrzehnt, auf zwei intellektuelle Antriebskräfte verpflichtet, die ihn zur radikalen Umkehr zunächst seines eigenen Denkens und bald nahezu der gesamten europäischen Philosophie zwingen: der Aufklärung als Selbstdenken und als deren entscheidende Methode die judikative, ab der ersten Kritik transzendental durchgeführte Kritik.

In der Kritik der reinen Vernunft bringt Kant dieses Vorgehen zu einer methodischen und darstellerischen Perfektion. Er zieht genau jene Instanz vor Gericht, die nicht nur in seiner Epoche die höchste Autorität, die des letztentscheidenden Richters, besitzt: die Vernunft. Zugleich wird über die zuständige Wissenschaft vor Gericht gesessen, über die bislang «Königin aller Wissenschaften» (KrV, A viii) genannte Fundamentalphilosophie, die Metaphysik. Denn Kant versteht unter Kritik «nicht eine Kritik der Bücher und Systeme, sondern die des Vernunftvermögens überhaupt in Ansehung aller Erkenntnisse, zu denen sie unabhängig von aller Erfahrung streben mag, mithin die Entscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt» (KrV, A xii). Rufen wir uns die Grundzüge dieser Kritik in Erinnerung (zur näheren Interpretation der ersten Kritik siehe Höffe 2003):

sichDenken