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BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK
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2018

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© by Athesia Buch GmbH, Bozen

Umschlagfoto: Trevillion Images und

Privatarchiv Gabriele Neunhäuserer Wallnöfer

Fotos: Südtiroler Landesarchiv (Seite →), Stadtarchiv Dornbirn (Seite → oben),

Wikipedia (Seite →), alle weiteren Bilder: Gabriele Neunhäuserer Wallnöfer

Design & Layout: Athesia-Tappeiner Verlag

Druck: Athesia Druck, Bozen

ISBN 978-88-6839-343-4

www.athesia-tappeiner.com

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Inhalt

Vorwort

Tagebücher sind eine wichtige Quelle für den Historiker und eine große Bereicherung für unser Wissen über die Vergangenheit. Auch wenn sie das historische Geschehen aus der Sicht des Protagonisten und damit oft aus einer subjektiven Optik heraus schildern, so sind sie doch zumeist von einer Lebendigkeit und Anschaulichkeit, an die eine wissenschaftliche Darstellung zumeist nur selten herankommt. Darin liegt denn auch das Faszinierende von Tagebüchern als authentische Dokumente ihrer Zeit für den Leser.

Die Tagebücher des Ernst Neunhäuserer aus Olang vermitteln uns ein anschauliches Bild über einen dramatischen Abschnitt der Geschichte Südtirols. Sie erzählen vom Leben eines einfachen Handwerkers in den Jahren des Faschismus, von Option und Umsiedlung und der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Leopold Steurer

Olang, im Jahr 2000

Seit Jahren lebe ich nun alleine hier im Haus, und die Zeit wird mir inzwischen oft lang. So still ist es um mich geworden. Überhaupt an den finsteren, nicht enden wollenden Abenden schweifen meine Gedanken in die Vergangenheit meines langen, oft schicksalhaften Lebens zurück. Manchmal versuche ich noch auf meiner alten Ziehharmonika ein flottes Stück. Auf wie vielen Bällen und bunten Abenden habe ich in alten Zeiten zum Tanz aufgespielt! Die Wände könnten auch erzählen, wie sehr hier gearbeitet wurde, früher, als wir noch zu fünft waren, die Nähmaschinen surrten, wie die drei Töchter aufwuchsen, lachten, zankten, weinten … und dann, wie es sein soll, ihrer Wege gingen. Eine schöne Abwechslung brachten die vielen treuen Hausgäste, die meine Frau versorgte. Schlimm war, als meine geliebte Gattin Marianna starb und einige Jahre darauf die jüngste Tochter auszog. Dann ist es ruhig geworden, hier in der „Schneiderstube“ und im ganzen Haus.

Oft blicke ich an die Wand, tapeziert mit den vielen eingerahmten Ehrenurkunden, die ich im Laufe des Lebens erhielt. Sicher, sie erfüllen mich mit Genugtuung, überhaupt die Ehrenmedaille des Landes Tirol, die mir für meinen Einsatz im Wiederbeleben des Trachtenwesens vom Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer verliehen wurde.

Jetzt, da meine Welt kleiner geworden ist, ich nicht mehr arbeite, auch keine weiten Reisen oder Wanderungen mehr unternehme, habe ich viel Zeit fürs Lesen und Musikhören sowie in Fotoalben zu blättern. Oft hole ich noch die Schatulle mit meinen Soldatenfotos aus der alten Kommode hervor. Erinnerungen, nichts wie Erinnerungen: Von meinen ehemaligen Kameraden, die mir nahestanden, lebt niemand mehr. An den damaligen Richter von Trapani, meinen loyalen Vorgesetzten dort, und Feldwebel Staffler im Partisanengebiet von Jugoslawien denke ich heute noch oft zurück.

Drei Kriegsausbildungen unter zwei Diktatoren! Vorgesetzte und Militärkollegen kommen mir in den Sinn. Wer von ihnen lebt etwa noch?

Dann im Zweiten Weltkrieg …, zwar wurde ich erst spät einberufen, trotzdem ein Wunder, dass ich ihn heil überstand. Sollte ich vielleicht meine Erlebnisse aufschreiben? Meine Tagebücher existieren ja noch, Tonbandkassetten, auf denen ich für Hörfunksendungen Kriegserlebnisse erzähle, ebenfalls. Da aber meine Töchter für solche Berichte zu meinem Leidwesen kein Interesse zeigen, könnten die Erinnerungen an mein Soldatenleben für meine Enkel und weiteren Nachkommen als aufschlussreiches Zeitdokument einmal wichtig sein.

Oder … sollte ich vielleicht meiner Jüngsten, Gabriele, die Soldatenfotos und Erzählungen anvertrauen. Sie schreibt gerne in lokalen Zeitungen und hat bereits in einem Buch meine bewährten Erfahrungen als Trachtenschneider veröffentlicht. Wie ich sie kenne, wird sie später, wenn ihre Kinder einmal „flügge“ werden, mir sicher diesen Wunsch gerne erfüllen.

Um meine gradlinige Haltung und Einstellung besser zu verstehen, beginne ich kurz bei meiner schweren Kindheit und Jugendzeit: Schlimme Zeiten, aber sie haben mich fürs Leben starkgemacht.

„Schickt alle Kinder zu den
Bauern, dort gibt’s Arbeit, und
keines ist noch verhungert!“

Kindheit und Jugend

Im Jahre 1912 kam ich als ältestes von elf Kindern in Mitterolang im Pustertal zur Welt.

Ich war damals noch Bürger des Kronlandes Tirol und der großen K.-u.-k.-Monarchie Österreich-Ungarn. Mein Vater Josef war Schneider und Musiker, die Mutter Elisabeth Huber eine gut ausgebildete Wirtshausköchin. Bereits als kaum Dreijähriger erlebte ich zu Hause große Trauer und Verzweiflung wegen meiner drei im Ersten Weltkrieg gefallenen Onkel: Johann, Franz Josef und Josef aus Geiselsberg. Sie mussten nacheinander einrücken und fielen für „Gott, Kaiser und Vaterland“, wie es so schön hieß: Franz Josef im März, Johann im August 1915, beide in Ungarn. Josef hingegen kehrte aus Galizien nicht mehr zurück. Er fiel im Juni 1915.

Das Weinen meiner Mutter konnte ich nie vergessen. Bereits damals schon prägte mich das Wort „Krieg“ und bedeutete arge Hungersnot, Kampf, Tod und Tränen.

Im Herbst 1918 ging der grausame Krieg zu Ende, und die riesige Monarchie zerbrach. Für meine Familie gab es ein schlimmes Erwachen: Nicht nur, dass unser kleines Land von Tirol und der

Monarchie abgetrennt wurde, sondern auch die gesamten Ersparnisse waren verloren. Diese hatten meine Eltern in Kriegsanleihen angelegt, um damit dem Kaiser zum Sieg zu verhelfen und um später einmal eine Liegenschaft zu erwerben.

Ich kann mich gut erinnern, wie oft mir mein Vater die abgegriffene Landkarte der riesigen Vielvölkermonarchie gezeigt und alle Kronländer erklärt hat. „Als Österreicher sind wir eingeschlafen, und als Italiener wachen wir auf! Das soll einer erleben!“

Diese Haltung und Ablehnung den Italienern gegenüber hat unsere Familie geprägt.

Noch immer kann ich meinen Eltern nicht verzeihen, dass sie bei mir, dem Ältesten, auf eine gediegene Schulausbildung kaum Wert legten.

Da ich gegen Jahresende geboren wurde und der Schulweg weit war, ließen sie mich erst ein Jahr darauf mit dem Jahrgang 1913 einschulen. Rosina Saxer unterrichtete die unteren Klassen, Pfarrer Leopold Wallnöfer war Religionslehrer. Vier Volksschuljahre besuchte ich in Niederolang. Dann kam ich zu einem Großbauern ins abgelegene Gsieser Tal, um mir den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Natürlich war mit dem Bauern besprochen worden, dass ich im Winter dort auch die Schule besuchen dürfte und Zeit für die Hausaufgabe hätte. Der Großknecht verlangte jedoch von mir schwerstes Arbeiten. Ohne Schutz war ich hilflos der Hierarchie der Knechte ausgeliefert und musste allen zu Diensten sein. Sogar in der Mittagspause, wenn endlich das dampfende Essen auf den Tisch kam, wurde ich von ihnen zum weit entfernten Laden auf der anderen Talseite geschickt, um Pfeifentabak zu holen. Erschien ich endlich hundemüde bei Tisch, rief manchmal ein anderer Dienstbote: „Was, du warst Tabak holen? Ich hab’ auch keine Zigaretten mehr! Bub, musst nur nochmals hinüberlaufen!“Oft blieben für mich dann nur mehr einige kalte Essensreste übrig.

Zweimal kam der Lehrer ins Haus, um an meine Schulpflicht zu erinnern. Jedes Mal durfte ich dann ein paar Tage zum Unterricht, war ausgegrenzt, verstand nichts und wurde ausgelacht.

Als schließlich der Schulmeister nochmals auf dem Hof erschien, um mich Schulpflichtigen abzuholen, erlaubte dies der Großknecht nicht. Es handelte sich doch um mich, den Buben, der täglich mit der Hand keuchend und schwitzend bis zum Nasenbluten die Futtermaschine antrieb und allen diente. Dieser Meinung war auch die Bäuerin. Bepackt mit Wurst und Speck verließ der Lehrer darauf den Hof und wurde nie mehr gesehen.

Zweite Klasse Volksschule in Niederolang, 1923: Lehrerin Rosina Saxer, Religionslehrer Leopold Wallnöfer, Ernst Neunhäuserer letzte Reihe, achter Schüler von links

2. Februar, Mariä Lichtmess, bei den Bauern Zahltag, Tag der Neuanstellungen oder Kündigungen: Nacheinander betraten die vielen Dienstboten die Herrenstube. Ich kam zuletzt. Der sehr zufriedene Großbauer bot mir sofort eine besser bezahlte Stelle als Jungknecht an. Nein, ich geschundener Junge, lehnte sofort ab und durfte endlich wieder nach Hause. In Niederolang beim geschätzten Lehrer Klotz besuchte ich nun die restlichen Schuljahre. Bald hatte ich Versäumtes aufgeholt und schloss später als Fünfzehnjähriger die Pflichtschule sehr gut ab.

Die ganze Volksschule hatte ich in deutscher Sprache mit einigen „Fremdstunden“ in Italienisch besucht.

Öfters hatte ich in meiner Kindheit die Sommermonate bei den geliebten Großeltern auf dem stattlichen Marchnerhof (1540 m) am Hang des Kronplatzes in Geiselsberg verbracht. Da sie alle drei Söhne im Krieg verloren hatten und große Trauer auf der Familie mit der allein verbliebenen Tochter Maria lastete, wurde ich, das Enkelkind, zu ihrem Liebling. Ich brachte wieder etwas Freude in den Alltag, lenkte durch meine Wissbegier, Fröhlichkeit und Anhänglichkeit die Hinterbliebenen vom übergroßen Schmerz ab. Hier bei den Großeltern war ich geliebter Mittelpunkt, bei meinen Eltern unten im Tal als ältestes Kind stets für die Schar meiner jüngeren Geschwister verantwortlich. Meine erschöpfte Mutter bestrafte meist mich für deren Fehlverhalten.

Wie gerne hätte ich dann eine weiterführende Schule besucht! Für eine Ausbildung zum Priester wäre sofort die Verwandtschaft aufgekommen. Eine Lehrstelle als Mechaniker kam nicht infrage, da sie Geld gekostet hätte, als Knecht auf einem Bauernhof zu arbeiten, lehnte ich jedoch strikt ab, und so musste ich nun als Schneiderlehrling dem Vater zur Hand gehen. Anfangs war ich todunglücklich, stundenlang in finsteren Stuben zu sitzen, Staffieren und Bügeln zu lernen. Sehnsüchtig schaute ich oft durch die kleinen Fenster ins Freie, war ich doch Bewegung in Sonne und frischer Luft gewohnt.

Eine politisch schlimme Zeit der Veränderung war inzwischen in unserem kleinen, von Tirol abgeschnittenen Heimatland, angebrochen. Nun hieß es unter König Viktor Emanuel III. Venezia Tridentina oder Alto Adige, ohne dem Trentino. Gesetze wurden umgestellt, Verwaltungsstrukturen wie Bezirkshauptmannschaften in Präfekturen umgewandelt.

1922 kam Benito Mussolini an die Macht. Mit ihm und dem fanatischen Nationalisten und Irredentisten Ettore Tolomei begannen große Schikanen an unserem Volk. Mit Gewalt wollte man nun die Erinnerung an unser ehemaliges Heimatland Altösterreich auslöschen. Zwangsitalienisiert sollten wir nun werden.

Unser Tiroler Brauchtum wurde strikt verboten. In den Gasthöfen durfte kein Heimatlied gesungen oder gespielt werden. Überall die Verbotsschilder. Der Unterricht fand nun nur mehr in italienischer Sprache statt. Meine jüngeren Geschwister besuchten alle die rein italienische Schule. Schüler verstanden die Lehrer nicht, diese wiederum kein Wort Deutsch. Eltern konnten den überforderten Kindern auch nicht helfen, sie waren ja ehemalige rein deutschsprachige Tiroler.

Station Olang: Verabschiedung der ersten Olanger Soldaten zum italienischen Heer (1922/23)

Die ersten Italiener siedelten sich allmählich in Olang an. Wie sehr bestaunte ich die schnittigen Anzüge besser gestellter Beamter! Ich hätte doch auch gerne solche Anzüge zuschneiden gelernt. Da wurde mein Vater aber zornig. Er blieb beim altmodischen Wiener Schnitt. Der passte doch nur noch für alte Kunden, vorwiegend Bauern und Knechte.

Die Wirtschaftslage war auch schlimm. Zuerst eine riesige Inflation, dann die Geldentwertung. Arbeit wäre genug gewesen, aber jeder ließ anschreiben. Allmählich begann ich aber die völlig überforderte Mutter zu verstehen und ihr auch die ungerechten Züchtigungen an mir zu verzeihen. Ich empfand für sie nun große Achtung und Wertschätzung. Ahnte ich vielleicht damals schon, dass ich Jahre später, in schlimmsten Zeiten ihr Trost und stärkster Halt sein würde?

Meine Mutter, als Ältere beider Töchter am Marchnerhof, war verheiratet und hatte bereits zehn Kinder geboren, darunter sechs Söhne, als ihr mein Großvater den stattlichen Hof anbot. Aus Liebe zu ihrem Gatten, der im abgelegenen Berghof doch keine Schneiderwerkstatt führen konnte, verzichtete sie darauf, bestand aber auf den ihr gesetzlich zustehenden Erbteil in Geld. Was für eine Freude, als wir, verarmte Familie, nun ein kleines Anwesen kaufen konnten! Ich begleitete die Eltern bei der Suche. In Niederdorf wurde ein passendes Haus mit großem Garten gefunden. Aber die im Jahre 1929 von Amerika ausgehende katastrophale Weltwirtschaftskrise hatte allmählich auch unser Land erfasst. Meine Eltern zögerten mit dem Kauf zu lange, und das finanzielle Erbe hatte sich dann schließlich größtenteils entwertet.

Weitere schwere Schicksalsschläge trafen nun unsere Familie: Die Großeltern vom Marchnerhof starben 1930 und 1932. Drei Wochen später lag eines Novembermorgens auch noch mein Vater Josef tot im Bett. Schlagfluss lautete die Diagnose. Das elfte Kind zählte damals gerade erst sechs Wochen.

Dies war für uns der gewaltigste Schicksalsschlag, eine Katastrophe, für mich Zwanzigjährigen der Weltuntergang: Das Erbe entwertet, kein Ernährer mehr, die vielen unmündigen Geschwister, die sechsundvierzigjährige Mutter nun ohne ihren geliebten Mann haltlos und am Boden zerstört.

Als Ältester fühlte ich die große Last der Verantwortung für sie, die mit dem Baby im Arm schier verzweifelte. Wie sollte ich bloß die Familie ernähren? Schlimm war auch, dass ich inzwischen zwar nähen konnte, jedoch nicht zuschneiden. Vaters altmodischer Wiener Schnitt, der noch mit Proportionsmaßband direkt auf den Stoff gezeichnet wurde, hatte mich nie interessiert. Was nun? Um die große Familie sofort zu unterstützen, arbeitete ich vorerst im Straßenbau, bei der Bahn, in der Sennerei, im Wald. Vaters Freund, Berufs- und Musikkollege Josef Renzler aus Niederrasen, riet mir in meiner Verzweiflung, ein italienisches, verstellbares Schnittmuster für moderne Anzüge zu erwerben. Dankbar befolgte ich seinen Rat, kaufte eines, übte damit halbe Nächte lang und wurde allmählich ein guter Schneider.

Zehn Kinder der elfköpfigen Familie Neunhäuserer, zweite Reihe von links: Max, Johann, Josef, Adelheid, Ernst; vorne von links: Arthur, Frieda, Thekla, Maria und Erwin; Elisabeth fehlt auf diesem Foto.

Ernst als 23-Jähriger

Ich lehnte genauso wie mein Vater die Zwangsitalienisierung strikt ab. Wir konnten nicht hinnehmen, dass unsere Sprache, Trachten, Lieder, Musikkapellen und Prozessionen strikt verboten oder für faschistische Zwecke missbraucht wurden. Stimmten wir Burschen in einem Gasthof ein Lied an, hieß es sofort: „Pst, seid still, sonst kommen sie!“ So trafen wir Jungen uns auf Almen oder Berggasthöfen. Da spielte ich mit der Ziehharmonika zu flottemGesang und Tanz auf. Im Winter rodelten wir nachts zu Tal. 1933 wurde der Podestà Caroti von Rasun Valdaora mit uns fünfundzwanzig verbliebenen Mitgliedern der ehemaligen Olanger Schützenkapelle betraut, an der feierlichen Eröffnung des Heiligen Jahres in Rom mit einfachen Weisen beizutragen. Eine camicia nera zu tragen, war dabei verpflichtend. Alle gehorchten widerwillig und mahnten mich, doch auch ein faschistisches Schwarzhemd anzuziehen, um nicht in Gefahr zu geraten. Habe aber keines getragen: Es ging auch ohne!

Wir, als Familie in großer Not, wurden beim Armenpfand vorstellig, um eine Unterstützung anzusuchen. Die kühle Antwort lautete: „Schickt alle Kinder zu den Bauern, dort gibt’s Arbeit, und keines ist noch verhungert!“ Auch beim Gemeindeamt von Rasun Valdaora wurden wir strikt abgewiesen.

Eines Tages betrat ein italienischer Hauptmann mit seiner Olanger Gattin die ärmliche Schneiderstube. Die Uniform war umzuändern. Das Ehepaar bemerkte unsere Armut.

„Ja werdet ihr denn nicht unterstützt?“, fragte mich der Capitano entsetzt. Ich schilderte ihm unsere verzweifelte Lage. Kopfschüttelnd setzte sich dann der Hauptmann an den Tisch, verlangte Feder und Briefbogen. Er schrieb und schrieb. Dann adressierte er das Kuvert und trug mir auf, es zur Post zu bringen. Die Adresse lautete: „Sua Eccellenza Benito Mussolini, Palazzo Venezia, Roma.“

Feier der Olanger Heerestauglichen, Jahrgang 1912; Ernst Neuhäuserer in der Mitte mit Ziehharmonika

Ungefähr drei Wochen später stürmte der Gemeindeschreiber fluchend die Treppe zur Wohnung herauf: „So eine Frechheit, dass ihr euch nur untersteht, nach Roma zu schreiben! Für solche Fälle sind wir da, capito!“

RasunPodestàper i nostriNovecase