Theresia Heimerl

Andere Wesen

Frauen in der Kirche

Inhalt

Cover

Titel

VORFREUDE UND VORWARNUNG

MÄNNERGESPRÄCH

Pacem in terris (1963)

Gaudium et spes (1965)

Wie es vorher war

Und so meint es Gaudium et spes

Ein erstes Fazit, bevor es richtig losgeht

1968

Humanae vitae (1968)

GOLDENE JAHRE

Inter insigniores (1976)

Exkurs I: Un Wesentliche Anmerkungen

VERLUSTÄNGSTE

Familiaris consortio (1980)

Gleiche Würde – ungleiche Macht

Mulieris dignitatem (1988)

Maria, „die Frau“

Frau, fraulich, Fraulichkeit

EIN VERBOT ALS LETZTER RETTUNGSVERSUCH

Ordinatio sacerdotalis (1994)

Und was will die Kirche?

Exkurs II: Thomas von Aquin meets Judith Butler

ALTE UND NEUE SCHUTZBEDÜRFNISSE

Über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt (2004)

Letzter Aufruf zur Ordnung

Mütter und Übermütter

Exkurs III: Uns gibt es gar nicht

WILLKOMMEN IN DER POSTMODERNEN FAMILIE

Instrumentum laboris

(K)ein Frauendokument

Und die heißen Eisen?

Die Heilige Familie als Zukunftsmodell

ANDERE WESEN?

Frau und Frauen

Frauen, Kirche und die Welt von heute

Geschichte und fromme Geschichten

Sex

Macht und Machtverlust

Mütter

Veränderungen

Und die Männer?

TEXTE UND QUELLEN

Weitere Bücher

Impressum

Vorfreude und
Vorwarnung

„Wichtiger als das Wesen ist die Freiheit

und dies ist der Mensch eher als jenes.“

(Johannes Chrysostomos, 4. Jh. n. Chr.)

Frauen in der katholischen Kirche – das sind andere, fremde Wesen. Sie sind nicht unwesentlich. Im Gegenteil. Eine ganze Reihe an offiziellen kirchlichen Texten ist ihnen seit dem II. Vatikanischen Konzil zu einem guten Teil oder gar exklusiv gewidmet. Oder besser gesagt: Sie sind der Frau gewidmet. Dem Wesen Frau und dem weiblichen Wesen.

Frauen und Kirche ist ein leidiges und leidbehaftetes Thema. Viel zu viele Frauen in der Kirche haben sich daran abgearbeitet, sind oft genug dabei zerbrochen, sind wütend weggegangen, frustriert geblieben oder haben in vorgeschützter Gleichgültigkeit resigniert.

Nichts davon trifft auf die Autorin dieses Buches zu. Es ist kein Betroffenheitsbuch, da sie das Glück und vielleicht auch die Gnade hatte, niemals in voller Härte betroffen zu sein. Zunächst einmal durch die Gnade der späten Geburt, für den Jahrgang 1971 war vieles schon von anderen Frauen durchgekämpft und erreicht worden. Durch das Überwiegen an Begegnungen mit klerikalen und kirchenaffinen Männern, die Frauen im Allgemeinen und mich höchst persönlich nicht als anderes Wesen, sondern fordernde und zu fördernde Gesprächspartnerin wahrnahmen und so die Begegnungen mit jenen Männern, die zur Wesensfraktion gehörten, mehr als kompensierten. Durch die kritische Distanz und die vielfältigen anderen Perspektiven, die mir meine ersten Studien an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät ermöglichten. Und ganz wesentlich durch die Chance, als Theologin an einer staatlichen Universität in einem von Rom nicht allzu reglementierten Fach und mit einem so gar nicht reglementierungssüchtigen, klerikalen Vorgesetzten arbeiten und mich habilitieren zu dürfen.

Ich gehöre zu den anderen Wesen, ohne mich als solches zu fühlen oder aus beruflichen Gründen als solches fühlen zu müssen. Diese Situation ermöglicht jenen Zugang, den die Ethnologie als „teilnehmende Beobachtung“ bezeichnet: Man oder eben frau ist durchaus bei seinem bzw. ihrem Forschungsobjekt, nimmt an verschiedenen Veranstaltungen der Erforschten teil, in der Ethnologie Stammesriten, in der katholischen Kirche Fronleichnamsprozessionen im Talar oder Treffen mit Bischöfen und ähnlichen Vertretern kirchlicher Amtsmacht, weiß aber, dass er oder sie immer wieder zurück kann in das sichere Büro an der Uni. Teilnehmend aber auch, weil mir als Theologin mit katholischer Sozialisation die Kirche nicht egal ist und ich als Katholikin an ihr nicht nur per Einzahlung des Kirchenbeitrags teilnehme, sondern Teil bin.

Der Ansatz der teilnehmenden Beobachtung ist in diesem Buch streng genommen jener der teilnehmenden Lektüre. Denn, um dies gleich vorweg klarzustellen: Es geht um Texte, nicht um pastorale Praktiken oder Statistiken. Gegenstand und Leitfaden durch die vergangenen 50 Jahre sind offizielle kirchliche Texte, die sich mit dem Thema Frau(en) befassen. Beginnend mit einem kurzen Absatz aus der Enzyklika Pacem in terris von 1963 sind es allesamt lehramtliche Texte unterschiedlicher Art, denen eine gewisse Verbindlichkeit zukommt, ohne dass sie deshalb Dogmen wären. Warum Texte, die nicht einmal alle braven Theologen, geschweige denn nicht ganz so brave Theologinnen gelesen haben? „Null Relevanz für die Praxis“, sagen Praktiker beiderlei Geschlechts off records. Kirche ist aber immer auch die Kunst, zwischen Text und Praxis zu vermitteln, und wo dies nicht gelingt, hat sie ein Problem – wie im Fall der Frauen. Es sind letztlich die Texte, an deren Anspruch Frauen in der Praxis oft genug scheitern und zerbrechen, weil sie ihm nicht gerecht werden können.

Die meisten Texte sind bereits historische Texte, die 1960er-Jahre für jemand meines Jahrgangs genauso Geschichte wie das Fin de Siècle oder die NS-Zeit. Und wie diese beiden Epochen wirken sie dennoch in unsere Zeit und vor allem in die Kirche hinein. Texte von Pacem in terris bis Über die Zusammenarbeit von Mann und Frau als historische Texte zu lesen, hat einen großen Vorteil: man sieht sie in einem zeitgeschichtlichen Kontext. Genau hier setzt dieses Buch methodisch an. Es hat den Anspruch, lehramtliche Texte über Frauen als Ergebnisse der Begegnung der Kirche mit der Welt des jeweiligen Heute von damals zu lesen. Freilich mit der nüchternen Prämisse, dass Begegnung, wenn es um das kirchliche Lehramt geht, niemals herrschaftsfreier Diskurs ist, sondern Konfrontation, Belehrung und Apologie. Dennoch ist es eine Begegnung, nicht selten auch ein Zusammenstoß mit der Welt „draußen“ und daher ist eine methodische Grundvoraussetzung dieses Buches, vor der Auseinandersetzung mit den Texten in kurzen Schlaglichtern die profanen Kontexte bewusst zu machen. Da es wirklich kurze Schlaglichter sein sollen, wurde hierfür ein zugegebenermaßen ungewöhnlicher Zugang gewählt. Anstatt wissenschaftlicher Zeitgeschichte oder gewichtiger politischer Positionen erlaube ich mir, mit Zitaten aus der Populärkultur einzusteigen, genauer gesagt aus Film, TV und Popmusik. Nicht, weil ich den Konzilsvätern oder ehrwürdigen Päpsten von Paul VI. bis Benedikt XVI. unterstellen wollte, derartige Trivialitäten gesehen oder gehört zu haben (wiewohl dies nicht ausgeschlossen werden soll, und bei Franziskus I. wage ich sogar eine sanfte Unterstellung), sondern weil gerade die sogenannte Pop- oder Massenkultur, jeglicher kirchlichen Einflussnahme unverdächtig, besonders schön den Zeitgeist widerspiegelt, wie ihn nicht nur einige wenige Konservative oder Feministinnen wahrgenommen, sondern viele Menschen erlebt haben. Vor diesem Hintergrund relativieren sich erstaunlich rasch manche harsche Kritiken am Frauenbild der jeweiligen Texte oder werfen ein überraschendes Licht auf deren Progressivität. Manchmal. Manchmal lässt sich auch einfach nur der tiefe und sich vertiefende Graben zwischen der profanen Welt und der Welt lehramtlicher Texte konstatieren. Aber lassen Sie sich überraschen.

Vielleicht überraschend und unorthodox, für strenge Kollegen aus der Wissenschaft womöglich sogar häretisch, ist auch sonst die Herangehensweise zum Thema Frauen in der Kirche. Keine Sekundärliteratur zum Konzil, keine systematischen Begriffsbestimmungen, keine saubere Beweisführung gegen den recht eigenen Umgang dieser Texte mit biblischen Zitaten.

Dieses Buch ist ebensowenig die x-te wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzil oder späteren kirchlichen Texten wie es eine Abrechnung aus persönlicher Betroffenheit ist. Es möchte vielmehr ein interessierter, kritischer, manchmal zynischer und hoffentlich unterhaltsamer Diskurs sein. Herrschaftsfrei ist er in meinem Fall angesichts der klaren hierarchischen Verhältnisse in jedem Fall. Ein Diskurs mit den Texten, der ganz bewusst von der Position der Autorin ausgeht: Nach dem Konzil geboren, katholisch-intellektuell aufgewachsen, zu einem guten Teil mit Menschen befreundet, denen die katholische Kirche im Allgemeinen und ihre Lehren zum Thema Frau genauso fremd sind wie das platonische Reich der Ideen oder sogar noch fremder; außerordentliche Professorin an einer katholisch-theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität für ein Fach, das genau den hier erörterten Zugang für sich in Anspruch nimmt: Die Religionswissenschaft ist im Diskurs mit der Religion, sie ist sich dessen bewusst, dass sie zumindest bei gegenwärtigen Religionen nie vollkommen von außen betrachten kann, aber sie steht auch nicht mittendrin. Sie versteht die Aussagen einer Religion in ihrem historischen und kulturellen Kontext.

Aus dieser Position und Perspektive ist das Buch entstanden und erfolgt der Diskurs mit den Texten. Und noch ein Bekenntnis und auch eine Vorwarnung für so manche geistliche und weltliche Leser und Leserinnen. Dieses Buch ist ein klares Bekenntnis zur Postmoderne. Nicht nur, dass der Begriff des Öfteren und ohne Anführungszeichen verwendet wird. Die gern beklagte postmoderne Unübersichtlichkeit und Fragmentiertheit ist erstens vielleicht nicht nur postmodern (vgl. 1Kor 13,9), sondern der normale Zustand der Welt nach dem Sündenfall, und zweitens meines Erachtens der ertragreichste Zugang zu derart divergierenden und manchmal konvergierenden Parallelwelten, wie sie die behandelten Texte in ihrer jeweiligen Umgebung darstellen, ohne andere verdienstvolle Zugänge und Ansätze damit ausschließen zu wollen. Zu jeder Überlegung dieses Buches lässt sich mindestens eine Gegenthese finden, zu jedem Gedankengang ein alternativer Weg, manchem wird manches fehlen, anderes in anderer Perspektive abgehen. Und, ja, manche Überlegungen sind wirklich schräg – nicht jede und jeder muss sich auf sie einlassen.

Selbst wenn Frauen noch andere Wesen sind – sie sind immer ein sehr pluraler Plural. Für manche von ihnen werden die Überlegungen dieses Buches eine Zumutung sein: zu respektlos, zu wenig feministisch, zu feministisch, zu wenig historisch, zu wenig pastoral, zu persönlich, zu unpersönlich, zu viel Sex, zu wenig Sex, zu … Das Buch ist vermutlich insofern geschlechtergerecht, als es nicht nur für manche Männer, sondern genauso Frauen eine Provokation sein kann und sein will.

Provokation heißt wörtlich „Hervor-/​Herausrufung“. Und das will dieses Buch auch sein. Ein Herauslocken aus befestigten Stellungen, aus selbst auferlegten Denkverboten, aus Selbstzufriedenheit und Resignation. Denn zu Ende ist die Diskussion um Frauen in der Kirche noch lange nicht. Was mit einem Absatz in Pacem in terris und fünf Kapiteln in Gaudium et spes begonnen hat, wird nicht mit Instrumentum laboris und der bevorstehenden Familiensynode enden. Gerade das Vorbereitungsdokument für diese Synode ist das beste Beispiel dafür, wie bruchstückhaft die Rede über Frauen mittlerweile in der Kirche geworden ist. Wie unübersichtlich und wenig harmonisch Bausteine aus den zuvor verfassten und hier behandelten Texten aneinandergefügt und um neue ergänzt werden – und wie viel sich verändert hat und wie viel mehr sich noch verändern kann als die vorhergehenden Texte, ja, selbst die erste Fassung von Instrumentum laboris aus 2014 erhoffen ließen. Und das ist gut so. Die Tradition und die Gegenwart sind kein abgeschlossenes Ganzes, sondern eine widersprüchliche Vielfalt – allein das offenzulegen macht Instrumentum laboris in beiden Versionen zu einem lesenswerten und wegweisenden Text. Erst in der Zusammenschau mit den anderen Texten seit 1963 offenbart sich aber, was manche Frau angesichts ihrer konkreten Situation in der Kirche bezweifelt: „Kirche und Frauen“ ist ein dynamischer Prozess, dynamischer als fast alles andere in der Kirche. Gerade deshalb brauchte es lange die Beschwörung des überzeitlichen Wesens der Frau. Brauchte. Denn, so viel sei gleich vorweg verraten (und für alle, die sonst zum Ende blättern, um zu erfahren, wie es ausgeht): Mit Instrumentum laboris sind Frauen vielleicht noch etwas anders, aber keine Wesen mehr. Wesentlich sind sie trotzdem.

Wenn Sie also wissen wollen, was mit dem anderen Wesen Frau seit 1963 so alles passiert ist, sollten Sie von Anfang an lesen.

Sie können aber auch, ganz im Sinne des autonomen Lesers und der autonomen Leserin, dieses Buch kreuz und quer lesen, zumal es ja ziemlich kreuz und quer gedacht wurde, und sich jeweils jenes Kapitel heraussuchen, das ihrem Jahrgang und ihren Vorlieben oder Hasslieben am meisten entspricht.

In der Regel bedanken sich Männer bei ihren Frauen für die Unterstützung bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit, soll heißen dafür, dass sie ihnen alle weltlichen Dinge vom Leib gehalten haben – wie es eben zu ihrem Wesen gehört(e).

Mein Dank gehört meinem viel zu früh verstorbenen Vater, der mich nach der ersten Kirchenlehrerin, Teresa von Avila, benannt hat, weil er kein anderes Wesen, sondern eine intelligente, diskursfähige Tochter wollte. Mein Dank gehört auch meinem Sohn, der mit seiner Mutter trotz einiger traditioneller Wesensmängel sehr zufrieden und in der Lage ist, sich selbst aus dem Kühlschrank zu versorgen. Mein Dank dafür, dass sie Vorbild als Theologin unter nicht immer einfachen Männern und Frauen an der Universität gewesen ist, gehört der ersten Professorin an der Theologischen Fakultät in Graz, Professorin Anne Jensen, verstorben 2008. Und dann gehört mein Dank natürlich allen absichtlichen und unabsichtlichen Gesprächspartnern allerlei Geschlechts. Keine(n) von ihnen möchte ich hier oder in diesem Buch namentlich nennen, zumindest einer weiß aber, dass er ganz wesentlich gemeint ist.

Postskriptum: Dieses Buch ist nicht durchgehend geschlechtergerecht formuliert, aber hoffentlich dort, wo es darauf ankommt. Und als Postpostskriptum noch eine kleine Leseanleitung: Wie es sich gehört, werden die besprochenen kirchlichen Texte oft wörtlich zitiert. Der Einfachheit halber findet sich nach jedem Zitat eine Zahl, welche das jeweilige Kapitel im Dokument anzeigt. Die Dokumente selbst sind im Literaturverzeichnis angeführt.

Männergespräch

Anno 1964: James Bond lässt sich

am Pool von einer Blondine massieren.

Ein anderer Agent tritt zu ihm und

fordert ihn zum Gespräch auf.

James Bond schickt die Blondine mit einem

Klaps auf den Po und einem

Wort weg: „Männergespräch.“

(Goldfinger, GB 1964)

Wer vom Frauenbild des II. Vatikanums spricht, muss fairerweise vom Frauenbild der Gesellschaft der Jahre 1960 bis 1965 sprechen. Die berühmten „Zeichen der Zeit“ sind in der ersten Hälfte dieser Dekade in Sachen Frau noch, gelinde gesagt, konservativ und das, was man später als sexistisch bezeichnen wird. Ein Dialog wie der oben zitierte mit der dazugehörigen geschlechtsspezifischen Ikonografie (Mann mit behaarter Brust und Blondine) ist zwar vielleicht schon damals auf Celluloid gebrachte Männerfantasie, als solche aber weder analysiert noch in Frage gestellt. Wer heute unter 30 ist und Filme aus den 1950er- und 1960er-Jahren sieht, ist in einem Historiengemälde, das eine Welt von gestern widerspiegelt, uns ebenso fern wie das Fin de Siècle den Lesern von Stefan Zweigs gleichnamigem Werk, gerade auch in puncto Geschlechterrollen. Was heute in Ausstellungen, TV-Serien und Themenwochen von Möbelhäusern als „retro“ begeistert, nämlich Frauen in geblümten Kleidchen am Herd (Ehefrau) und im Seidennegligé im Bett (Geliebte), beide auf den (selben) Mann wartend, war eine dauerhafte Realität, zu der neben klobigen Küchengeräten als angemessenen Geburtstagsgeschenken auch die rechtliche Abhängigkeit vom Ehemann, die notwendige Erlaubnis im Fall eheweiblicher Berufstätigkeit, Verbote von Herrenbesuchen im Zimmer junger Frauen und die Stigmatisierung lediger Mütter als gefallene Mädchen gehörten.

Das einleitende Filmzitat ist bewusst gewählt: Fernab katholischer Normen wurde ein Frauenbild zum Ideal erhoben und mittels der neuen Medien Film und Werbung entsprechend propagiert, in dem die männliche Hegemonie zunächst unhinterfragte Grundvoraussetzung war, um sich dann in junge Frauen auf dem Weg in die Ehe, Ehefrauen und Mütter, alte Frauen (und „alte Frauen“ waren damals viel, viel jünger als heute) und böse Frauen, die keines von alledem sein wollten oder konnten, aufzuteilen. Selbst dort, wo die Schattenseiten dieser Frauenbilder thematisiert wurden, etwa im italienischen Neorealismo, etwas später in der Nouvelle Vague und vereinzelt sogar in deutschsprachigen Filmen, findet kein grundlegender Diskurs über die schematischen Rollen der Frauenfiguren statt. Es sind aus heutiger Sicht hochgradig sexistische Verhaltensweisen und Aussagen in einer Dichte vorhanden, wie sie kaum eine populäre Produktion mehr wagen würde – eine Sichtung von hochgelobten Filmen wie „Außer Atem“ (Frankreich, 1960) unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich allemal, selbst wenn sie ernüchtert. Frauen sind auf den Mann hingeordnet, von ihm materiell, intellektuell und emotional abhängig und oft genug nur schmückendes Beiwerk oder, um einen noch häufig zu nennenden mittelalterlichen Theologen zu zitieren, adiutorium viri, Hilfsmittel des Mannes, wenn auch dieser Status mit Petticoat und Dauerwelle behübscht wird. Die Ehe, im entsprechenden Konzilstext von 1965 einziger logischer Vorkommensort der Frau, ist genauso im gesellschaftlichen Diskurs dieser Zeit, weit abseits katholischer oder kirchentreuer Produkte der Populärkultur, Ziel und Daseinszweck jeder Frau, alles davor muss darauf hinarbeiten, den Richtigen zu finden – und dann folgt das lebenslängliche Happy End. Wo nicht, wird die unverheiratete Frau bestenfalls zum Running Gag wie Miss Moneypenny im oben zitierten „James Bond“ oder aber zu einer jener devianten Frauengestalten, die Literatur und Film so gerne inszenieren. Femmes fatales, böse alte Hexen, Lolitas – sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie eines nicht sind: treu verheiratet. Böse Mädchen kommen zu dieser Zeit nicht überall hin, bestenfalls werden sie gezähmt und landen in der Ehe oder im Gefängnis. Und selbst dort, wo zu dieser Zeit Ordnungen hinterfragt und alternative Lebensformen für Frauen als Ausbruch aus der bourgeoisen Dekadenz theoretisch angedacht werden: Ein Blick auf Simone de Beauvoir und ihre Biografie mit Sartre, ein weiterer Blick auf die Genossinnen im Gemeindebau und ihre Präsenz im politischen Leben der Genossen, und wir sind ganz schnell wieder beim Stichwort Männergespräch.

Und ja, wir sprechen noch immer über die profane Gesellschaft, fernab von Pfarrhäusern, theologischen Lehranstalten oder ehrwürdigen Konzilssitzungen. Wir sprechen über die Welt von heute – des Jahres 1965. Um den Übergang in das Konzil und seine Sicht der Frau etwas weniger abrupt zu gestalten, sehen wir uns auf dem Weg dorthin einen zweiten Film an, der nun wirklich die katholische Welt für ein katholisches Publikum der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und vor dem Konzil reflektiert: „Hochwürden Don Camillo“ (Italien, 1961). Frauen sind, so viel lässt sich für alle Don-Camillo-Filme sagen, Nebensache. Sie erhalten nur dann überhaupt eine Stimme, wenn sie Anlass für einen Konflikt zwischen Pfarrer und Bürgermeister werden, ansonsten sieht man sie still an den Rändern durchs Bild huschen. In der Regel sind die weiblichen Konfliktauslöser in die vorhin genannte Kategorie der ehewilligen jungen Frau einzuordnen, der in der Folge der Pfarrer oder der Bürgermeister oder beide gemeinsam zu ihrem Glück verhelfen. Auch alte Witwen als treue Kirchgängerinnen und fromme Ehefrauen (frömmer, als sie der erzrote Ehemann gerne hätte) gibt es. In „Hochwürden Don Camillo“ gibt es aber noch etwas: eine Ehefrau, die aktive Kommunistin ist. Diese Abweichung von Ideal und Norm wird den Zusehern allein dadurch deutlich gemacht, dass sie Hosen trägt. Darüber hinaus nimmt sie am Männergespräch der lokalen Genossen teil und verpflichtet ihren Ehemann zur Sorge um Haus und Kinder. Die Lösung des Problems unter Beteiligung des Dorfpfarrers: Pfarrer und Ehemann überfallen die Genossin im Wald, ziehen ihr gemeinsam einen Sack über den Kopf und bestreichen ihr Hinterteil mit roter Farbe. Ein unterhaltsamer, populärer Film aus dem Jahr 1961.

Und in diesem Kontext erwarten wir von frommen Männern, die den größten Teil ihres Lebens in klerikalen Kreisen verbracht haben, ein Frauenbild, das von Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmtheit spricht? Die Antwort wird Sie überraschen.

Pacem in terris (1963)

Wer zum Thema Frauen und Konzil sucht, der oder die findet immer wieder zwei Dokumente: Pacem in terris von 1963, streng genommen kein Konzilsdokument, sondern eine päpstliche Enzyklika von Johannes XXIII., und Gaudium et spes aus 1965. Wer weitersucht, findet einen Absatz, der tatsächlich nur den Frauen gewidmet ist, nämlich in Pacem in terris und einen eigenen Artikel in Gaudium et spes, in welchem die Frau als Teil des harmonischen Eheganzen vorkommt. Dass diese beiden raren Fundstücke bis heute als Meilensteine gefeiert werden, sagt schon fast alles.

Aber wir schreiben die frühen 1960er-Jahre, und wenn der unterhaltungsbedürftige Teil der Bevölkerung Männergesprächen am Pool lauscht, kann ein einziger Absatz, der sich ernsthaft dem Thema Frau widmet, als bedeutungsvoll gesehen werden. Zumal dieser Absatz im Vergleich zu den allermeisten späteren Dokumenten erstaunlich unsentimental und frei von spirituell überhöhten Überlegungen Klartext spricht:

„… die allgemein bekannte Tatsache, daß die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt, was vielleicht rascher geschieht bei den christlichen Völkern und langsamer, aber in aller Breite, bei den Völkern, welche als Erben anderer Überlieferungen auch andere Lebensformen und Sitten haben. Die Frau, die sich ihrer Menschenwürde heutzutage immer mehr bewußt wird, ist weit davon entfernt, sich als seelenlose Sache oder als bloßes Werkzeug einschätzen zu lassen; sie nimmt vielmehr sowohl im häuslichen Leben wie im Staat jene Rechte und Pflichten in Anspruch, die der Würde der menschlichen Person entsprechen.“ (41)

Nimmt man diesen Passus ernst, bedeutet er ein Ende der Männergespräche. Die Frau bleibt am Pool (oder Verhandlungstisch), um am öffentlichen Leben und damit an den wichtigen Entscheidungen und damit wiederum an der Macht teilzunehmen. Letzteres wird nicht nur nie gesagt, es ist geradezu ein Unwort in kirchlichen Schreiben zum Thema Geschlechterrollen, das mit einem sprachmagischen Tabu behaftet ist. Doch dazu später mehr. Allein die nüchterne Feststellung der weiblichen Beteiligung am öffentlichen Leben ohne Einschränkungen oder besondere Belange (Kinder, Erziehung etc.) sowie ohne Verweis auf männliche Begleitung oder Ergänzung, wie es später fast zur obsessiven Pflicht wird, ist bemerkenswert genug. Fast schon ironisch-verschmitzt liest sich die Begründung westlicher Emanzipationsgeschichte im 20. Jahrhundert als Resultat der Zugehörigkeit dieses Kulturkreises zum Christentum. Was soll hier angedeutet werden? Dass das Christentum schon immer Gleichberechtigung und Frauen in der Öffentlichkeit sehen wollte, aber leider erst jetzt die Zeit dafür gekommen ist? Oder aber, dass es im Christentum immer noch besser um den Status der Frau bestellt ist als in anderen Religionen? Ein etwas schlechtes Gewissen ob der Vergangenheit hat man dann aber doch: Früher, so darf man im logischen und sprachlichen Umkehrschluss folgern, wurde die Frau sehr wohl als Werkzeug gesehen (ja, tatsächlich: adiutorium viri heißt das bei Thomas von Aquin), als seelenlose Sache nicht, nur hat sie ihre Seele erst später bekommen als der Mann (auch bei Thomas, wem sonst). Noch viel später hat sie dann das Wahlrecht und damit die Möglichkeit zur Wahrnehmung der „Rechte und Pflichten im Staat“ bekommen, nicht unbedingt immer zur Freude jener Parteien, die sich als christlich bezeichneten, aber das war dann wohl der Einfluss der unchristlichen Völker und ihres Erbes …

1963 jedenfalls ist für die katholische Kirche die aktive Teilnahme der Frau an Staat und Gesellschaft selbstverständlicher Teil ihrer Menschenwürde. Keine Rede davon, dass es eine genuin weibliche Würde gebe, schon gar keine Rede von einem Wesen der Frau mit allen möglichen Besonderheiten. Die Autoren von Pacem in terris sind hier in ihrem Frauenbild dem populären Unterhaltungskino und wohl einem nicht geringen Teil der Bevölkerung eindeutig voraus.

Das einzige Problem, das sich retrospektiv ergibt: Die Formulierungen sind so allgemein gehalten, dass man sie mit einer gewissen Findigkeit bei all jenen Spezialfragen, auf welche sich ab 1968 das Thema Frau und Kirche konzentriert, umgehen kann. Oder schlimmer noch: Man kann gerade den Begriff der Würde gegen das Recht ausspielen, die Besonderheit Frau gegen die Allgemeinheit Mensch. Pacem in terris aber sieht das Thema Frau noch nicht als Spezialproblem, schon gar nicht als Infragestellung lehramtlicher Anthropologie, sondern als Teil des Versuchs, Gerechtigkeit und Menschenwürde möglichst umfassend zu etablieren und dabei das, was später als „Race, Class und Gender“ bezeichnet wird, nicht zum Kriterium der einschränkenden Differenzierung werden zu lassen. Warum das bei Race und Class im Großen und Ganzen funktioniert – es gibt keine gesonderten Schreiben über die spezielle Würde und das unveränderliche Wesen verschieden pigmentierter Ethnien oder des Arbeiterstandes – und die Geschlechterrollen ein solches Problem werden, ist interessant nachzuverfolgen, optimistisch stimmt es für das Verhältnis von Frau und Kirche nicht immer.

Gaudium et spes (1965)

Anno 1965 sind Frauen andere Wesen. Vor allem aber sind sie Ehefrauen. In Gaudium et spes, für viele bis heute „das“ Konzilsdokument, kommen Frauen als eigenständige Subjekte, das heißt nicht als bloße Ergänzung des Mannes, ein einziges Mal vor, und dabei wird ihre Teilhabe am öffentlichen Leben, wie sie 1963 gefordert wurde, im Bereich der Kultur bereits als sehr spezielle betrachtet: „Die Frauen sind zwar schon in fast allen Lebensbereichen tätig, infolgedessen sollen sie aber auch in der Lage sein, die ihrer Eigenart angemessene Rolle voll zu übernehmen. Sache aller ist es, die je eigene und notwendige Teilnahme der Frau am kulturellen Leben anzuerkennen und zu fördern.“ (61) Das kann man und frau durchaus unterschiedlich lesen, wie es in den folgenden Jahrzehnten dann auch geschehen ist.

Ansonsten findet, wer Frauen und Kirche in Gaudium et spes sucht, das Thema Mann und Frau in ehelicher Zweisamkeit. Idealerweise unterstellt man hier den Konzilsvätern ihrer Zeit weit im Voraus den Geschlechterrollendiskurs des 21. Jahrhunderts antizipiert zu haben und endlich nicht die Frau als alleiniges, weil unbekanntes Forschungsobjekt in den Mittelpunkt zu stellen, sondern Mann und Frau gleichermaßen zur Diskussion und in theoretischer wie praktischer Dependenz zu sehen. Tatsächlich spiegelt Gaudium et spes