Cover

Frank O. Hrachowy

Kleinkrafträder in Deutschland

Die 50-Kubik-Klasse bis 1980

Paul Pietsch Verlage

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Einbandgestaltung: Sven Rauert unter Verwendung von Motiven des Autors

Bildnachweis: Die zur Illustration dieses Buches verwendeten Aufnahmen stammen – wenn nicht anderes vermerkt ist – vom Verfasser.

 

Danksagung

Ein Buch wie das vorliegende ist natürlich nicht ohne die großzügige Hilfe anderer möglich.Für diese Hilfe möchte ich mich insbesondere bei Norbert Daum von der Zweirad Union IG, Klaus Flechsig, Heinrich Köhler, Andy Schwietzer, Frank Stegemann und Peter Vagt bedanken, die mir Bild- und Textquellen aus ihren Archiven zur Verfügung stellten und mir mit Rat und Tat zur Seite standen.

 

Eine Haftung des Autors oder des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

 

1. Auflage 2014

 

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Lektorat: Joachim Kuch

eBook-Produktion: pagina GmbH, Tübingen // v1

ISBN 978-3-613-31029-2

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Vorwort

Dieser Typenkompass beschreibt die Kleinkrafträder des deutschen beziehungsweise westdeutschen Marktes. Die 50-Kubik-Klasse wurde durch 1953 formulierte Gesetzesbestimmungen schnell zu einer eigenen, nur in Deutschland üblichen, aber technisch besonders interessanten Fahrzeugkategorie. Die neue Klasse setzte sich rasch durch, und die guten Absatzzahlen lockten im Laufe der Jahre auch ausländische Hersteller mit ihren Kleinkrafträdern auf den deutschen Markt. Doch die Hauptrollen spielten die heimischen Hersteller Kreidler, Hercules, Zündapp und Zweirad Union. Kleinere deutsche Marken wie Maico, Konfektionäre wie Rixe oder österreichische Hersteller wie KTM und Puch mutierten zu Randerscheinungen, und die japanischen Hersteller ließen dieses Marktsegment nahezu völlig links liegen.

 

Die in den Jahrzehnten bis 1980 angebotenen Modelle in einem kompakten Typenkompass darzustellen, war nicht ganz einfach, denn über 90 Hersteller boten hierzulande ihre Maschinen an. Viele der ausländischen Anbieter konnten

daher aufgrund der vorgegebenen Seitenzahl

nicht mit berücksichtigt werden, gleichermaßen die Kleinkrafträder der DDR. Aus diesem Grund wurden auch Geländesport-Kleinkrafträder und Kleinkraftrad-Roller nur am Rande in diese Übersicht aufgenommen.

 

Um einen Überblick über die wichtigsten Kleinkrafträder zu ermöglichen, wurde anstelle einer alphabetischen Auflistung eine Gliederung nach Kalenderjahr gewählt. Ein vorangestelltes Kapitel fasst dabei die zentralen Ereignisse des jeweiligen Jahrzehnts zusammen, daran anschließend werden die wichtigsten Modelle dieser Epoche, geordnet nach ihrem Erscheinungsjahr, in Wort und Bild beschrieben. Die chronologische Abfolge macht es dem Leser so möglich, die Dynamik der Weiterentwicklung sowie die Wechselbeziehung der einzelnen Modelle zueinander nachzuvollziehen.

 

Dr. Frank O. Hrachowy

Die Ära der Kleinkrafträder

Die Ära der Kleinkrafträder umfasst rund drei Jahrzehnte. Sie begann mit den Alleingängen des Schwaben Alfred Kreidler, der sich partout nicht den gesetzlichen Bestimmungen fügen wollte, und endete mit der Ablösung durch die hubraumstärkeren Leichtkrafträder 1980. In dieser Zeit durchliefen Kleinkrafträder einen starken Wandel, der sich vor allem in stetig steigenden Motorleistungen und Drehzahlen niederschlug. Bald schon waren Literleistungen von über 100 PS/l bei den »losgelassenen 50ern« an der Tagesordnung: Kleinkrafträder waren echte Motorräder, wenn auch mit einem Hubraum von maximal 50 cm3.

 

In den sechziger Jahren boomten die Kleinkrafträder, weshalb immer mehr ausländische Hersteller auf den deutschen Markt drängten, sogar die ersten zaghaften Importe aus Japan gelangten nach Deutschland. Allerdings besaßen die deutschen Produkte aus dem Hause Kreidler, Zündapp und Hercules einen komfortablen Imagevorsprung vor den Modellen der ausländischen Anbieter. So dominierten die deutschen Modelle trotz hoher Anschaffungskosten die Zulassungstabelle.

Kraft aus 50 Kubik: Spätestens seit den sechziger Jahren wurde immer offensichtlicher, welche Leistungsreserven ein Zweitaktmotor bot. Diese Erkenntnis mündete in einen rasanten Wettbewerb, bei dem sich die Hersteller jährlich gegenseitig überboten.

Die Jahr für Jahr stärker werdenden Kleinkrafträder rückten bald in den Fokus des Gesetzgebers, denn immer mehr Zeitgenossen fühlten sich durch die mit fünfstelligen Drehzahlen über die Straßen lärmenden Zweiräder gestört. Natürlich stieg mit der Leistung der Motoren auch die Endgeschwindigkeit der Kleinkrafträder, was diese Motorisierungsklasse durch ihre überproportionale Unfallträchtigkeit spätestens in den siebziger Jahren endgültig in Verruf brachte. Außerdem stiegen die Versicherungsprämien steil an und erreichten das Niveau von wesentlich stärkeren Motorrädern.

Breitwandmotor 1972: Immer stärker und lauter wurden die Motoren, die mittlerweile über 10.000 U/min drehten. Obwohl die Höchstleistung auf 6,25 PS beschränkt wurde und Motoren mit schalldämpfender Wasserkühlung auf den Markt kamen, war ein Ende der Kleinkrafträder abzusehen.

Um einen gesetzgeberischen Eingriff zu vermeiden, einigten sich Hersteller und Importeure auf eine Höchstleistung von maximal 6,25 PS sowie eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h. Das war eine sinnvolle Entscheidung, denn der Markt der Kleinkrafträder war lebenswichtig für die deutschen Hersteller. Gleichzeitig bildeten Kleinkrafträder die letzte Motorisierungsnische, an der die japanischen Hersteller kaum Interesse zeigten. Die zögerliche Haltung der Japaner war ein großes Glück für die deutschen Hersteller, denn bei den Mofas und Mokicks hatten sie mit modernen Modellen Kreidler, Zündapp, Hercules und Maico längst in Bedrängnis gebracht. Neben der hohen Leistung sprachen zum Schluss eigentlich nur noch die Steuerfreiheit und der kinderleicht zu erlangende Führerschein für die Anschaffung eines Kleinkraftrades.

 

Mitte der siebziger Jahre war das Ende der 50er beschlossene Sache, an die Stelle der lauten und schnellen Kleinkrafträder traten ab Januar 1981 die geschwindigkeitsbegrenzten Leichtkrafträder mit 80 cm3 Hubraum, außerdem wurde der Führerscheinzugang erschwert. Damit endete nicht nur die Ära der Floretts, Ultras und Cobras, sondern auch in vielen Fällen die ihrer Herstellerfirmen: Kreidler, Zündapp, Rixe und Maico, um nur einige zu nennen, waren bis Mitte des neuen Jahrzehnts in Konkurs gegangen.

Die fünfziger Jahre

1945: Deutschland lag nach dem verlorenen Krieg in Schutt und Asche. Die Möglichkeiten der Deutschen, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen, waren zu dieser Zeit von den alliierten Besatzern strikt beschränkt. Die bis zum Krieg populäre Klasse der Zweiräder mit 98 cm3 Hubraum war damit beispielsweise passé.

Der Wunsch, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen, und sei es noch so klein, bestand dennoch. Daher begann der »Deutsche Verband der Fahrrad- und Motorradindustrie« (VFM) gemeinsam mit dem Gesetzgeber nach Lösungen zu suchen, die rechtlich einwandfrei und technisch sinnvoll waren. Zum 1. Januar 1953 kam es dann zur Einführung der Hubraumklasse bis 50 cm3. Laut Gesetz war die neue Fahrzeugkategorie folgendermaßen definiert:

Allerdings passten die von Alfred Kreidler vorgestellten Zweiräder nicht in dieses vom Gesetzgeber vorgesehene Schema. Mit einem Gewicht von über 33 kg waren diese Modelle kein »Moped« mehr, mit Fußrasten und Kickstarter aber auch kein »Motorfahrrad«. Damit hatte Kreidler eine neue Klasse geschaffen, die gesetzgeberisch eigentlich nicht vorgesehen war – die Klasse der »Kleinkrafträder«. Aus diesem Grund wurde am 24. August 1953 die StVZO nochmals geändert – ein Vorgang, der als »Lex Kreidler« in die Motorisierungsgeschichte einging.

Die Prototypen der Kreidler K 50 im Härtetest. Schon kurz nach Serienanlauf wurden die Zweiräder von Kreidler für ihre Qualität gerühmt.

»Kleinkrafträder« waren demzufolge Motorräder mit einem Hubraum von maximal 50 cm3. Im Gegensatz zu hubraumstärkeren Motorrädern blieben Kleinkrafträder steuerfrei, sie mussten allerdings haftpflichtversichert und mit einem amtlichen Kennzeichen ausgerüstet werden. Zum Betrieb reichte der Führerschein 4 (Nachweis der Verkehrsregelkenntnis) aus, der ohne Fahrprüfung abgelegt werden konnte.

Ab dem Jahr 1954 griff die Motorradkrise um sich, der Markt für Motorräder brach in Deutschland vollkommen zusammen. Zahlreiche Hersteller gingen in Konkurs oder stellten ihre Produktion auf andere Erzeugnisse um. Einen anderen Weg beschritten die drei notleidenden Hersteller DKW, Express und Victoria, die sich zur Zweirad Union AG zusammenschlossen.

Ungeachtet der Zweiradkrise Mitte der fünfziger Jahre nahmen immer mehr Hersteller Kleinkrafträder in ihr Verkaufsprogramm auf. Dabei handelte es sich aber meist um mehr oder minder aufgerüstete Mopeds, die auch genau danach aussahen und ihren provisorischen Charakter nur selten verhehlten. Trotzdem bildeten Kleinkrafträder für viele Kunden die kostengünstige Alternative zu einem größeren Motorrad. Ein eigenes Auto war zu dieser Zeit für viele Deutsche sowieso nur ein Traum.

Die Vorgehensweise der meisten Hersteller und Konfektionäre geriet ebenso einfach wie kostengünstig: Um neben den Mopeds ein zweites Standbein als Hersteller in der Kleinkraftradklasse zu schaffen, orderten sie kurzerhand bei ILO oder Fichtel & Sachs fertige Einbaumotoren und rüsteten die firmeneigenen Mopeds damit zum »steuerfreien Motorrad« hoch. Diese Vorgehensweise war lukrativ, da sich Österreich der neuen deutschen Gesetzgebung angeschlossen hatte und dort ab 1957 ebenfalls Kleinkrafträder in den Verkehr gebracht werden durften.

Populär wurde die Klasse der Kleinkrafträder auch durch Rennveranstaltungen, mit denen die Hersteller technische Kompetenz demonstrierten. Besonders profilierte sich der schwäbische Zweiradhersteller Kreidler, dessen Motoren überdurchschnittlich standfest und leistungsstark waren. Das erschien umso verwunderlicher, weil das Unternehmen Kreidler erst wenige Jahre zuvor in den Motoren- und Zweiradbau eingestiegen war.

Gegen Ende der fünfziger Jahre erholte sich der Zweiradmarkt in Deutschland langsam. Weil starke Motorräder vom deutschen Publikum allerdings nach wie vor kaum gefragt waren, konzentrierte sich der Wettbewerb auf die Kleinkrafträder. Das Resultat war ein dynamischer Wettbewerb mit gewaltigem Innovationsdruck, bei dem die unbeschränkten 50er jährlich erwachsener und leistungsstärker wurden. Bald schon drängten die ersten ausländischen Hersteller auf den deutschen Markt.

Aus der finanziellen Not geboren: Der im Jahr 1958 durchgeführte Zusammenschluss von Victoria, DKW und Express bildete die Geburtsstunde der Zweirad Union.

Kreidler K 50

Die K 50 von Kreidler passte vom Gewicht her nicht in die neue Klasse bis 33 kg, die man im Hause Kreidler ohnehin für nicht praxistauglich hielt. Mit seinen 45 Kilogramm lag das Modell weit über den vom Gesetzgeber vorgegebenen Höchstgewicht von 33 Kilogramm für ein »Fahrrad mit Hilfsmotor« (die Bezeichnung ab 1954 lautete dann »Moped«). Für Diplom-Ingenieur Alfred Kreidler stand vielmehr die Fahrsicherheit im Vordergrund, weshalb er die gesetzlichen Vorgaben ignorierte. Damit war die Kreidler K 50 ein führerscheinpflichtiges »Motorfahrrad«. Tatsächlich wirkte die K 50 im Vergleich zu den Modellen der Wettbewerber sehr erwachsen.

Die 2,2 PS leistende K 50 besaß einen Blockmotor mit Zweigang-Getriebe, eine einzige Antriebskette und groß bemessene Trommelbremsen: Da sich Kreidler nicht an die Gewichtsbeschränkung hielt, geriet die Rahmenkonstruktion besonders stabil. Die K 50 überzeugte daher von Anfang an durch Robustheit, Anspruchslosigkeit und sinnvolle technische Details. Was Alfred Kreidler aber gewaltig störte, waren die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Pedale.