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Ted Allbeury

Drecksarbeit

Kriminalroman

Ins Deutsche übertragen von Werner Waldhoff

Edel eBooks

 

Uns interessiert die finstere Seite der Dinge, der ehrliche Dieb, der zärtliche Mörder, der abergläubische Atheist.

Robert Browning

 

1. KAPITEL

Auf dem langen Eichentisch waren die neuesten Ausgaben sämtlicher Tageszeitungen verstreut. Toby Young stand am Fenster und schaute hinaus. Es war ein langer, aber milder Winter gewesen, und die Pessimisten, die geunkt hatten, dafür werde man später noch büßen, konnten jetzt behaupten, recht behalten zu haben. Es war Mitte April und es schneite. Große Flocken sanken träge auf die Fensterbänke. Die Dächer der Gebäude gegenüber vom Century House sahen aus wie auf einer altmodischen Weihnachtskarte. Young drehte sich zu Mike Daley um und sagte: »Sie haben Fogarty getroffen – glauben Sie, der weiß etwas, oder klopft er nur auf den Busch?«

Daley zuckte die Achseln. »Vermutlich ein bißchen von beidem.«

»In seinem Artikel steht keine einzige Tatsache. Kein Name, nicht einmal ein Hinweis – nur der immer gleiche alte Unsinn über Exnazis, die noch frei herumlaufen. In den Staaten, in Südamerika, in Europa – und hier. Warum kommen die jetzt damit an – über vierzig Jahre später? Die meisten dieser Mistkerle sind längst tot.«

»Und warum reden wir dann überhaupt darüber?«

Young runzelte die Stirn. »Spielen Sie nicht den Klugscheißer, Michael. Sie wissen verdammt genau, warum.«

»Uns sind nur drei Leute bekannt, die dem SIS etwas anhängen könnten, und wie Sie selbst sagten: Das ist alles lange her.«

»Sie könnten dennoch eine Geschichte daraus machen – ohne Fakten natürlich, und jede Unterstellung sorgfältig mit einem ›wie behauptet wird‹ abgesichert. Im Moment gibt es keinen anderen Skandal, auf den sie sich stürzen könnten. Die anderen Blätter werden es aufgreifen, und die Opposition wird sofort Stellungnahmen oder gerichtliche Untersuchungen fordern – sie werden alles tun, um die Sache hochzukochen.«

»Was wäre das Schlimmste, was sie sagen könnten, Toby? Was könnte uns wirklich Ärger machen?«

»Daß der SIS nach der Kapitulation der Deutschen ehemalige Kriegsverbrecher zu geheimdienstlicher Arbeit heranzog, ihnen Schutz gewährte und dafür sorgte, daß sie nicht vor Gericht gestellt werden konnten.«

»Das haben doch alle gemacht, nicht nur wir. Die Russen auch. Und die Amerikaner haben Gehlen und seine ganze Organisation übernommen. Mit Mann und Maus.«

Young schüttelte den Kopf. »Gehlen ist niemals eines Kriegsverbrechens bezichtigt worden.«

»Das CIC hat viele andere benutzt, die welche waren.«

»Mit dem Unterschied, daß die amerikanische Öffentlichkeit hinter ihnen steht. Das sind Patrioten, keine Beckmesser wie unser Pack.«

»Haben Sie das beim Alten angesprochen?«

»Ganz kurz.«

»Und seine Reaktion?«

»Ganz vorsichtig.«

Daley lächelte. »Wahrscheinlich fürchtet er um seinen ›Schlag‹.«

Young machte keinen Hehl aus seinem Unmut über Daleys vorlauten Kommentar. Noch mehr ärgerte es ihn, daß ihm der gleiche Gedanke auch schon gekommen war. Es war üblich, daß jeder neue Direktor so rasch wie möglich in den Adelsstand erhoben wurde. Er seufzte bedeutungsvoll und sagte: »Ihr Kopf könnte genauso rollen wie jeder andere.«

Daley grinste. »Das ist Wunschdenken, Toby. Warum meiner?«

»Weil der Chef will, daß einer von Ihren Leuten die drei Jungs aufspürt, die uns Sorgen machen.«

Daley zuckte die Achseln. »Und wo ist das Problem?«

»Das Problem dabei ist, daß wir Ärger bekommen, falls einer von ihnen noch lebt – was sollen wir mit ihm machen, zum Beispiel?«

»Und warum sollte ich Ärger bekommen?«

»Weil es, wie Sie sehr wohl wissen, bei uns Leute gibt, die es nach wie vor für gut halten, dem Boten die Augen auszukratzen, wenn er schlechte Nachricht überbringt.«

Daley schüttelte langsam den Kopf. »Nicht diesem Boten, alter Freund.« Aber er lächelte nicht mehr.

»Wen gedenken Sie darauf anzusetzen?«

»Ich werde es mir überlegen. Wahrscheinlich Mallory.«

»Warum Mallory?«

»Er ist schlau, und er ist zu jung, um sich für den Ausgang zu interessieren – wie immer der auch aussehen mag. Er war noch nicht mal auf der Welt, als das alles passiert ist.«

Als Daley wieder weg war, ging Toby Young zu dem Tisch und stapelte die Zeitungen ordentlich übereinander; das Boulevardblatt, das ihnen Kopfzerbrechen bereitet hatte, legte er obenauf. Langsam und sorgfältig riß er die betreffende Seite heraus, setzte sich auf einen der Lehnstühle und las den Artikel nochmals. Vielleicht sollte Mallory zunächst einmal Kontakt mit diesem Journalisten, diesem Fogarty, aufnehmen und herauszufinden versuchen, was er wußte. Dann mußte er wieder an Daley denken. Sie waren beide zur gleichen Zeit vom SIS angeworben worden. Sie waren in derselben Ausbildungsgruppe gewesen, und Daley hatte sich als ausgesprochen fähiger Agent im Außendienst erwiesen. Kühn, einfallsreich, gute Führungsqualitäten. Und jetzt leitete er die erfolgreichste Gruppe für verdeckte Einsätze. Doch es sah so aus, als hätte er damit das Ende der Fahnenstange erreicht. Und er wußte es. Wenn er weiter aufsteigen wollte, müßte er sich an den Schreibtisch hocken, und das wollte Daley nicht. Er wäre auf dieser Position auch nicht so gut. Feldagenten mußten rasch entscheiden; die Bürohengste saßen weitab vom Schuß, und da kam es auf Nachdenken und Abwägen an, nicht auf sofortiges Handeln.

Young reagierte oft ein wenig gereizt auf Daleys Verhalten. Er bewunderte den Mann, fand seinen ständigen Zynismus jedoch unreif und gewollt subversiv. Außerdem war das eine Pose, mit der man Anfänger beeindruckte. Der zynische Mann der Tat. Zudem nahm er an, daß Daley ihn ungern als Vorgesetzten hatte. Aber auch er hatte sein Pensum im Außendienst geleistet und sich dann für Schreibtisch statt Front entschieden. Immerhin konnte er dadurch den Druck nachvollziehen, unter dem die Feldagenten standen. Die Anspannung, die Einsamkeit und den Groll, wenn rechtliche oder politische Faktoren einen operativen Erfolg verhinderten. Auf dem Schachbrett der Geheimdienste wurden die Springer, Türme und Läufer von Bauern am Schreibtisch behindert, die ihrerseits einem sturen König unterstanden. Natürlich käme es Daley niemals in den Sinn, daß es zu seinen, Toby Youngs, Pflichten gehörte, Verständnis und Mitgefühl für Leute wie Daley aufzubringen.

Er schaute auf die Uhr und griff zum Telefon, um Penny zu sagen, daß er später zum Dinner kommen werde. Wieder einmal.

Daley rief Mallory an, aber man teilte ihm mit, daß er zu einem Handfeuerwaffenkursus in Hythe sei und erst in zwei Tagen zurückerwartet werde. Daley trug ihnen auf, Mallory am nächsten Tag zu ihm zu schicken, und begab sich dann in den kleinen Konferenzraum, wo die wöchentliche Besprechung seiner Abteilung gerade zu Ende ging.

Er setzte sich auf seinen freien Platz am Kopfende des Tisches und hörte zu, wie Harris die Anwendung der Software erklärte, mittels deren der Computer Hochgeschwindigkeitsmorsecodes in Standardzeichen umwandeln konnte. Lange Kabel führten von den Hauptanschlußbuchsen des auf dem Tisch aufgebauten Geräts zu Monitor und Computer. Über eine separate Verbindung war das Torch-Diskettenlaufwerk zugeschaltet. Daley mußte insgeheim lächeln, während Harris das neue Gerät großspurig wie ein Zauberkünstler vorführte.

Harris hielt die Magnetdiskette hoch. »Sie stellen den Computer an und legen die Diskette dann so in das Diskettenlaufwerk ein. Drücken Sie gleichzeitig Umschalt- und Leertaste.« Er machte es vor. »Auf dem Bildschirm wird jetzt von Ihnen ein Befehl verlangt. Sie geben LAMTOR ein, und prompt erscheint das Wort auch auf dem Schirm. Drücken Sie auf den Ein- und Ausschaltknopf hier – am Kantronics-Wandler.« Er beugte sich vor und schaltete das Kenwood R-5000 ein. »Jetzt stellen Sie das Funkgerät auf die Frequenz ein, die Sie überwachen wollen. Versuchen wir’s mal mit 5208 Megahertz, einer der Hauptfrequenzen von Interpol.« Er hielt inne. »Ein paar Sekunden dauert es, bis die Software soweit ist, und dann – geht’s auch schon los.« Er beugte sich vor. »Vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden an alle Interpol-Dienststellen in Europa und dem Mittelmeerraum. Und auf dem Bildschirm stehen die Morsezeichen deutlich erkennbar.« Er wartete, bis alle die Nachricht gelesen hatten. »Gut. Noch eins: Schalten Sie niemals – ich wiederhole: niemals – das Laufwerk ab, solange die Diskette noch drin ist. Damit zerstören Sie die Diskette so gut wie sicher. Alles klar?« Einige nickten, worauf Harris sagte: »Noch Fragen?«

Mailer stellte immer Fragen, und auch diesmal machte er keine Ausnahme. »Was passiert, wenn einer die Diskette zerstört?«

Harris haßte Leute, die »einer« sagten, obwohl es grammatisch korrekt war. »Dann wird einer von der Fernmeldeabteilung gehörig den Marsch geblasen kriegen, und zweitens waren damit vier Arbeitsstunden umsonst. Solange dauert nämlich das Formatieren einer neuen Diskette.«

Daley unterbrach ihn. »Bevor ich es vergesse. Was hat sich wegen des verschwundenen Smith & Wesson ergeben?«

»Hat sich geklärt, Chef«, erwiderte Williams ruhig. »Wir haben das vorhin schon angesprochen. Er war gar nicht verschwunden. Logan hatte ihn vor einem Monat in der Waffenkammer abgegeben, damit die Einstellung überpüft wird, und ihn nicht wieder abgeholt.« Williams lächelte. »Er hatte es einfach vergessen. Ich bin mit ihm nach Hause gefahren und habe in einer Jackentasche die Empfangsbestätigung gefunden.«

»Sagen Sie ihm, daß ich ihn morgen früh Punkt neun sehen will. Was noch?«

»Nichts, Skipper. Das war der letzte Punkt.«

Daley stand auf. »Dann gehen wir jetzt in den Pub einen trinken.«

Der Ausbildungs-Sergeant in Hythe, ein dunkelhaariger Waliser, hielt seinen Unterricht in einem leiernden Singsang, der unheimlich an Dylan Thomas bei einer Dichterlesung erinnerte. Heutzutage war bei den Ausbildern der Army statt des alten formellen Rituals, das auf die meisten Zuhörer nur einschläfernd gewirkt hatte, eine lässigere Haltung angesagt.

An der langen Tafel hinter ihm hingen Großaufnahmen einer zerlegten Waffe, und auf dem Feldtisch vor ihm lagen zwei russische Sturmgewehre.

»Dies hier, Gentlemen ...« – er deutete auf eine der Waffen – »... ist die AK-47 – die 7,62 mm Automat Kalaschnikow, so benannt nach ihrem Schöpfer. Man bezeichnet sie oft als Maschinenpistole, wie die Sten oder die Uzi, aber das ist nicht korrekt. Eine Maschinenpistole verfeuert Pistolenpatronen. Die AK-47 aber ist ein Sturmgewehr und verfeuert Gewehrmunition.

Die AK-47 ist bei den Russen immer noch in Gebrauch, wurde aber bei vielen Einheiten durch das AKM-Sturmgewehr ersetzt. Beides sind exzellente Waffen, und Sie werden an beiden praktische Erfahrungen sammeln dürfen.

Sie unterscheiden sich hauptsächlich in der Fabrikationsart, so daß man sie leicht erkennen kann. Kolben und Vorderschaft der AKM sind aus laminiertem Holz und nicht aus Buche oder Birke, wie dies bei der AK üblich ist. Bolzen und Schlitten der AKM bestehen aus parkerisiertem statt aus blankem Stahl. Die Lüftungsschlitze am Gasdruckzylinder der AKM sind halbrund ...«Er unterbrach seinen Vortrag, als die Klassenzimmertür aufging und der Adjutant der Handfeuerwaffenschule hereinkam. Er nickte dem Ausbilder zu. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Sergeant. Ist Mister Mallory hier ... ah, ja. Der Kommandeur hat eine Nachricht für Sie. Es ist offenbar dringend.«

Mallory verließ seinen Tisch und nickte dem Ausbilder entschuldigend zu, als er die Tür von außen schloß.

Daley war erst weit nach Mitternacht wieder in seiner Wohnung an der Putney Bridge. Er schaute sich auf CNN die Nachrichten an und dachte über Toby Young nach. Er hatte nie herausfinden können, warum er ihn nicht mochte. Manchmal glaubte er, es läge an Youngs gutem Aussehen. Dem eisengrauen Haar, den klaren grauen Augen, der gebräunten Haut. Er wirkte wie dieser Kerl aus dem Denver Clan. Er hörte zu und legte sich seine Antworten so zurecht, daß er immer sauber aus allem herauskam. Doch im Grunde wußte Daley ganz genau, was er an ihm nicht mochte. Sie hatten auf derselben Ebene angefangen, und obwohl sie noch denselben Dienstgrad hatten, war er Young Rechenschaft schuldig. Als Profi wußte er, daß Toby Young seine Aufgabe gut machte, und dadurch wurde die ganze Sache noch schlimmer. Youngs Charme war nicht vorgetäuscht, er war echt. Und er funktionierte, sogar bei ihm.

 

2. KAPITEL

Mallory fuhr mit seinem Healey 3000 von Hythe aus über die kurvigen Straßen von Kent nach Ashford, nahm dort die Hauptstraße nach Maidstone und bog schließlich in einen unauffälligen Weg ein, der, wie es schien, zu mehreren Sozialbauten führte. Vor dem Wachraum der Templer-Kaserne, dem Hauptquartier des Intelligence Corps, hielt er an. Er trug Zivilkleidung, und deshalb überprüften die Posten sorgfältig seinen Ausweis. Danach durchsuchten sie den Healey, öffneten die Motorhaube und schauten in den Kofferraum. Nachdem sie den Inhalt seiner Reisetasche kontrolliert hatten, wiesen sie ihm einen Parkplatz auf dem Exerzierplatz zu. Er schloß den Wagen ab, ging zur Offiziersmesse, trug sich in die Anwesenheitsliste ein und begab sich dann zur Bar. Er bestellte einen Tomatensaft und schaute sich um. Die anderen Gäste, etwa ein Dutzend Männer, trugen alle Uniform. Die Sterne und Kronen auf den grünen Schulterstreifen verrieten, daß es sich um Offiziere des militärischen Nachrichtendienstes handelte.

Als Mallory sein Glas in Empfang nahm, kam ein Captain mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Hallo, Charlie, was machst du denn hier?«

Mallory lächelte. »Wollte nur mal sehen, was ihr Jungs so treibt.« Er hielt inne. »Ich war in Hythe und habe gelernt, wie man mit Uzis und AK-47 rumspielt. Dachte mir, ich schaue auf dem Heimweg kurz auf einen Happen vorbei.«

Man fragte Offizierskameraden nicht, was sie machten. Das verstieße nicht nur gegen die Sicherheitsvorschriften, es wäre auch schlechtes Benehmen, und außerdem würde einem ein gut geschulter Offizier sowieso nicht die Wahrheit sagen. Aber Mallory war Offizier außer Dienst, ein Zivilist. Das Intelligence Corps war ein Tummelplatz für Spezialisten, aus dem sich der SIS und andere Nachrichtendienste häufig ihre Leute aussuchten. Doch diejenigen, die sich abwerben ließen, blieben für gewöhnlich mit der alten Truppe in Verbindung.

Captain Mason lächelte. »Dann gehen wir doch hinein und essen etwas. Es ist Freitag – Curry-Tag.«

Nach dem Essen saßen sie beim Kaffee. »Bist du froh, daß man dich hier herausgeholt hat?« fragte Mason beiläufig.

Mallory zuckte mit der Schulter. »Schwer zu sagen, Joe. Es ist eine vollkommen andere Welt.« Er lächelte. »Ein bißchen so wie damals, als wir in Berlin waren. Politischer. Niemand garantiert dir, daß deine Kollegen auf deiner Seite stehen. Ich vermisse die Kameradschaft, die wir hier hatten. Aber vermutlich paßt das zu mir.«

»Themenwechsel – bist du noch mit dem Mädchen zusammen, das du am Tag der offenen Tür mitgebracht hast?«

»Ja.«

»Die ist wirklich was Besonderes. Alle haben nach ihr gefragt.« Er lächelte. »Bist du schon bei ihr eingezogen?«

Mallory lachte leise. »Nein. Sie ist bei mir eingezogen.«

»Du Glückspilz, du verdammter. Hat sie vor, dich zu heiraten?«

»Wer weiß? Abwarten und Tee trinken.«

Mallory stand auf.

»Bis bald, Joe. Halt die Ohren steif.«

Als Mallory nach London weiterfuhr, fragte er sich, was Joe Mason wohl denken würde, wenn er über seine Beziehung mit Debbie Harper genauer Bescheid wüßte. Debbie war zwanzig und stammte aus dem West Country, aus guter Familie. Sie war unglaublich hübsch, eine ehemalige Klosterschülerin und sowohl amoralisch als auch unmoralisch. Wenn sie die Wahl treffen müßte, würde sie sich ohne zu zögern für letzteres entscheiden. Sie sagte, sie verstünde nicht, was amoralisch bedeute, und außerdem mache es ihr Spaß, unmoralisch zu sein. Na gut, vielleicht nicht immer, aber irgendwie müsse ein Mädchen schließlich sein Geld verdienen, nicht wahr? Wenn sie wissen wollte, warum er sie auch für amoralisch halte, fragte er sie wiederum, weshalb sie so gut wie immer lüge. Darauf lachte sie und behauptete achselzuckend, das sei ein Schutzmechanismus. Wenn man lüge, könne man seine Meinung ändern und alles umkrempeln. Sage man aber die Wahrheit, dann sei man daran gebunden. Man stecke fest. Aber seine Analyse war nicht fair, und das wußte er auch. Sie war liebevoll, großherzig und lebhaft. Außerdem machte sie viele Menschen glücklich. In den zwanziger Jahren wäre sie vermutlich eine Lebedame gewesen, in den Sechzigern der erste Swinger. Einmal hatte sie ihn dazu gebracht zuzugeben, daß ihre Art von Unmoral niemanden unglücklich mache. Was war so schlimm daran, mit jemandem zu schmusen? Damals hatten sie beide nackt auf seinem Bett gelegen, und wenn Debbie Harper nackt war, zerbrach sich kein Mann den Kopf über eine genaue Definition moralischer Standpunkte. Aber Mallory konnte aufrichtig sagen, daß es nicht nur um Sex ging. Er mochte sie, ihre herzliche, lebendige, optimistische und extrovertierte Art, und ihre Verletzlichkeit rührte ihn. Eine Verletzlichkeit, deren sie sich nicht einmal bewußt war.

Es fing an zu nieseln, als Mallory die Battersea Bridge erreichte. Er hielt an und klappte das Verdeck hoch. Als er wieder einstieg, nahm er ein Handtuch und legte es auf den Beifahrersitz. Sollte es richtig regnen, müßte er es über seinen Schoß breiten, damit seine Kleidung nicht naß wurde. Doch als er in Chelsea ankam, schien schon wieder die Sonne.

Er parkte den Wagen in der Nähe der Sloane Street, holte seine Reisetasche heraus und ging zu seiner Wohnung an der King’s Road. Sie lag über einem der wenigen alteingesessenen kleinen Läden, die die Mietpreisexplosion in Chelsea überstanden hatten. Dank der Gefälligkeit eines Mandanten seines Vaters wohnte er dort seit vier Jahren zu einer einigermaßen annehmbaren Miete.

Auf dem Anrufbeantworter waren zwei Nachrichten. Die erste war vom Diensthabenden im Century House. Mallory hatte am nächsten Morgen um elf Uhr einen Termin bei Daley. Die zweite Nachricht stammte von Debbie. Sie sei im Club zu erreichen, falls er sie sehen wollte.

Mallory fragte sich, warum Mike Daley ihn so dringend sprechen wollte. Bei Daley war immer alles dringend.

Er packte langsam aus, warf seine schmutzige Wäsche auf einen Haufen, stellte sein Rasierzeug und die Zahnbürste auf das Badezimmerregal und holte schließlich seine Notizbücher und den Kassettenrecorder heraus und legte sie auf den kleinen Schreibtisch am Erkerfenster. Dann ging er zum Telefon und wählte die Nummer des Crossfire Clubs. Ein Mann nahm ab. »Wer ist dran?« fragte er, als Mallory Debbie verlangte.

»Sagen Sie ihr, es ist Charlie.«

»Sie hat zu tun. Ich richte ihr aus, daß Sie angerufen haben.«

»Richten Sie es ihr gleich aus, und lassen Sie die Mätzchen.«

»Oder was?«

»Machen Sie keinen Scheiß, Louis. Sagen Sie ihr, daß ich sie gleich sprechen möchte.«

»Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Weil ich schon in diesen Club gekommen bin, als Sie noch Ersatzfahrer für Hymies Bande waren.«

»Ah, ja. Jetzt erkenne ich Ihre Stimme. Charlie, nicht wahr? Charlie Mallory.« Er lachte. »Der ehrenwerte Charlie Mallory. Sie ist vor einer Stunde weggegangen. Zum Friseur.«

»Wann kommt sie zurück?«

»Meine Güte, in zwei, drei Stunden – wer weiß?«

»Sagen Sie ihr, ich komme gegen neun vorbei.«

»Okay, Euer Hochwohlgeboren.«

Mallory legte auf. Was für Idioten! Die glaubten doch tatsächlich, die Leute hielten sie wegen eines italienischen Namens für Mafiosi. Bei den gutbürgerlichen Geschäftsleuten, die den Club der Mädchen wegen aufsuchten, wirkte das auch einigermaßen. Die bezahlten hemmungslos überhöhte Preise für miese Drinks, während die Mädchen ihnen für ein weiteres Glas Champagner alles versprachen, was sie wollten. Und wenn Louis und Tony am Tisch auftauchten, beglichen sie anstandslos ihre Rechnung. Bot man den beiden aber die Stirn, schrumpelten sie zusammen wie angestochene Luftballons. Sie nannten ihn »den Ehrenwerten«, weil er keinen Cockney-Akzent hatte und sie immer noch nicht genau wußten, ob er mit Debbie schlief oder nicht.

Er schaute auf seine Uhr. Er hatte keine Zeit mehr, sich mit seinem Vater zu treffen, bevor er zum Club ging. Das Gespräch mit ihm würde länger dauern, auch wenn er ihm nicht viel erzählen konnte. Aber es würde guttun, einfach mit ihm zu reden.

Erst in den letzten zwei Jahren war ihm wirklich klargeworden, wieviel er dem großen, liebenswürdigen Mann schuldete. Er hatte soviel Zeit, Mühe und Verständnis für den fünfzehnjährigen Jungen aufgebracht, der völlig schockiert gewesen war, als seine Mutter die Familie verlassen hatte, um in Kalifornien mit einem anderen Mann ein neues Leben anzufangen. Geduldig hatte ihm sein Vater erklärt, daß Menschen manchmal von Kräften getrieben würden, auf die sie keinen Einfluß hätten. Nie hatte er ein Wort der Kritik über die hübsche Frau verloren, die sie beide auf ihre Art geliebt hatten. Heute fragte sich Mallory, ob sein Vater deshalb so geduldig und verständnisvoll gewesen war, weil er als Anwalt auf Scheidungs- und Familienrecht spezialisiert war. Auch er mußte manchmal einsam und unglücklich gewesen sein, aber er hatte es sich nie anmerken lassen, sondern immer gelächelt und lustige Begebenheiten aus dem Gerichtssaal erzählt.

Sein Vater war enttäuscht gewesen, als Mallory die Universität nach nur einem Jahr verlassen und sich zum Militär gemeldet hatte, aber über seine Beförderung zum Offizier und die Versetzung zum militärischen Nachrichtendienst hatte er sich gefreut. Allerdings war er schockiert gewesen, als er ihm später mitteilte, daß er sich dem SIS angeschlossen habe. Offenbar hatte sein Vater einmal einen ehemaligen SIS-Agenten verteidigt, der mit der Gesellschaft in Konflikt geraten war. Seit damals hielt sein Vater den SIS sowohl für unaufrichtig als auch für vollkommen unzuverlässig. Mallory hatte seinem Vater erklärt, wie vielschichtig der SIS sei und daß sein Mandant vermutlich nur das bekommen habe, was er verdiente. Doch sein Vater wollte das nicht gelten lassen und wetterte seitdem gegen den SIS, wann immer die Rede darauf kam. Und er riet seinem Sohn, den Leuten vom Geheimdienst niemals zu trauen, ganz gleich, was sie sagten.

Seltsamerweise war sein Vater vom ersten Moment an von Debbie eingenommen gewesen. Sie war es gewohnt, die Phantasie der Männer anzuregen, und wußte, wie man Richter für sich einnahm, von Anwälten ganz zu schweigen. Eine flüchtige Erwähnung des Ursulinen-Konvents und ein sittsames Senken der langen Wimpern hatten gereicht, und als sie gingen, sorgte sie dafür, daß sein Vater hören konnte, wie sie zu Mallory sagte: »Dein Vater ist ein richtiger Schatz.« Der alte Herr hatte sie sogar nach Ascot mitgenommen und war von seinen Altersgenossen glühend beneidet worden. Vier von ihnen hatten sie wiedererkannt und sich tunlichst bemüht, ihrem Blick auszuweichen, während sie verstohlen ihre Begleiterinnen musterten.

 

3. KAPITEL

Daley bedeutete Mallory, er möge sich setzen, während er weiter telefonierte. Suchend blickte er auf seinem mit Papieren übersäten Schreibtisch herum, schob schließlich mit einem Finger die Seite aus dem betreffenden Boulevardblatt zu Mallory und drehte sie so, daß dieser sie lesen konnte. Der Artikel war mit einem orangen Textmarker hervorgehoben, und Mallory, der mitbekam, wie Daley beim Telefonieren zunehmend ungehaltener wurde, las ihn. Schließlich knallte Daley den Hörer auf die Gabel.

»Das war Berlin. Kaum zu glauben. Die haben letzte Nacht am Savignyplatz zwei Typen aufgegriffen. Der eine war ein Dealer, und sie haben ihn mitsamt einem dicken Päckchen Heroin der Kripo übergeben. Sie haben die Polizei gebeten, den anderen als Komplizen festzuhalten, während sie seine Identität überprüfen wollten. Als sie wieder zur Kripo kommen, haben die ihn doch tatsächlich laufenlassen. Er war derjenige, den wir wollten. Eindeutig KGB. Diese Krauts glauben mehr an die Perestroika als die Russen.« Er schniefte. »Haben Sie das gelesen, ja?«

»Ja.«

»Nun, diesmal habe ich einen richtig beschissenen Auftrag für Sie, Charlie.«

»Danke.« Er lächelte. »Worum geht es?«

»Um diesen Zeitungsartikel über Exnazis, die ungeschoren herumlaufen. Könnte für den SIS problematisch werden. Nur im äußersten Fall, aber möglich wäre es.« Daley lehnte sich zurück. »Als die Deutschen kapitulierten, herrschte totales Chaos. Für unsere Jungs ebenso wie für die. Unsere Leute sollten Angehörige der Gestapo, des Sicherheitsdienstes, der Abwehr und die Parteibonzen dingfest machen, und darüber hinaus mußten sie auch noch die Entnazifizierung in unserer Besatzungszone durchführen.« Er zuckte mit der Schulter. »Folglich mußten unsere Leute Abstriche machen und, weil das die beste Methode war, ein paar der Böcke als Gärtner einsetzen.«

»Was soll das heißen?«

»Nazis benutzen, um Nazis zu fangen.«

»Und was ist daran falsch? Solange sie etwas liefern.«

»Nun, einige von ihnen waren möglicherweise Kriegsverbrecher. SS-Typen. Leute, die Tausende von Menschen in Konzentrationslager geschickt haben. Gott weiß, was die alles verbrochen haben. Es wurde unter den Teppich gekehrt. Aber jetzt, wo es längst vorbei ist, bekommen wir die Quittung dafür. Man will uns anklagen, weil wir Kriegsverbrecher geschützt haben. Sie davonkommen ließen, so daß sie nach Südamerika abhauen konnten.«

»Das ist doch eher das Problem der Südamerikaner.«

»Nicht in jedem Fall. Einige sind möglicherweise noch in Großbritannien. Wir haben drei Namen. Und wir möchten, daß Sie die Leute aufstöbern und uns einen Überblick geben.«

»Aber dafür sind der Special Branch und MI 5 zuständig, nicht wir.«

Daley seufzte. »Sagen Sie das bloß nicht. Denken Sie nicht einmal daran. Können Sie sich vorstellen, wie man sich bei MI 5 die Hände reibt und alles dem SIS anhängt? Wir haben derzeit zwar ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis zueinander, aber die Versuchung wäre einfach zu groß für sie. Ein Wort zu einem Abgeordneten oder auch nur eine Andeutung gegenüber einem Journalisten, und im Nu bringt Panorama eine Sondersendung.«

»Aber all das ist doch über vierzig Jahre her, und außerdem war die Labour-Partei an der Macht, als es passierte.«

»Charlie, Sie verstehen das nicht. Die würden das so hinstellen, als hätten wir und die Regierung etwas verheimlicht. Wenn wir erklären, wir hätten nicht gewußt, was da passiert ist, dann heißt es, wir wären inkompetent. Wenn wir erklären, wir hätten es gewußt, dann sagen sie, es war eine Straftat und die Verantwortlichen müßten entweder gefeuert oder angeklagt werden. Ich möchte lediglich, daß Sie mich über die Fakten informieren.«

»Und es sind nur diese drei, die überprüft werden müssen?«

»Soweit uns bekannt ist. Vielleicht gibt es noch andere, aber die hier haben überlebt, und sie sind unseres Wissens die einzigen, die uns in Verlegenheit bringen könnten.«

»Bekomme ich Unterstützung?«

»Ihnen stehen alle Mittel zur Verfügung, aber kein Personal.«

»Und wann soll ich anfangen?«

»Jetzt.«

»Wie dringend ist es?«

»Ergebnisse sind wichtiger als Geschwindigkeit.« Daley machte eine kurze Pause. »Toby Young meinte, Sie könnten vielleicht bei diesem Fogarty herumschnüffeln, der den Artikel geschrieben hat.«

»Unmöglich. Das würde ihn nur aufschrecken. Wie oft wollen Sie einen Bericht?«

»Wöchentlich reicht, es sei denn, es gibt etwas wirklich Entscheidendes.«

»Darf ich Sie etwas fragen, Mike?«

»Sicher. Nur zu.«

»Warum setzen Sie mich darauf an? Habe ich etwas verbrochen?«

»Wie alt sind Sie, mein Junge?«

»Zweiunddreißig.«

»Das ist einer der Gründe, warum Sie das hier aufgedrückt kriegen. Sie waren damals nicht dabei und –« Daley lächelte. »Und ich kann Ihnen vertrauen. Reicht das?«

Lächelnd stand Mallory auf. »Ich glaube schon. Wer hat die Akten von den drei Leuten?«

Daley grinste und reichte Mallory zwei Schreibmaschinenseiten. »Akten gibt’s nicht. Da drin steht alles, was wir haben.«

Mallory warf einen kurzen Blick auf die beiden Seiten und schaute dann Daley an. »Was ist mit Fotos?«

»Haben wir nicht. Sie würden Ihnen sowieso nicht viel nützen. Die sind jetzt vierzig Jahre älter. Das heißt, falls sie überhaupt noch leben.«

Mallory schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und ging langsam zur Tür.

Auf dem Weg zu den Aufzügen fragte er sich, was man ihm verschwiegen hatte. Im ersten Monat seiner Grundausbildung hatten die Ausbilder ihnen eingetrichtert, daß sie niemandem trauen sollten. Alle logen. Die Lügen mochten harmlos sein oder nicht ins Gewicht fallen. Aber Lügen blieben Lügen, und Mallorys Mißtrauen setzte, wie bei vielen seines Ranges, vor der eigenen Tür ein. Direkt im Century House.

Mallory nahm die Unterlagen mit in seine Wohnung und setzte sich in die Küche. Bei Apfelsaft und Cheddarkäse auf Waffelbiskuits las er die Seiten dreimal, bevor er sich schließlich eingestand, daß er Hirngespinsten nachjagte. Die dürftigen Informationen betrafen fast ausnahmslos Ereignisse, die über vierzig Jahre zurücklagen. Alle späteren Angaben beruhten auf Vermutungen. Selbst die Kriegsverbrechen, die man ihnen unterstellte, waren nicht näher genannt. Er notierte sich zu jedem Namen die Fakten.

STEFAN WOLFF, geb. 17. Januar 1920, Osterrode (Harz), Niedersachsen. Trat 1939 der NSDAP bei. Ging 1939 zur Wehrmacht. 1940 zur Waffen-SS abgestellt. Diente an der Ostfront, danach als stellv. Befehlshaber einer Einsatzgruppe in Krakau stationiert. Verantwortlich für Massenfestnahmen von Juden und sog. Subversiven zum Abtransport nach Oswiecim (Auschwitz). Wird in einem CRASC-Dokument als Kriegsverbrecher aufgeführt. Vom britischen Sicherheitsdienst im September 1945 in Bremen verhaftet. Als Übersetzer angeworben und dann im Raum Hamburg als Informant eingesetzt. Nahm 1951 an einem Kameradschaftstreffen der Einheit in London teil. Vermutlicher Wohnort Birmingham, wo er als Wachmann bei Fisher & Ludlow arbeitete (wurde von Austin/Morris, jetzt British Leyland, übernommen).

ERICH KELLER, geb. 24. Oktober 1919 in Berlin. Vater Anwalt, Mutter Schauspielerin (Singspiel). Besuchte Kunsthochschule in Berlin. Arbeitete an städtischen Bühnen in Braunschweig und in Hannover. 1939 eingezogen und wegen seiner Sprachkenntnisse (Englisch, Französisch) vom Sicherheitsdienst übernommen. Diente erst in Berlin, dann in Amsterdam. Verantwortlich für Deportation von Juden und Nichtjuden (nach Bergen-Belsen und Mauthausen). Wurde 1945 von der 103. Field Security in Peine (bei Hannover) verhaftet und ins Hauptquartier nach Hildesheim gebracht. Wurde von der Einheit bis 1950 in nachrichtendienstlicher Tätigkeit eingesetzt, danach an die 21. Army Group in Bad Oeynhausen überstellt und vermutlich im Raum Helmstedt für grenzüberschreitende Operationen in der sowjetischen Besatzungszone verwandt. Keinerlei Aufzeichnungen vorhanden. Letztmals erwähnt, als er kanadische Papiere und möglicherweise Pension erhielt. Vermutlich mit Empfehlungsschreiben an Verantwortliche bei Radiosender nach Toronto ausgewandert. Kanadische Papiere wahrscheinlich echt, nicht gefälscht. Wurde laut Bericht Ende der 50er Jahre von zwei ehemaligen britischen Nachrichtendienstoffizieren unabhängig voneinander in London gesehen.

FRITZ DETTMER, geb. Januar 1914 in Frankfurt. Vor Eintritt in die Gestapo im Jahr 1937 keine Erkenntnisse. Mutter Schottin. Geboren in Edinburgh, Mädchenname Mclean, Doris. Dettmer war möglicherweise bei der Kriminalpolizei. In Prag und Warschau eingesetzt. Wird beschuldigt, in Auschwitz Zivilisten und Gefangene gefoltert zu haben. War dort für 8 (acht) Blocks zuständig. Später war er Assistent des Gestapochefs von Magdeburg. Als das 30. Corps sich zu der bei der Konferenz von Jalta vereinbarten Zonengrenze zurückzog, wurde Dettmer Zugang zur britischen Zone gestattet. Wurde von der Field Security für grenzüberschreitende Operationen in der sowjetischen Besatzungszone angeworben. Unterstand vermutlich KELLER, ERICH. 1952 wurde ihm Einreise nach Großbritannien gestattet. Vermutliches Ziel Glasgow oder Edinburgh. Keine weiteren Erkenntnisse. Besitzt vermutlich britischen Paß.

Mallory beschloß, nach Birmingham zu fahren und zu sehen, was er über Stefan Wolff herausfinden konnte. Er packte seine Tasche und hinterließ Debbie eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.

Er bog von der M1 auf die M45 ab, fuhr an Coventry vorbei und nahm schließlich die Hauptstraße nach Castle Bromwich. An einem Zeitungsladen ließ er sich den Weg zu der alten, neben den Dunlop-Werken gelegenen Fabrik von Fisher & Ludlow zeigen. Sie gehörte jetzt zu British Leyland.

Am Haupteingang hielt ihn ein Wachmann an, und Mallory fragte nach dem Chef des Sicherheitsdienstes. Der Wachmann telefonierte mit dem Werkschutz und zeigte ihm dann auf einer Karte der ausgedehnten Anlage, wo sich die Verwaltung befand. Mallory war von den Ausmaßen des Werkes verblüfft. Es war so groß, daß es über einen eigenen Busdienst verfügte.

Er stellte den Wagen auf dem Besucherparkplatz ab und ging zum Hauptgebäude. Die Empfangsdame rief beim Werkschutz an, und eine Sekretärin kam herunter und geleitete ihn zu einem Fahrstuhl. Sie führte ihn einen langen Korridor im zweiten Stock entlang und dann durch einen Raum, in dem etliche Angestellte an Überwachungsbildschirmen saßen, bis sie in ein Büro kamen, das offenbar nur als Konferenzzimmer benutzt wurde. Der Mann, der ihn dort erwartete, schüttelte ihm die Hand und sagte: »Der Boß ist nicht da, aber vielleicht kann ich Ihnen helfen. Dem Ausweis nach zu schließen, den Sie an der Pforte vorgezeigt haben, sind Sie vom SIS.« Er lächelte. »Normalerweise haben wir es eher mit Spionen von der Konkurrenz zu tun.«

Mallory lachte. »Gibt’s da so viele?«

»Mein Name ist Jack Heyford. Setzen Sie sich doch.« Als Mallory Platz genommen hatte, sagte Heyford: »Früher hatten wir hier ziemlich viel Werksspionage, aber wir haben dem Management eine neue Idee unterbreitet, und zu unserer Überraschung sind sie darauf eingegangen. Wir laden unsere Konkurrenten jetzt zu einer Besichtigung ein. Ingenieure, Designer, Leute, die für die Produktionsabläufe zuständig sind – die ganze Bande. Und damit hat das Herumspionieren aufgehört.«

»Bestimmt ein ziemliches Risiko, was?«

»Eigentlich nicht. Unsere Philosophie lautet: Sollen sie sich ruhig umsehen. Falls sie etwas von uns abschauen, dauert es sechs Monate, bis sie es in die Praxis umsetzen können. Und in der Zeit machen wir es längst anders. Schneller, besser, billiger – alles, was Sie wollen. Unsere Produktionsleiter müssen sich für jedes Gerät rechtfertigen, das älter als ein Jahr ist. Unser Motto lautet: Alles, was wir anpacken, läßt sich verbessern, ganz gleich, was es ist.«

Mallory grinste. »Vielleicht ringt sich die Regierung irgendwann auch zu dieser Haltung durch. Dann können wir den SIS dichtmachen.«

»Netter Gedanke. Nun, was können wir für Sie tun?«

»Ich versuche einen Mann namens Wolff aufzuspüren. Stefan Wolff. Wir nehmen an, daß er hier als Wachmann arbeitete.«

»Wann?«

»Damals nannte sich die Fabrik noch Fisher & Ludlow.«

»Das ist lange her. Wahrscheinlich ist er jetzt in Rente. Wollen Sie warten, während ich das überprüfe?«

»Gern.«

Heyford gab jemandem telefonisch Anweisungen und legte dann auf.

»Wir haben vor ein paar Jahren den Großteil unserer Unterlagen auf Computer gespeichert. Mit etwas Glück wird es nicht lange dauern.«

»Womit haben Sie hier hauptsächlich zu tun?«

»Werkschutzaufgaben – gegen Spinner, die glauben, daß Autos die Umwelt verschmutzen. Bagatelldiebstähle und organisierter Diebstahl. Meistens Ersatzteile. Und gelegentlich, wenn es um subversive Elemente geht, arbeiten wir auch mit dem Special Branch in der Stadt zusammen. Aber Streiks sind nicht mehr das Problem, das sie einmal waren.«

Ein Mädchen brachte einen Computerausdruck herein. Heyford nahm das Blatt entgegen und las es sorgfältig durch, als sie wieder weg war. Dann blickte er zu Mallory auf.

»Ihre Informationen waren richtig, Mister Mallory. Er hat hier gearbeitet. Scheint ein vorbildlicher Angestellter gewesen zu sein. Vor drei Jahren in Rente gegangen. Er ist vor fast genau einem Jahr gestorben. Seine Witwe erhält bis jetzt die übliche Betriebsrente. Anscheinend hatte er kurz hintereinander zwei Schlaganfälle und starb ein paar Stunden nach der Einlieferung ins Stadtkrankenhaus.«

»Wurde der Tod beglaubigt?«

»Ja. Wir haben den Befund des Hausarztes und eine Fotokopie des Totenscheins. Und einer unserer Mitarbeiter nahm an der Beerdigung auf dem Witton-Friedhof teil.«

»Haben Sie die Anschrift der Witwe?«

»Ja. Sie wohnt immer noch unter ihrer alten Adresse. Mere Road zweihundertfünf in Erdington – nicht weit von hier.«

Mallory notierte sich die Adresse. »Kann ich eine Fotokopie des Totenscheins bekommen?«

»Selbstverständlich.«

Das Haus an der Mere Road lag direkt hinter einer Hügelkuppe. Es war ein viktorianisches Backsteinhaus mit Erkerfenstern im Erdgeschoß und ersten Stock und einem ausladenden, über mehrere Treppenstufen zugänglichen Podest vor der mit bunten Glasfenstern und einem schweren Messingklopfer versehenen Haustür.

Die Frau, die die Tür öffnete, wischte sich die Hände an der geblümten Schürze ab. »Was wollen Sie?« fragte sie mit ausdrucksloser Miene.

»Sind Sie Mrs. Wolff?«

»Ja. Und wer sind Sie?«

»Könnten wir vielleicht kurz über Ihren verstorbenen Gatten reden?«

»Kommen Sie von der Prudential? Wegen der Versicherung?«

»Nein. Ich wollte nur von Ihnen wissen, wie Sie ihn kennengelernt haben und wie er so war.«

»Wozu wollen Sie das wissen?« Sie klang mißtrauisch.

»Aus rein persönlichem Interesse.«

»Haben Sie ihn gekannt?«

»Ich kannte ihn über andere.« Er lächelte. »Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.«

Sie zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Aber machen Sie schnell. Ich muß in einer Stunde weg, putzen gehen.«

Sie führte ihn einen schmalen Flur entlang und öffnete die Tür zu einem Zimmer, in dem eine dreiteilige, mit Staubschonern abgedeckte Sitzgarnitur stand. Sie nahm die Schonbezüge von zwei Armsesseln, faltete sie ordentlich zusammen und deutete auf einen der Sessel. Dann nahm sie die Schürze ab und setzte sich gegenüber von Mallory hin.

»Wo haben Sie Ihren Mann kennengelernt?«

»Im Clubheim an der Slade Road. Droben bei Stockland Green. Bingo und Tanzen, wie in der guten alten Zeit.« Sie lächelte. »Er war der beste Tänzer dort, obwohl er nicht mehr der Jüngste war.«

»Hat er damals schon bei Fisher & Ludlow gearbeitet?«

»Nein. Er war als Kassierer für die Prudential tätig. So sind wir an unsere Versicherung gekommen. Kurz vor unserer Hochzeit ist er dann in die Fabrik gegangen. Hat gesagt, die Arbeit würde besser bezahlt und wäre interessanter. Aber mit dem Fahrrad war es ein weiter Weg bis zur Tyburn Road.«

»Ist er in Birmingham geboren?«

»O nein. Er ist irgendwo in Deutschland geboren. Ich glaube, er war ein Flüchtling. Ist kurz vor dem Krieg rübergekommen. Bei Kriegsausbruch wurde er interniert. Feindliche Ausländer hat man damals dazu gesagt. Hat im Bergwerk gearbeitet, und als es dann vorbei war, ist er hierher gekommen, nach Birmingham. Hat den Job bei der Prudential gekriegt. Sie haben große Stücke auf ihn gehalten, wirklich. Er konnte mit den Leuten umgehen. Hat sich nie beschwatzen lassen von wegen ›Ich zahle nächste Woche‹ und so.«

»Haben Sie ein Foto von ihm?«

Sie lächelte und deutete auf ein gerahmtes Foto, das auf dem Klavier hinter ihm stand. Er hatte ein seltsam altmodisches Gesicht. Schwarze, glatt nach hinten gestriegelte Haare, dunkle Augen mit buschigen Brauen und tiefe Furchen von den Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln. Es war ein arrogantes Gesicht. Und er hatte ihr offensichtlich einen Haufen Lügen erzählt.

»Ein gutaussehender Mann, Mrs. Wolff.«

»Das war er bestimmt.« Sie lächelte. »Er hatte auch ein Auge für Frauen. Die waren alle ganz wild auf ihn.«

»War er ein guter Ehemann?«

»O ja.«

»Haben Sie Kinder?«

»Nein. Er hat gesagt, damit lädt man sich zuviel Verantwortung auf, so wie es heute in der Welt aussieht.«

»Nun denn, danke, daß Sie soviel Zeit erübrigen konnten, Mrs. Wolff.«

»Wozu waren die eigentlich, die ganzen Fragen?«

Lächelnd stand Mallory auf. »Reine Neugier. Ich wollte mehr über einen Mann erfahren, von dem ich bislang nur gehört hatte.«

Sie wirkte immer noch mißtrauisch, brachte ihn aber höflich zur Tür.

Es dauerte vierzig Minuten, bis er auf dem riesigen, weitläufigen Friedhof das Grab fand. Auf dem Stein aus poliertem Granit stand lediglich: Stefan Wolff, 1917-1984. Das Geburtsjahr entsprach nicht den Angaben in seinen Unterlagen, aber das konnte ein Flüchtigkeitsfehler sein. Schließlich handelte es sich nur um eine eher unwichtige SIS-Akte. Oder gehörte das zu Wolffs Täuschungsmanövern? Auch ohne eine Exhumierung konnte er ihn getrost von der Liste streichen.

 

4. KAPITEL

Der Eingang zum Crossfire Club lag an einer schmalen Seitengasse der Firth Street. Im vorderen Teil des Hauses befand sich eine Personalvermittlungsagentur für Partyservice, und der dahinter liegende Club nahm zwei Stockwerke und das Kellergeschoß ein. Der Stadtrat von Westminster hatte ihm eine Lizenz als Privatclub erteilt und den Ausschank von Getränken bis drei Uhr morgens gestattet, sonntags ausgenommen. Die beiden Inhaber hatten das Gebäude gekauft, als der Stadtrat hart gegen die gewerbliche Unzucht durchgegriffen hatte, worauf die Miet- und Immobilienpreise innerhalb einer Woche ins Bodenlose gefallen waren. Einer der Besitzer war ein erfolgreicher Börsenmakler, und der andere war Mitinhaber etlicher anderer, ähnlich einträglicher Clubs, in denen Touristen und einheimische Trottel von Hostessen mit maßlos überteuerten Getränken geneppt wurden. Nach dem behördlichen Durchgreifen schlossen Clubbesitzer und Stadtrat einen Waffenstillstand: weniger Aufsehen von der einen Seite und dafür nur geringfügige Belästigung von der anderen. Die Partner schätzten, daß sie, als die Mieten schließlich wieder auf das alte Niveau und höher stiegen, in zwölf Wochen knapp über 1,4 Millionen Pfund verdient hatten.

Neben dem Eingang des Clubs lag ein unordentlicher Haufen schwarzer Müllsäcke. Die Betreiber des Crossfire Clubs hatten sich geweigert, die ungeheuren Schmiergelder für die städtische Müllabfuhr zu bezahlen, und Louis hatte einen weitschweifigen Beschwerdebrief an die Stadtreinigung geschrieben. Louis und Tony Fratelli, die den Club für ein Syndikat führten, bekamen einen prozentualen Anteil. Nicht vom Umsatz, sondern vom Gewinn. Sie mußten spuren, weil selbst ein nicht besonders schlauer Buchhalter dafür sorgen konnte, daß keinerlei Gewinn übrigblieb, wenn man ihn nicht bei Laune hielt. Glücklicherweise war der »abgebrühte Arthur«, der sich um die Bücher kümmerte, nicht nur schlau, sondern er hatte auch eine Vorliebe für hübsche Mädchen, so daß er leicht zufriedenzustellen war.

Der Rausschmeißer, ein ehemaliger Marineinfanterist, salutierte lässig, als er Mallory die Tür aufhielt. »Viel Vergnügen, Käpt’n.«

Mallory lächelte. »Ihnen auch, Sandy. Wie geht’s Ihrer Gemahlin?«

»Gut beisammen, Käpt’n. Hat sich gestern die Zähne machen lassen.«

Der Innenraum war in gedämpftes rosa Licht getaucht. Rosa Glühbirnen über der Bar und rosa Lampenschirme an den Tischen. Er stellte sich mit seinem Whisky aus der unter dem Tresen verwahrten Flasche an die Bar und blickte sich um. Die meisten Tische waren besetzt, und er entdeckte Debbie, die mit zwei Männern an einem der Nischentische plauderte und sich offenbar gut amüsierte. Dann sah sie ihn, stand auf und kam zu ihm.

»Hi. Was machst du denn hier?«

»Ich nehme den Nachtzug nach Glasgow. Deshalb wollte ich kurz vorbeischauen und mich überzeugen, ob bei dir alles okay ist.«

»Ich habe heute beim Pferderennen in Lingfield fünfzig Piepen gewonnen.«

»Wer sind die zwei Typen an deinem Tisch?«

»Die sind wegen einer Vertreterkonferenz in der Stadt. Es sind Konzessionäre einer Fast-food-Kette.«

»Da fällt mir ein, ich habe den Kühlschrank mit Lebensmitteln vollgepackt, falls du dich in der Wohnung aufhalten willst.«

»Wie lange bist du weg?«

»Zwei Tage. Vielleicht drei. Du solltest lieber an deinen Tisch zurückgehen, Schatz.«

»Die können warten.« Aber sie drehte sich um und winkte lächelnd den beiden Männern zu, die ihrerseits zurückwinkten. Dann schaute sie wieder Mallory an. »Bist du einverstanden, wenn ich bei dir schlafe?«

»Selbstverständlich.«

Er holte seinen Schlüsselbund heraus, nahm den Schlüssel für das Sicherheitsschloß an der Tür ab und reichte ihn ihr. »Wenn ich vor Freitag zurückkomme, könnten wir übers Wochenende aufs Land fahren.«

Er sah, wie ihr Gesicht vor Freude strahlte. »Gern. Könnten wir wieder dahin fahren, wo wir das letzte Mal waren?«

»Meinst du das Hotel in Bath?«

»Ja. Genau dorthin.« Sie schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf den Mund.

Dann brachte sie ihn zur Tür, blieb in der Gasse stehen und sah ihm nach, als er wegging. Sie war etwas enttäuscht, daß er nicht zurückblickte.

Am Bahnhof angekommen, begab sich Mallory zum Schlafwagen der Ersten Klasse. Die Nachtfahrt mit dem Schlafwagen Erster Klasse nach Glasgow war eine der letzten Arten kultivierten Reisens, die es noch gab, und er schlief fest bis um sechs am nächsten Morgen, als ihm ein Schaffner eine halbe Stunde vor der Ankunft am Glasgower Hauptbahnhof eine Tasse Tee und ein Biskuit brachte.

Er verbrachte drei fruchtlose Tage in Glasgow und Edinburgh. Nirgendwo fand er eine Spur von einem Mann namens Dettmer. Er schlug in Telefonbüchern und Wahllisten nach, überprüfte Steuerdateien, Schufa-Unterlagen und die Karteien der Sozialämter, aber es gab keinen Dettmer. Das hieß, daß er sich auf die Suche nach den alten Akten sämtlicher Field-Security-Einheiten begeben mußte, die mit grenzüberschreitenden Operationen befaßt gewesen waren.

Als sie auf der M4 in Richtung Bath fuhren, deutete sie auf ein Hinweisschild nach Chippenham.

»Dort wohnt meine Familie.«

»Sollen wir die Ausfahrt nehmen und sie besuchen?«

»Meine Güte, bloß nicht! Sie wären entsetzt, wenn ich auftauche, ohne mich eine Woche vorher anzukündigen.«

Er lachte. »Du machst Witze, was?«

»O nein, Charlie. Ich bin das schwarze Schaf der Familie. Sie stellen mich meinen Schwestern immer als Beispiel hin, was aus ihnen wird, wenn sie nicht spuren.«

»Ich habe für uns im ›Francis‹ reserviert, dem gleichen Hotel, in dem wir letztes Mal gewohnt haben.«

»Ich mag es. Alle waren so freundlich und altmodisch.«

Sie sah zu, wie am Nebentisch etwas flambiert wurde, drehte sich dann zu Mallory um und lächelte. »Warum sind die Leute, die ihre Sachen flambieren lassen, bloß immer solche Widerlinge?« flüsterte sie.

»Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«

»Ist aber so. Ich habe es schon oft bemerkt.«

»Erzähl mir etwas über deine Familie.«

Sie lachte. »So was nennt man treffender formulieren – apropos Widerlinge, erzähl mir was über deine Familie.«

Er lächelte. »So habe ich das nicht gemeint. Muß eine Freudsche Fehlleistung gewesen sein oder so was Ähnliches.«

Sie zuckte die Achseln. »Mein Vater ist Finanzier. Er war früher bei einer Handelsbank in London und hat soviel Geld verdient, daß er sich selbständig machen konnte.«

»Und was macht ein Finanzier?«

»Ich weiß nur, was er macht. Er besorgt kleinen, aufstrebenden Firmen Kapital. Verdient dabei ebenfalls eine Menge Kohle.«

»Woher weiß er, daß sie Erfolg haben werden?«

»Sein Buchhalter geht ihre Bücher durch. Überprüft sie, und dann unterhält sich Daddy mit den Machern. Wenn sie ihm gefallen, beteiligt er sich an ihrem Unternehmen.«

»Wonach entscheidet er, ob sie ihm gefallen?«

»Anhand ihres ›Stils‹, wie er es nennt.« Sie lachte. »Daß sie zum Beispiel keine braunen Schuhe zu blauen Anzügen tragen. Und bestimmt keine Nuttentreter, wie du sie trägst.«

»Das sind Wüstenboots, meine Liebe.«

Sie schaute ihn einen Augenblick lang an und sagte dann leise: »Ich mag es, wenn du mich deine Liebe nennst. Selbst wenn du es nicht so meinst.«