Coverbild

Jule Richter

GRENZLUST 2

Roman

© 2017

édition el!es

www.elles.de
info@elles.de

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-220-6

Coverfoto:
© woyzzeck – Fotolia.com

Für T. R.
. . . danke, dass du du bist und dass ich ich sein kann . . .

2

Ella

Oh mein Gott! Mir tut alles weh. Ich bin so müde. Und so befriedigt wie schon lange nicht mehr. Jetzt wird mir wieder so richtig bewusst, wie ich das brauche, was Mona mir gibt. Und wie lange wir es schon nicht mehr geschafft haben, uns diesem Spiel so intensiv hinzugeben. Ich seufze, strecke alle viere von mir und schließe die Augen. Am liebsten würde ich jetzt den ganzen Tag hier liegen bleiben.

Aber Mona reißt mich aus meinem angenehmen Dämmerzustand: »Ich würde sagen, wir essen gleich noch eine Kleinigkeit zu Mittag, und dann machen wir uns auf den Weg in die Abgründe der Farbeimer. Was sagst du?«

»Erwarte jetzt keine Freudensprünge, okay?«, maule ich und kuschele mich noch ein bisschen fester in meine Decke.

Mona wirft mir einen mitleidlosen Blick zu. »Sei froh, dass ich dir nicht alle Kleiderbügel einzeln zur Auswahl gestellt habe. Und auf einen Großteil der Sachen, die wir noch aussortieren müssen, habe ich auch schon verzichtet. Du bist also noch recht glimpflich davongekommen.« Sie gibt mir das Gefühl, ich hätte keinen Grund, erschöpft zu sein.

»Ach, leck mich, Mona«, fauche ich halb gespielt, halb ernst in ihre Richtung

Noch im selben Moment befürchte ich Schlimmes. »Oh, Ella, du legst es aber auch wirklich drauf an, hm?«, fragt Mona herausfordernd. Spätestens jetzt ist mir klar, dass sich meine Liste wieder zu füllen beginnt. Manchmal glaube ich, mein Unterbewusstsein macht das mit Absicht: Es treibt mich dazu, mich aus dem Fenster zu lehnen, weil ich unterschwellig bestraft werden will. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gut finde. Ja, ich finde es gut. Oder doch nicht?

Mit viel sanfterer Stimme fragt Mona: »Was möchtest du essen?«

Ich atme erleichtert auf. In diesem Augenblick würde ich weitere Begegnungen mit irgendwelchen Klammern, Löffeln, Pfannenwendern oder sonstigen alltäglichen und weniger alltäglichen Gegenständen nicht verkraften. »Ein Brot mit Leberwurst und ein Glas Milch reichen mir«, flüstere ich und bin froh, dass ich noch ein paar Minuten liegen bleiben und in Gedanken meine Wunden lecken kann. Meine Oberschenkel zwiebeln noch ganz schön, und jede Berührung meiner Nippel lässt mich zusammenzucken. Genau das war natürlich Monas Absicht. Sie hat es darauf angelegt, dass ich nun den ganzen Tag daran erinnert werde, was sie eben mit mir angestellt hat. Und sie hat ihr Ziel erreicht – mal wieder. Miststück. Geliebtes Miststück.

»Mona, du siehst hinreißend aus«, quietsche ich überschwänglich und klatsche verzückt in die Hände, als sie in ihrem weißen, viel zu großen und wirklich schlechtsitzenden Malerkittel aus dem Bad kommt.

»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben«, erwidert sie und mustert mich von oben bis unten. Ja, sie hat recht. Ich sehe auch nicht besser aus. Diese Baumarkt-Anzüge sind einfach viel zu unförmig. Aber es geht ja auch jetzt nicht darum, eine Modenschau zu veranstalten.

»Dann lass uns mal loslegen«, sagt Mona. »Fängst du im Wohnzimmer an? Dann klebe ich die Küchenzeile ab.«

Ich nicke unmotiviert. Es lässt sich wohl nicht vermeiden, auch wenn ich noch so wenig Lust habe, jetzt mit Pinsel und Malerrolle den Tag zu verbringen – einen Tag von wenigen, an denen Mona nicht arbeiten muss. Mit einem Seufzen mache ich mich ans Werk.

Nur wenig später rufe ich frustriert: »Mona?«

»Ja?«

»Die Scheiß-Farbe deckt nicht!« Wütend pfeffere ich den Pinsel in den Farbeimer. Da habe ich extra die teure, hochwertige Farbe gekauft, deren Aufkleber eindeutig verspricht, dass sie nach einmaligem Auftragen jede vorhandene Farbe abdeckt, und nun sieht die Wand aus, als hätte ich eine gefleckte Kuh dagegengeworfen. Verdammter Mist!

Mona versucht mich zu beruhigen: »Reg dich doch nicht so auf. Lass die Farbe erst mal trocknen, und dann sehen wir weiter, okay?«

Aber irgendwie will ich mich gar nicht beruhigen. Ich will gerade sauer sein. Keine Ahnung, warum. »Ach, lass mich«, fauche ich sie an. »Ich bin nun mal wütend. Und ich habe auch das Recht darauf. Der Scheiß-Eimer hier hat vierzig Euro gekostet, und nun sieh dir den Mist doch an!« Mit Schwung trete ich gegen den noch fast vollen Farbeimer.

»Regst du dich jetzt mal bitte nicht so auf wegen so einem Quatsch?«, faucht Mona zurück. Sie kann es nicht leiden, wenn ich sauer bin. Meist kann sie gar nicht verstehen, was eigentlich der Auslöser ist. Das macht mich wiederum noch saurer, und so schaukeln wir uns hoch, bis der Gipfel erreicht ist. Dann knallt eine Tür – meistens meine –, und irgendwann frage ich mich selbst, warum mich Kleinigkeiten so auf die Palme bringen können. Weiß aber nicht, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme, und ärgere mich darüber weiter. Als Nächstes macht es mich wütend, dass ich so schnell wütend werde. Und schließlich frustriert es mich, dass ich es nicht schaffe, meine Wut einfach loszulassen, mich zu entschuldigen und meine Zeit mit sinnvolleren Dingen zu verbringen als damit, mir die Haare zu raufen. Ein Teufelskreis.

»Ella!« Mona blickt mich ernst an. »Komm runter. Echt jetzt.«

Ich weiß ja, dass sie recht hat. Aber gerade in solchen Situationen fällt es mir besonders schwer, einzugestehen, dass ich diejenige bin, die dringend einen Sofort-Psychiater bräuchte. Mit ganz, ganz wirksamen Pillen. Oder einem Holzhammer.

»Ach, sei ruhig . . .«, pampe ich sie an und ärgere mich wie immer darüber, dass ich es nicht schaffe, auf sie zuzugehen. Trotzig packe ich den mit Farbe getränkten Pinsel und klatsche die Scheiß-Farbe lieblos an die Scheiß-Wand.

»Oh ja, Ella. Sehr erwachsen . . .«, sagt Mona kopfschüttelnd. Langsam müsste sie eigentlich wissen, dass diese Reaktion das Ganze nicht besser macht. Sie dreht sich um und geht wieder in die Küche.

Ich koche innerlich. Und das alles wegen eines blöden Farbeimers. Na großartig!

Mona

Als könnte ich mir nichts Besseres vorstellen, um meinen freien Tag zu nutzen. Da stelle ich mich hier hin und renoviere Ellas Wohnung, und dann muss das schon wieder so eskalieren.

Bis jetzt habe ich es immer einfach laufen lassen. Irgendwann beruhigt sie sich, und wir reden drüber – oder auch nicht – und finden wieder zueinander. Aber allmählich frage ich mich, ob ich mir diesen Ärger jedes Mal gefallen lassen muss. Unser Spiel findet zwar nur in Bereichen statt, die nicht so tief in unsere jeweiligen Verhaltensmuster greifen – aber vielleicht wäre es gar nicht so verkehrt, genau diese eher unausgesprochene Grenze zu verschieben. Vielleicht sollte ich Maßnahmen ergreifen, wenn sie sich ernsthaft danebenbenimmt, nicht nur innerhalb des Spiels. Ich bin ja nicht doof. Ich weiß, dass sie das eine oder andere Fehlverhalten bewusst an den Tag legt, um mich zu provozieren und eine Strafe heraufzubeschwören. In dieser Hinsicht hat sie die Zügel viel mehr in der Hand als ich. Und vielleicht sollte ich das wirklich mal umdrehen. Ihr gerade in so kritischen Situationen Einhalt gebieten. Ich wüsste zu gern, wie sich das auf unser Spiel auswirkt. Echte Wut kann ein guter Motor sein – oder alles zerstören. Es wäre ein Spiel mit dem Feuer. Aber unsere Beziehung ist mittlerweile so stabil, dass sie dem Versuch, Ella auf diese Weise aus ihrem Strudel herauszuholen, eigentlich standhalten sollte.

Ein lautes Poltern lässt meine Gedanken verpuffen. Ich werfe die Kleberolle auf den Boden und renne alarmiert ins Wohnzimmer. Dort sitzt Ella auf dem Boden, um sie herum ein abstraktes Kunstwerk aus Farbklecksen und -spritzern.

»Ella!«, rufe ich erschrocken.

»Ach, Scheiße, Mann! Kann der Tag echt noch beschissener werden?«, flucht sie.

Immerhin, sprechen kann sie noch. Ich verwerfe meinen Plan von eben vorerst und frage besorgt: »Was ist passiert?«

»Ich wollte den Eimer auf die Leiter stellen. Wie du siehst, hat er es nicht überlebt. Und meine Schulter auch nicht. Jedenfalls fühlt es sich verdächtig so an, als sei da nicht mehr alles in Ordnung.« Mit schmerzverzerrter Miene hält sie sich die rechte Schulter.

»Lass mal sehen.«

»Ach, Quatsch. Ich lege gleich ein Körnerkissen drauf, und dann geht das schon wieder.«

»Erzähl keinen Mist, Ella«, befehle ich mit fester Stimme. »Ich bin Ärztin. Lass mich einen Blick drauf werfen. Du musst auch vorher nicht noch im Wartezimmer Platz nehmen, und deine Versichertenkarte brauche ich auch ausnahmsweise nicht. Du darfst die Rechnung bei mir abarbeiten.« Mit dem dummen Scherz versuche ich sie ein bisschen zu besänftigen.

Umständlich pellt sie sich aus dem Malerkittel und sitzt wenig später in ihrem schwarzen Tanktop vor mir. Sie sieht hinreißend aus. Der schwarze Stoff umschmeichelt ihre Brüste, und ihre Nippel zeichnen sich deutlich ab. Meine Behandlung von heute Vormittag ist daran wohl nicht ganz unschuldig. Ich grinse.

»Hör auf zu grinsen, Mona . . . ich habe Schmerzen«, erinnert mich Ella.

Ich gebe ihr einen entschuldigenden Kuss auf die Stirn. Der Streit von vorhin ist vergessen, jetzt habe ich nur noch den Wunsch, meiner leidenden Freundin mit meinem medizinischen Fachwissen zu helfen. Zunächst bewege ich ihren Arm behutsam auf und ab, wobei ich mit der anderen Hand das Schultergelenk abtaste. »Also, ausgerenkt ist nichts«, stelle ich fest. »Ich glaube auch, dass die Schmerzen eher aus der Wirbelsäule kommen, weil du die Schulter noch bewegen kannst. Stell dich mal bitte hin und zieh dein Top aus. Ich helfe dir auch dabei.«

»Wenn Sie das so wünschen, Frau Doktor«, sagt Ella und bemüht sich, das Top über ihren Kopf zu befördern.

Ich muss zugeben, es fällt mir nicht ganz leicht, dem medizinischen Gedanken die Hauptrolle in meinem Kopf zu überlassen. Aber ich lasse mir nichts anmerken. »Ich taste jetzt deine Wirbelsäule ab. Wenn es wehtut, sag Bescheid«, weise ich sie an und fahre mit dem Daumen über die einzelnen Wirbel. »Beug dich mal nach vorn.«

Sie tut wie geheißen.

»Und langsam wieder hochkommen.«

»Ah!«, stöhnt sie beim Aufrichten.

Ein Wirbel fühlt sich nicht so an, wie er sollte. »Ja, das tut bestimmt weh. Da scheint sich ein Halswirbel verschoben zu haben. Das ist nicht weiter schlimm, aber ich kann ihn nicht wieder an seine Position bringen. Da müsste ein Orthopäde ran. Krankengymnastik hilft aber auch oft schon. Du legst dich jetzt oben aufs Sofa und legst dir Wärme in den Rücken, und morgen bringe ich dir eine Verordnung mit. Und wenn es zu schlimm ist, dann kommst du morgen in die Klinik, und wir schauen kurz bei Dr. Grundmann vorbei. Er kümmert sich dann um dich, okay?«

»Ist gut. Und wer streicht jetzt?«

»Na, die Heinzelmännchen, denke ich.« Ich täusche eine herausragende Ernsthaftigkeit bei dieser eigentlich überflüssigen Frage vor. Es ist doch wohl klar, dass ich das nun tun werde. Was für ein Scheißtag. Da muss ich Ella und ihrem Gegrummel ausnahmsweise mal recht geben.

Ella

Oh nein. Erst dieser dumme Streit und dann so ein blödes Missgeschick, das mich streichuntauglich macht. Letzteres begrüße ich zwar irgendwie. Aber nun muss Mona die ganze Arbeit allein machen, nur weil ich mich und meine mädchenhaften Kräfte völlig überschätzen musste. Ich hätte ahnen müssen, dass es für meine zarten Ärmchen und die kaum vorhandenen Muskeln unmöglich sein würde, einen vollen Farbeimer auf eine Leiter zu stellen. Aber ich konnte mal wieder nicht über meinen Schatten springen und die starke Frau an meiner Seite um Hilfe bitten.

Ich muss wirklich an mir arbeiten. Sonst ist diese Beziehung schneller vorbei, als ich »Orgasmus« sagen kann.

Mutlos lasse ich mich aufs Sofa fallen. Ein unangenehmes Stechen zwischen den Schulterblättern erinnert mich daran, dass ich nicht ganz freiwillig hier liege.

Mona kommt mit einer Art Matte in der Hand zu mir heran. »So, hier ist das Heizkissen. Da legst du dich jetzt drauf. Und du bleibst liegen, bis ich wieder da bin. Keine unüberlegten Bewegungen und keine Selbstüberschätzung, verstanden?« Mahnend hebt sie den Zeigefinger, bevor sie das Kabel, das an dem Ding hängt, in die Steckdose steckt.

Ich fühle mich wie zwölf. Trotzdem nicke ich artig und bette die schmerzende Stelle auf das Heizkissen. Schon bald spüre ich die wohltuende Wärme und merke, wie müde ich von dem ganzen Stress bin. Dann denke ich daran, dass Mona wahrscheinlich genauso müde ist und nun auch noch allein die ganze Wohnung streichen muss. Nein, das ist nicht gut. So war das nicht gedacht.

»Also«, unterbricht Mona meine Gedanken, »du bist brav und bewegst dich nicht. Ich bin dann wieder unten. Wenn was ist, ruf mich an.«

»Okay«, murmele ich.

Mona beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss auf die Stirn, den ich nun wirklich nicht verdient habe.

»Mona?«

»Ja?«

»Es tut mir leid«, flüstere ich kaum hörbar, aber mit dem Wissen, dass Mona es verstanden hat.

»Ich weiß. Ist schon gut«, beruhigt sie mich. »Es ist alles etwas viel gerade. Lassen wir einfach ein bisschen Ruhe einkehren, dann regeln sich manche Dinge sicher von ganz allein.« Sanft streicht sie mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich zwinge mich zu einem Lächeln, das ganz und gar nicht meiner Laune entspricht und Mona dazu veranlasst, fragend eine Augenbraue hochzuziehen.

»Dir ist doch gerade gar nicht zum Lächeln zumute, oder?«

»Da hast du recht. Aber ich bin bemüht.«

»Ich liebe dich, Ella.«

»Ich liebe dich auch«, gebe ich zurück, und wir küssen uns noch einmal kurz, bevor Mona durch unsere Wohnungstür entschwindet und sie hinter sich ins Schloss fallen lässt.

Unsere Wohnungstür. Unsere Wohnung. Unsere Zukunft.

Ich seufze und schalte den Fernseher an. Wie immer nur Schrott. Aber das ist gerade genau das Richtige für mich.

»Ella, was gibt’s?«, meldet sich Viola mit offensichtlich vollem Mund.

»Guten Appetit«, wünsche ich grinsend.

»Danke. Also? Was ist der Grund für deinen Anruf? Du willst doch sicherlich nicht nur meine unvergleichbar schöne Stimme hören, oder?«

»Nein, wobei dieser Grund auch ganz weit oben auf meiner Liste steht«, beteuere ich und hoffe, dass der Honig, den ich ihr um den Mund schmiere, sie von meinem Anliegen überzeugen hilft. »Ich bin verletzt . . .«

Dieser Anfang war wohl etwas ungeschickt, denn Viola hustet plötzlich. »Was?«, kreischt sie ins Telefon, sobald sie wieder sprechen kann. »Was ist passiert? Wo bist du? Soll ich irgendwo hinkommen? Wo ist Mona? Geht es dir gut?«

»Sorry, ich habe mich irgendwie blöd ausgedrückt«, beruhige ich sie hastig. »Ich habe einen kleinen Kampf mit dem Farbeimer gehabt und ihn leider verloren. Mein Wirbel irgendwo zwischen den Schulterblättern ist ausgerenkt, und nun liege ich hier gemütlich auf dem Sofa, während Mona meine alte Wohnung im Alleingang streicht.«

»Ach du meine Güte, Ella! Na, du machst ja Sachen . . . Und jetzt willst du sicher fragen, ob ich Lust habe, meinen Sonntag damit zu verbringen, fleißig den Pinsel zu schwingen, während du dich vor dem Fernseher ausruhst, stimmt’s?«

»Wenn du das so sagst, klingt das ganz schön unattraktiv«, gebe ich zu und finde es selbst ziemlich blöd, meine armen Freunde schon wieder für so niedere Aufgaben in Beschlag zu nehmen. An einem Wochenende. Demselben Wochenende, an dem sie schon meine fünfhunderttausend Kisten geschleppt haben.

»Ach, Quatsch. Alles okay. Wir machen uns gleich auf den Weg – ich bringe noch Stephan und Karsten mit. Die sind sowieso gerade hier, und ich finde, dass sie sich ruhig auch nützlich machen können. Ich besteche sie einfach mit einem Essen beim Italiener um die Ecke. Dann wird das schon.« Viola beißt noch einmal hörbar in ihr Was-auch-immer-es-ist hinein.

»Wirklich? Ist das echt okay?«, jammere ich. »Ich schäme mich total, dass ich euch schon wieder einspanne.« Das meine ich genauso, wie ich es sage.

»Ach, Süße«, fertigt Viola mich mit vollem Mund ab, »du bist doch auch immer für alle da, wenn sie dich brauchen. Da darfst du nun auch mal ein bisschen Unterstützung annehmen. Und du hast den Farbeimer ja nicht darum gebeten, dir den Wirbel auszurenken, um nicht mehr streichen zu müssen, oder?«

Ich stelle einmal mehr fest, wie sehr ich ihre fröhliche Art schätze. Davon sollte ich mir ab und an eine Scheibe abschneiden. Das Leben mal aus ihren Augen betrachten. Es ist bestimmt gar nicht so schwer, wie ich es mir immer ausmale. Manchmal sollte ich Dinge, die ich nicht ändern kann, einfach hinnehmen, wie sie sind, und das Beste aus ihnen machen. Nicht alles ist planbar. Nicht alles ist vorhersehbar. Nicht alles läuft so, wie ich es mir vorstelle.

Wenn es denn so einfach wäre.

»Ich bin euch so dankbar«, sage ich. »Vielen, vielen Dank, Viola! Wirklich! Ich bin dir was schuldig.« Vor lauter Erleichterung überschlagen sich die Worte fast.

»Quatsch. Wie gesagt: Du bist jetzt einfach auch mal an der Reihe. Alles ist gut. Und nun lass uns aufhören zu reden. Wir machen uns gleich auf den Weg, ich denke, wir sind in einer Viertelstunde da. Sollen wir dann gleich in deine alte Wohnung gehen?«

»Ja, macht das ruhig. Du kannst ja zwischendurch mal hochkommen und mir den Stand der Dinge durchgeben. Ich hab dich lieb, beste, tollste, großartigste Freundin der Welt«, sage ich überschwänglich, aber kein Stück übertrieben.

»Ich hab dich auch lieb«, gibt Viola mit einem Lächeln in der Stimme zurück, und wir verabschieden uns. Mit einem Aufseufzen lege ich den Kopf wieder aufs Sofakissen. Wie gut, dass Mona nun doch nicht ganz allein den Mist ausbaden muss, den ich verursacht habe.

Mona

Als es plötzlich an der Tür klingelt, werde ich sauer. Kann Ella nicht mal eine Stunde einfach liegen bleiben und nichts tun? Muss sie jetzt schon wieder hier runtertapern und nach dem Rechten sehen? Es würde schon an eine Spontanheilung grenzen, wenn es ihr wieder gut genug ginge, um mir beim Streichen zu helfen.

»Ella, ich habe dir doch gesagt, du sollst . . .«, schimpfe ich und stocke dann. »Was macht ihr denn hier?« Reflexartig falle ich Viola um den Hals.

»Dir helfen. Was sonst? Oder meinst du, Ella würde einfach oben rumliegen, ohne Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, damit du nicht allein dastehst?«

Ich muss grinsen. Sie hat recht. Und ich bin überrascht, dass Ella so vernünftig war und um Hilfe gebeten hat. Andererseits bedeutet das auch, dass es ihr wirklich nicht gutgeht. Denn sonst würde sie sich eher die Zunge abbeißen, als ihre Freunde mit derart nervigen Aufgaben wie Streichen zu behelligen.

»Aber es ist Sonntag«, wende ich etwas zerknirscht ein. »Und ihr wart gestern schon so fleißig. Ihr habt doch einen Tag Ruhe verdient.«

Viola macht eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe Ella schon gesagt, dass das völlig in Ordnung ist. Die Jungs kriegen nach getaner Arbeit eine große Pizza spendiert. Und Ella ist auch immer für alle da. Dann können wir jetzt auch mal was für sie tun.«

»Ihr seid die Besten. Vielen, vielen Dank.« Noch einmal werfe ich mich Viola an den Hals, und die Jungs bekommen einen festen Schlag auf die Schulter. So macht man das bei Männern, hab ich mal gehört. Und sie scheinen auch ganz froh darüber zu sein, dass ich sie nicht ebenfalls mit meinen stürmischen Umarmungen belästige.

Wir streichen und malern bis zum Umfallen. Sogar den zweiten Anstrich der Wände, bei denen die weiße Farbe versagt hat, haben wir noch geschafft. Gut, dass Ella so viel Farbe gekauft hat.

»So, und nun alles in einen großen Müllsack, und ab in die graue Tonne damit«, kommandiert Viola, als alle Wände weiß sind. »Kaum zu glauben, dass wir fertiggeworden sind.« Begeistert und überrascht zugleich sieht sie sich in der leeren Wohnung um.

Ich nicke bekräftigend. »Stimmt. Ich dachte, wir buckeln die ganze Nacht und sind dann trotzdem vor dem nächsten Wochenende nicht fertig. Ihr seid die Besten. Habe ich das schon erwähnt?«

»So ein- oder zweimal, aber ein drittes kann nicht schaden«, grinst sie und knufft mir in die Seite.

»Was haltet ihr davon«, schlage ich den dreien vor, »wenn wir oben bei uns zusammen die Pizzen essen? Erstens habe ich auch riesigen Hunger, zweitens könnte Ella dann auch dabei sein, und drittens laden wir euch natürlich ein.«

»Das klingt doch fair«, nickt Viola, und die Jungs stimmen zu.

»Hey . . . Na endlich. Hast du so lange gestrichen? Habt ihr was geschafft?«, fragt Ella vom Sofa her, als ich die Tür aufschließe. Sie liegt immer noch da wie ein Häufchen Elend. Meine arme Ella.

Mit einem überzeugend genervten Unterton erwidere ich: »Na ja, geht so. Deine farbenfrohen Wände lassen die teure weiße Farbe wirklich ganz schön alt aussehen.«

Ella verzieht prompt das Gesicht. »Oh nein. Es tut mir so leid, dass ihr wegen mir so viel Arbeit hattet. Ich schwöre, ich streiche nie wieder eine Wand in einer anderen Farbe als Weiß. Und am nächsten Wochenende mache ich den Rest, versprochen.«

Ich schiebe die Tür ganz auf und lasse unsere fleißigen Helfer eintreten. Grinsend versammeln wir uns alle um das Sofa. »Wir sind fertig, Ella«, löse ich die kleine Lüge auf. »Dank der großartigen Soforthilfe konnten wir alle Wände streichen, manche sogar zweimal, und der Müll ist auch schon unten. Entspann dich also!«

Amüsiert beobachte ich, wie Ella der zerknirschte Ausdruck aus dem Gesicht fällt. »Oh, Mona, du hinterhältiges Biest! Ich bin schwer verletzt. Du kannst doch einer Schwerverletzten nicht so grausame Lügen auftischen!«, schimpft sie. Lange kann sie ihre gespielte Wut aber nicht aufrechthalten. Sie wendet sich an die anderen: »Wow! Ich bin erleichtert. Danke euch allen.«

Viola beugt sich zu ihr herunter und gibt ihr einen Kuss aufs Haar, und die Jungs klatschen ganz männlich mit meiner Ella ab.

»Und jetzt? Pizza?«, frage ich in die Runde, und alle nicken hungrig.

5

Mona

Die Woche war stressig, aber erträglich. Ich habe viel Zeit im Krankenhaus verbracht und mich schon mal in ein paar Bibliotheken für medizinische Literatur umgesehen, um mir Literatur für meine Prüfung im Sommer zu beschaffen. Es ist eine klinikinterne Prüfung, an die sich die eigentliche Facharztausbildung anschließt. Bis dahin sind es zwar noch ein paar Monate, aber ich möchte nicht die Letzte sein, die die Bücher braucht und sie dann nicht bekommt, weil die Wartelisten drei Meter lang sind.

Zuerst steht dieses Wochenende aber die Einweihungsparty an. Dank Ellas Krankschreibung sieht zu Hause bereits am Donnerstagabend alles perfekt aus. Es ist richtig gemütlich geworden, und die anfängliche Angst, die Wohnung könnte für uns beide zu klein sein, hat sich in Luft aufgelöst.

Allerdings hat sich in der Zwischenzeit mein Verdacht, Ella könnte sich meinem Verbot widersetzt haben, immer mehr gefestigt – auch wenn wir uns kaum gesehen haben. Besonders stutzig hat es mich gemacht, dass sie unsere kleine, aber intensive Begegnung vom Montag auf dem Krankenhausflur nicht ein einziges Mal erwähnt und Erlösung eingefordert hat. Denn sonst hat sie immer, wenn ich ihr einen Orgasmus verweigert habe, gebettelt und gejammert, sich dadurch noch die eine oder andere kleine Strafe eingehandelt und am Ende immer Glück gehabt. Dieses Mal war es anders. Sie hat kein Wort darüber verloren und war trotzdem ziemlich entspannt. Gut, sie hat sich nicht verplappert wie sonst meistens, wenn man lang genug wartet. Aber nichts zu sagen, ist in diesem Fall viel auffälliger.

Wenn ich heute nach Hause komme, nehme ich mir am Freitag vor, werde ich die Situation auf die Spitze treiben. Und wenn sie dann einknickt, wird das ein spannendes Wochenende. Insbesondere weil wir Gäste erwarten – worauf ich in diesem Fall aber nur wenig Rücksicht nehme. Das wird Ella hoffentlich eine Lehre sein.

»Du bist so zappelig«, stellt Tanja fest, als sie ins Schwesternzimmer kommt, wo ich gerade bei einer Tasse Tee in meine Wochenendplanung vertieft bin. Ich fahre zusammen.

»Huch, hast du mich erschreckt!«

»Ja, das habe ich gemerkt. Du bist ja ganz in Gedanken versunken«, grinst sie und hofft sichtlich auf eine gute Geschichte.

»Stimmt.« Ich grinse zurück. »Das war ich. Aber ich muss dich enttäuschen. Da gibt es nichts zu erzählen. Alles reine Phantasie.«

»Ach, komm schon. Du wärst nicht Mona, würdest du die Phantasie nicht umsetzen wollen«, stellt sie fest und knufft mir in die Seite.

Ich nippe ganz cool an meinem Tee, bevor ich ihr verstohlen zuzwinkere: »Auch damit könntest du recht haben.«

»Na los, erzähl«, bestürmt sie mich. »Ich bin ausgehungert. Du berichtest ja kaum noch aus deinem Leben, seit du mit Ella zusammen bist. Ich freue mich ja wirklich für euch. Aber du warst freizügiger mit deinen Geschichten, als du noch hier und da mal die eine oder andere Frau rangenommen hast.«

Überrascht stelle ich fest, dass sie schon wieder recht hat. »Ich finde es nicht richtig, über Ella zu reden und intime Dinge auszuplaudern«, gebe ich zu. »Ihr kennt euch, und sie ahnt nicht, dass du so viel über sie weißt. Irgendwie fühlt sich das falsch an.«

»Aber hast du nicht das Bedürfnis, mal über dies oder das zu reden? Einfach unter Freunden? Meinungsaustausch?«

»Doch, schon . . .«, muss ich gestehen. Ganz besonders in der aktuellen Situation. Aber irgendetwas in mir sträubt sich gegen diese Offenheit.

Tanja nickt. »Siehst du. Und ich bin doch wirklich diskret. Außerdem braucht jeder jemanden zum Reden. Ella hat doch sicherlich auch eine Freundin, der sie alles erzählt, obwohl du sie kennst, oder?«

Ich überlege: »Das wäre Viola. Sie weiß viel über Ella. Aber das, was bei uns im Schlafzimmer abgeht, das wohl eher nicht.«

Jetzt schaut Tanja mich ganz schockiert an. »Oje, die arme Ella! Sie hat doch bestimmt das Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen. Immerhin ist sie neu auf diesem Gebiet. Da ist es so wichtig, darüber reden zu können.«

»Ja, das ist wahr«, sagte ich vorsichtig, »aber so offen geht sie damit nicht um. Vielleicht ist sie sich selbst noch unsicher. Oder sie hat Angst, dass sie auf Ablehnung stößt, wenn sie es erzählt.« Das Gespräch macht mich tatsächlich etwas betroffen. Ich habe bisher noch nie darüber nachgedacht, was für Belastungen für Ella daraus entstehen könnten, dass sie alles mit sich selbst ausmacht.

»Lass uns doch mal wieder was zusammen machen«, schlägt Tanja vor. »Vielleicht kann ich ihr ein bisschen zur Seite stehen. Immerhin weiß sie, dass ich mich in dieser Welt auch ein bisschen auskenne. Da sind ihre Hemmungen wahrscheinlich nicht so groß.«

Ich finde die Idee gar nicht so übel. Aber dann fällt mir ein: »Morgen seht ihr euch doch.«

»Stimmt! Eure Einweihungsfeier. Siehst du, habe ich schon wieder fast vergessen.« Sie lächelt entschuldigend.

»Na, das habe ich ja gern«, muffele ich, gespielt beleidigt. »Meine Storys hören wollen und dann unsere Party vergessen. Also wirklich.«

Sie übergeht das einfach und strahlt mich an. »Schön, dann sehen wir uns morgen. Ich muss noch die Visite für Dr. Vogel vorbereiten. Der mag es nicht, wenn die Akten nicht fein säuberlich auf einem Stapel liegen.« Mit einem genervten Schnauben verdreht sie die Augen.

»Ist gut. Ich muss auch gleich los.« Ich schwinge mich aus meinem Stuhl hoch und seufze: »Nils aus Zimmer 2.34 scheint wieder Fieber zu haben, der arme kleine Kerl.« Es tut mir immer richtig weh, meine kleinen Patienten leiden zu sehen. Aber es ist auch die stärkste Motivation, meine Arbeit gut zu machen.

Noch zwei Stunden bis zum Feierabend. Und ich bin schon ganz kribbelig. Der Orgasmus, um den Ella mich zu meinem Bedauern nicht angebettelt hat, hat mir ganz schön gefehlt. Besonders die Spielereien vorher. Da hat sie mir einen ganz schönen Strich durch meine Rechnung gemacht, dieses kleine Biest!

Ella

»Hallo, ich bin Elisabeth Gerber. Ich habe einen Termin um Viertel nach zwei bei Lena Fischer«, melde ich mich am Empfang der Physiotherapiepraxis, in der ich das Glück hatte, kurzfristig ein paar Termine zu bekommen.

Eine freundliche Sprechstundenhilfe lächelt mich an. »Guten Tag, Frau Gerber. Setzen Sie sich doch bitte noch einen Moment ins Wartezimmer. Frau Fischer holt sie dann gleich ab.«

»Ist gut, danke.«

Es ist eine schöne Praxis. Hell, geräumig, erfüllt vom sanften Duft ätherischer Öle. Die leisen Klänge einer Panflöte rauschen in meine Ohren, und ich fühle mich schon im Wartezimmer viel entspannter als noch vor ein paar Minuten auf der lauten Danziger Straße.

»Frau Gerber?«, fragt eine warme Stimme, und ich blicke auf. Vor mir steht eine junge Frau, schätzungsweise Mitte oder Ende zwanzig, mit braunen Haaren, die sie zu einem lockeren Knoten gebunden hat. Ihre braunen Augen strahlen mich an. Ich spüre ein kurzes, unerwartetes Kribbeln in der Magengegend. Bestimmt habe ich Hunger.

»Ja, das bin ich«, bringe ich heraus und stehe auf. »Hallo.«

»Dann kommen Sie mal mit«, sagt sie einladend, und ich folge ihr in einen kleinen, gemütlichen Behandlungsraum. Dort sieht sich die Physiotherapeutin meine Verordnung an. »So, ich sehe hier, dass es sich um Ihren Halswirbelbereich handelt. Richtig?«

»Ja, genau. Nach einer fehlgeschlagenen Begegnung mit einem Farbeimer hat mein Halswirbel gesagt, dass er keine Lust mehr hat«, versuche ich witzig zu sein.

Lena lacht höflich über diese mehr als blöd klingende Formulierung. »Gut. Dann mach dich . . . ähm, machen Sie sich mal bitte oben herum frei und legen sich mit dem Bauch auf die Liege. Ich bin gleich zurück.«

»Also, wenn nichts dagegen spricht, können wir gern beim Du bleiben«, gehe ich auf ihren niedlichen Versprecher ein.

Sie wird rot. »Da spricht nichts dagegen. Ich bin Lena«, stellt sie sich noch einmal vor. Es klingt fast ein bisschen schüchtern. Aber das bilde ich mir sicher nur ein, sie ist wahrscheinlich einfach nur der zurückhaltende Typ.

»Ich bin Elisabeth, aber nenn mich bitte Ella«, entgegne ich, und wir reichen uns unbeholfen die Hände.

»Okay, Ella. Dann mach dich bitte frei. Bis gleich.« Sie lächelt zaghaft, dann verschwindet sie und zieht die Tür hinter sich zu.

»Also gut«, sagt Lena, als ich ausgestreckt auf dem Massagetisch liege, »ich werde dich heute noch mit fiesen Übungen verschonen. Ich denke, dass die Muskeln um den Wirbel herum erst einmal gelockert werden müssen, damit sich da überhaupt wieder was bewegen kann. Also darfst du dich nun entspannen, und ich massiere dich ein wenig. Wenn es unangenehm wird, sag Bescheid. Allerdings musst du schon ein bisschen was aushalten, sonst hilft es nicht.«

Ich muss grinsen. Wenn sie wüsste, was ich in letzter Zeit aushalten musste, hätte sie sich diesen Hinweis sicherlich gespart.

Gleich darauf spüre ich duftendes Öl auf meinen Rücken fließen und dann ihre sanften Hände, die über meine Haut gleiten. Es fühlt sich ganz wunderbar an. Zart, zurückhaltend, vorsichtig. Als würde sie sich langsam herantasten. Nach und nach bedeckt sie meinen ganzen Rücken mit dem Öl, und ihre Hände üben einen angenehmen Druck aus. Was für eine Wohltat nach all der harten Arbeit.

»So«, sagt sie schließlich, »das war das Vorspiel. Kommen wir nun zum ernsten Teil.« Sie verstummt abrupt. Offenbar fällt ihr erst jetzt die Zweideutigkeit ihrer Wortwahl auf.

Ich muss mir ein Kichern verbeißen. Das ist genau mein Humor. »Wenn das Vorspiel mal immer so wäre«, rutscht es mir heraus, und nun bin ich es, die sich über die eigenen Worte wundert.

Aber höflich, wie Lena augenscheinlich ist, geht sie nicht darauf ein. Zum Glück sieht sie auch nicht, dass ich dunkelrot geworden bin. Mann, Ella!

»Ich werde jetzt deinen Schulterbereich massieren. Wenn es wehtut, sag es.«

»Ist gut.«

Nichts tut weh. Der Druck ist weiterhin angenehm. Mit fließenden Bewegungen fahren Lenas Finger meine Muskeln entlang und halten an einigen Stellen kurz inne, um den Druck zu verstärken und einen Moment zu verweilen. Dann folgen wieder großflächige, sanfte Striche über den ganzen Rücken. Von mir aus könnte das ewig weitergehen.

Viel zu früh lässt sie von mir ab und sagt: »So, das war’s für heute.«

Ich hebe den Kopf an und spüre eine wohltuende Schwere in meinem Körper.

»Du kannst noch einen Moment liegen bleiben, wenn du willst«, bietet Lena an. »Wenn du so weit bist, kannst du dich wieder anziehen und rauskommen. Ich brauche dann noch eine Unterschrift von dir.«

Ich nicke. Tatsächlich möchte ich noch einen Moment einfach daliegen. »Kann man dich buchen?«, frage ich. »Oder vielleicht nur deine Hände? Also – nicht, dass der Rest von dir nicht auch . . . ach, egal. Wo soll ich unterschreiben?« Oh Mann, jetzt habe ich mich aber völlig verzettelt.

Diesmal sieht Lena ganz genau, wie rot ich werde, als ich mich selbst reden höre. Sie grinst verschmitzt. Dann reicht sie mir einen gefalteten Zettel und sagt: »Du kannst dir gern einen Flyer mitnehmen. Da steht drauf, was Massagen hier in der Praxis kosten, wenn die Krankenkasse sie nicht übernimmt.«

»Super. Danke . . . Dann bis nächste Woche.« Ich grinse schief.

»Bis nächste Woche. Schönes Wochenende.«

Als ich etwas später wieder draußen auf der Straße stehe, muss ich erst einmal durchatmen. Ich muss wirklich auf Entzug sein, wenn eine Massage mich so aus der Fassung bringen kann. Vielleicht sollte Mona mal Massagen in ihr Belohnungssystem einbauen . . . Wobei ich mir lange keine Belohnungen mehr verdient habe. Irgendwie fällt es mir sehr viel leichter, Mona Anlass zu Bestrafungen zu geben. Ich sollte an meiner Strategie arbeiten.

Im Supermarkt ist es brechend voll. Warum in aller Welt habe ich meinen Großeinkauf für unsere Party nicht schon gestern erledigt? Ist doch klar, dass am Freitagnachmittag alle Welt für das Wochenende einkauft. Ich werde es nie lernen. Also schiebe ich mich mit den Massen durch die Gänge und ärgere mich über die Paletten mit der neuen Ware, die immer genau vor den Regalen stehen, an die ich dran muss.

»Hundertfünfundzwanzig dreiundvierzig bitte«, flötet mir die langsamste Kassiererin der Welt seelenruhig entgegen. Wahnsinn, wie man so cool bleiben kann, wenn sich die Kunden an der Kasse gegenseitig auf die Füße treten und das Aggressionspotential minütlich steigt. Gut, dass ich mit dem Auto hier bin. Müsste ich das ganze Zeug zu Fuß nach Hause tragen, läge ich heute Abend wieder bei Frank auf der Liege. Ich verstaue alles im Kofferraum und bringe den Einkaufswagen zum Abstellplatz beim Eingang zurück. Dort warten schon zehn Kunden mit gierigen Blicken, als würde ich den Hauptpreis in einem Gewinnspiel vor mir herschieben, und der Schnellste dürfte ihn mit nach Hause nehmen. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, meinen Wagen noch eine Runde über den Parkplatz zu schieben, einfach so zum Spaß. Aber vermutlich würde mich die sabbernde Meute dann verfolgen, zu Boden werfen und mir den Einkaufswagen gewaltsam aus den Händen reißen. Also steuere ich sicherheitshalber doch direkt auf den leeren Abstellplatz zu und bin gespannt, wer das Rennen macht und mir als erstes ein Euro-Stück in die Hand drückt, um das Gefährt zu ergattern.

Zu meiner Überraschung ist vor dem Haus ein Parkplatz frei, was mir den Weg um den Block erspart. Das erscheint mir nur fair angesichts der Tatsache, dass ich den ganzen Einkauf ins Dachgeschoss schleppen muss. Nach der letzten Tüte, die mit den Sektflaschen und den Milchpackungen die schwerste war, bin ich wirklich erledigt.

Ich räume die Einkäufe noch schnell weg und lasse mir dann ein Bad ein. Die Entspannung, die Lena mir mit der Massage gezaubert hat, ist vollständig verflogen. Wie schade.

Mona

Als ich die Tür aufschließe, ist Ella nirgends zu entdecken. Laut rufe ich in die Wohnung: »Ich bin zu Hause!«

»Ich bin in der Wanne«, ruft es aus dem Bad zurück.

Ich lächele erfreut. Das passt hervorragend. Dann muss ich ein Bad vor meiner geplanten Strafe für Ella nicht noch mit einkalkulieren.

»Hey, Baby, wie war dein Tag?«, frage ich sie, als ich vor der Wanne stehe und mich zu ihr hinunterbeuge, um ihr einen Kuss zu geben.

»Hey . . . Och, ganz okay. Einkaufen war schrecklich. Aber ich habe alles bekommen. Und das, obwohl die Regale so leergefegt waren, als hätten wir mit dem Weltuntergang zu rechnen.«

»Ja, das ist doch immer dasselbe am Freitag. Danke, dass du dich in die Weltuntergangsstimmung gewagt hast.« Ich grinse und gebe ihr noch einen Kuss.

»Kein Problem. Soll ja eine schöne Feier werden.«

»Das wird sie«, sage ich. »Ganz bestimmt. Ich habe Tanja auch noch einmal daran erinnert, dass sie morgen eingeladen ist. Sie freut sich schon.«

»Das ist schön. Ich freu mich auch. Hab sie lange nicht mehr gesehen.« Sie schäumt sich ein Bein ein und greift nach dem Rasierer.

»Du, sag mal, Ella . . .«, sage ich beiläufig und beobachte, wie sie beginnt, sich die feinen Härchen zu entfernen.

»Ja?«

»Hast du eigentlich nur die Nippelklemmen benutzt, als du es dir am Montag selbst gemacht hast, oder noch was anderes?«

»Nur den roten Vibrator. In den anderen waren keine Batterien mehr«, antwortet sie ebenso beiläufig.

Ich kann es kaum glauben. Nie hätte ich gedacht, dass sie es mir so einfach macht. »Immerhin eine Woche, Ella . . .«

»Was meinst du?«, fragt sie, während sie sich gelassen weiter rasiert und noch immer nicht bemerkt zu haben scheint, was gerade passiert ist. Aber schließlich schaut sie zu mir auf.

Ich funkele sie finster an. »Immerhin eine Woche hast du es geschafft, deine Lügerei aufrechtzuerhalten.«

Jetzt weicht die Farbe aus ihrem Gesicht. Sie lässt den Rasierer ins Wasser fallen. Sagen kann sie offenbar nichts.

»Pass auf, dass du dich nicht schneidest. Ich brauche deinen Körper unversehrt«, lasse ich sie wissen und grinse sie vielsagend an.

Wie vom Blitz getroffen setzt sie sich auf, und das Wasser schwappt durch die schnelle Bewegung über den Wannenrand. »Mona«, stottert sie, »ich . . .«

»Du musst nichts dazu sagen, Ella. Dazu hattest du eine Woche Zeit. Und wenn du früher etwas gesagt hättest, wäre die Konsequenz vielleicht etwas milder ausgefallen. Aber der Zug ist längst abgefahren.«

»Aber . . .«

»Kein Aber. Glaubst du wirklich, ich hätte nicht bemerkt, was los ist? Ich habe zwar kurz überlegt, ob deine Geschichte wahr sein könnte – aber ich kenne dich schon ganz gut. Du warst viel zu entspannt und hast mich nicht ein einziges Mal angefleht, dich zu erlösen. Damit hast du dich so was von verraten, Ella.«

»Und warum rückst du erst jetzt damit raus?«, fragt sie entgeistert.

»Weil es mir Spaß gemacht hat, dich in Sicherheit zu wiegen. Und noch mehr Spaß hat es mir gemacht, deine Lüge jetzt aufzudecken und dich damit zu überraschen. Oh, richtig – du magst ja keine Überraschungen. Tja, dumm gelaufen. Ich habe mir jedenfalls schon was Schönes ausgedacht. Und es passt perfekt, dass nun Wochenende ist und ich ganz viel Zeit für dich habe. Denn die werde ich brauchen, da kannst du dir sicher sein.« Damit verlasse ich das Badezimmer, ohne Ella die Chance auf eine Erwiderung zu geben.

Zu gern wüsste ich, was sie jetzt macht. Sicher schluckt sie erst einmal den riesigen Kloß hinunter, den sie im Hals hat. Anschließend wird sie sich hoffentlich fertig rasieren und sich dann entweder im Wasser auflösen oder mutig aus dem Bad steigen, um sich ihrer Strafe zu stellen.

Ella

So eine hinterhältige Kuh! Ich fasse es nicht. Sie hat es die ganze Zeit gewusst und bringt mich dann auf so durchtriebene Art dazu, es zu gestehen. Und ich merke es nicht einmal! Am liebsten würde ich mich mit dem Badewasser in die Berliner Kanalisation ergießen. Wahrscheinlich wäre das weniger schlimm als die Tortur, die ich zu erwarten habe, wenn ich mich aus dem Bad herauswage.

Was mache ich denn jetzt bloß?

Und warum, zum Teufel, kribbelt mein Schritt bei dem Gedanken daran, dass jetzt kein gemütlicher Fernsehabend folgt, sondern eine Reise in die Welt, die mir noch immer irgendwie fremd ist? Bis zuletzt war ich hin- und hergerissen, wenn ich darüber nachdachte, ob Mona es herausfinden soll oder nicht. Einerseits wünsche ich mir manchmal eine Beziehung, die ohne all diese Regeln, Verbote und Konsequenzen auskommt. Eine Beziehung, die normal ist. Andererseits ist da in mir dieser Wunsch nach mehr von dem, was Mona mir geben kann. Ein Wunsch, der langsam, aber stetig wächst. Doch dieses Mal habe ich die Befürchtung, dass es zu weit gehen könnte. Ich weiß, dass Mona es hasst, wenn sie belogen wird. Und dazu kommt noch, dass ich diesmal zum ersten Mal wirklich ihr Vertrauen missbraucht habe.

Mit Schlägen hat sie mich schon einige Male bestraft. Mit der Hand, dem Paddel, einer Gerte und diversen anderen Hilfsmitteln. Ich habe keine Vorstellung, was da noch kommen soll.

Was, wenn Mona eine Seite hat, die sie mir noch nicht gezeigt hat und die ich nun mit meinem Fehlverhalten geweckt habe? Geht sie weiter? Wie weit? Ich habe zwischenzeitlich mal ein bisschen recherchiert und musste feststellen, dass es Dinge im BDSM-Bereich gibt, die ich definitiv nicht ausprobieren möchte. Und ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, mit Mona darüber zu sprechen und ihr klarzumachen, welche Grenzen sie in keinem Fall überschreiten darf.

Mir wird ganz flau im Magen. Sollte ich jetzt schon das Safeword sagen, damit wir erst einmal Zeit haben, darüber zu reden?

Ich weiß es nicht.

Trotzdem gebe ich mir einen kräftigen inneren Ruck und hülle mich in mein Handtuch. Tapfer habe ich mich gegen die Berliner Abwasserkanäle entschieden und für die Strafe, die ich ja auch irgendwie verdient habe.

Mona kennt mich. Sie liebt mich. Dessen bin ich mir ganz sicher. Und dieses Wissen lässt mich darauf vertrauen, dass Mona niemals zu weit gehen würde. Ich kann mich vollständig in ihre Hände begeben, denn sie würde nichts tun, womit ich nicht leben kann.

Ich atme tief ein, schließe die Augen. Dann wiederhole ich in Gedanken einige Male mein Mantra ›Ich vertraue Mona, sie wird nichts tun, womit ich nicht leben kann‹ und öffne die Augen wieder. Das grelle Badezimmerlicht blendet mich, und mein Spiegelbild sieht mir ängstlich und zugleich voller Neugier entgegen.

Ja, ich bin neugierig. Und ja, der Gedanke erregt mich, dass Mona mich gleich in unserem Spiel empfängt und mich in die Welt entführt, die mich mindestens so sehr fesselt wie ein Bondage-Seil, das sich fest um meinen Körper schlingt.

Nur ins Handtuch gewickelt trete ich aus dem Badezimmer. Mona sitzt auf dem Sofa und schaut mir entgegen.

»Wie schön«, sagt sie ruhig. »Du hast dich also entschieden, das Bad zu verlassen. Das rechne ich dir hoch an.« Sie steht langsam auf, ohne mich aus den Augen zu lassen.

Automatisch senke ich den Blick zu Boden. Ich kann ihr nicht in die Augen sehen vor lauter Scham. Ich schäme mich für mein Verhalten am Montag und für die Lügen, die ich darauf aufgebaut habe. Und ich schäme mich, weil ich nur in einem Handtuch vor ihr stehe, während sie vollständig bekleidet so viel Dominanz ausstrahlt, dass ich mich klein und unbedeutend fühle.

Mona geht gemächlich um mich herum, begutachtet mich, mustert mich ausführlich. Dann bleibt sie hinter mir stehen. Nichts passiert. Ich höre nur ihren leisen Atem. Mein Herzschlag stockt. Was hat sie vor?

Plötzlich flüstert sie: »Das wirst du nicht brauchen.« Im selben Moment zieht sie mir das Handtuch weg. Reflexartig legen sich meine Hände über meine Scham, und mit den Armen verdecke ich meine Brüste.

»Nimm die Arme zur Seite, Ella«, weist sie mich an.

Ich kann nicht.

»Ich glaube nicht, dass du deine Liste noch großartig verlängern möchtest, oder?«

»Nein«, flüstere ich kaum hörbar und lasse meine Arme langsam sinken.

»Schon besser«, lobt Mona und geht weiter um mich herum.

Schließlich steht sie vor mir. Sieht mich durchdringend an. Ich möchte im Boden versinken, unsichtbar werden. Ich bin jetzt schon gedemütigt, obwohl noch nichts passiert ist.

»Ich denke, ich muss nicht mehr viel zu dem sagen, was vorgefallen ist, oder?«, fragt sie mich, legt mir die Finger unters Kinn und hebt meinen Kopf so an, dass ich ihr ins Gesicht sehen muss.

»Nein.« Wieder kann ich nur flüstern. Ich versuche, meinen Blick von ihr zu lösen.

»Sieh mich an, Ella«, raunt Mona, und ich gehorche. Ihre Augen sind streng. Ich erkenne den Ärger darin, der sich wegen meiner Lügerei aufgestaut hat. Aber auch die Zuneigung, die Mona nicht verbergen kann. Das beruhigt mich.

»Ich liebe dich, Ella. Aber du weißt auch, dass es Dinge gibt, die ich nicht dulde. Und du hast dich dennoch auf mich eingelassen. Dir war von Anfang an klar, dass ich keine Ausnahme mache. Stimmt das?«

»Ja«, antworte ich wahrheitsgemäß.

»Gut. Dann weißt du auch, dass es kaum etwas Schlimmeres gibt, als mein Vertrauen zu missbrauchen oder mich anzulügen. Und beides hast du getan. Ich habe lange über die passende Konsequenz nachdacht. Du sollst daraus lernen, und dir soll klarwerden, dass es für dich besser gewesen wäre, wenn du dich einfach an mein Verbot gehalten hättest. Im Übrigen hättest du dann am Abend eine sehr ausgiebige Erlösung erhalten. Aber das nur am Rande.« Ein Grinsen stiehlt sich in ihre Mundwinkel.

Mist. Mist. Mist! Ich hätte es ahnen können. Mona hält es ja selbst meist nicht sehr lange aus, wenn unsere sexuellen Begegnungen nicht zum Ziel führen. Warum ich dieses Mal nicht warten konnte, ist mir jetzt im Nachhinein völlig schleierhaft.

»Es tut mir leid«, murmele ich.

»Das ist zwar schön, aber zu spät. Viel zu spät.«

Mona geht noch einmal um mich herum. Dann lässt sie mich allein im Wohnzimmer stehen und verschwindet ohne ein Wort im Schlafzimmer.

Mir wird kalt. Ich spüre, wie sich auf meinem ganzen Körper eine Gänsehaut bildet. Was hat Mona vor?

Mona

Ella wird sich wundern. Sie rechnet bestimmt mit vielem – aber nicht damit, dass ich nach der Arbeit auch noch einkaufen war. Allerdings nicht im Supermarkt. Ich war im Erotik-Fachgeschäft meines Vertrauens und habe mich ein wenig inspirieren lassen.

Und wie es der Zufall wollte, habe ich ein paar äußerst passende Dinge gefunden.

Ich nehme meine erste Neuerwerbung in die Hand und lächele. Ein absoluter Glücksgriff. Dann gehe ich zurück ins Wohnzimmer. Ella steht noch immer an Ort und Stelle. Sie scheint sich keinen Millimeter gerührt zu haben. Beeindruckend. Sie wäre die geborene Sklavin. Aber so weit wollen wir mal nicht gehen.

»So, Ella«, kündige ich an, »ich habe dir hier etwas mitgebracht, das als Strafe für dein Vergehen angemessen ist. Wahrscheinlich hast du gedacht, ich würde einfach meine neue Gerte zücken und dir ein paar hübsche Striemen auf deinen süßen Hintern zaubern. Vielleicht mache ich das später auch noch. Aber erst einmal möchte ich dir deinen neuen Wegbegleiter vorstellen.« Bei den letzten Worten zücke ich meine Überraschung.

Ella reißt verwundert die Augen auf und versucht offenbar herauszufinden, um was es sich genau handelt.

Ich beantworte ihre unausgesprochene Frage: »Das, meine Liebe, ist dein neues Kleidungsstück.«

»Aber . . .«, beginnt sie und hält verwirrt inne.

»Du wirst diesen Slip das ganze Wochenende tragen. Vielleicht auch noch länger. Das entscheide ich dann spontan.«

»Aber . . .«

»Kein Aber. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich es noch einmal darauf ankommen lasse, dass du dich meinen Regeln widersetzt, oder?«

»Mona . . .«, faucht sie, verärgert, aber auch erkennbar verunsichert.

»Ja, Ella?«

»Was soll das? Was willst du mir sagen?«

»Ich will sagen, dass du ab jetzt bis mindestens Sonntagabend deinen neuen Keuschheitsgürtel tragen wirst. Und ich werde ihn verschließen und den Schlüssel immer bei mir haben, damit du ihn nicht in die Finger bekommst.«

Mit großen Augen starrt Ella mich an. Dann lacht sie fast hysterisch auf und tippt sich an die Stirn: »Das ist doch wohl nicht dein Ernst!«

»Und ob.«

»Du spinnst doch! Das ziehe ich nicht an. Wir sind doch nicht im Mittelalter!«

»Stimmt«, entgegne ich belustigt. »Darum ist deiner ja auch aus anschmiegsamem Leder und nicht aus Stahl. Und außerdem hat er noch ein paar Extras. Die kann ich zwar auch entfernen, aber gerade finde ich sie sehr spannend.« Ich halte ihr den Gürtel vors Gesicht, damit sie ihn sich genauer ansehen kann.

»Niemals, Mona!«

»Du kannst es dir aussuchen«, biete ich ihr an. »Entweder du ziehst ihn freiwillig an, oder ich fessele dich an dem Balken und übernehme das für dich. In jedem Fall wirst du ihn gleich tragen. Und zwar für das gesamte Wochenende. Wenn du jetzt nicht rumbockst, dann können wir uns darauf einigen, dass ich ihn aufschließe, wenn du auf Toilette musst. Andernfalls geht das auch mit dem Gürtel. Ist aber sicherlich nicht so schön.«

Sie ist offensichtlich wenig begeistert von dem Deal. »Geht das nicht ein bisschen zu weit?«

»Du hast mein Vertrauen missbraucht«, stelle ich klar, »indem du dich selbst befriedigt hast, obwohl ich es dir ganz klar verboten habe. Und du hast mich zu allem Überfluss auch noch eine ganze Woche angelogen. Ich finde, meine Strafe ist noch recht human.«

»Mona, es tut mir wirklich leid . . . Bitte lass dieses Ding aus dem Spiel.«

Aber natürlich lasse ich mich von ihrer ehrlichen Reue nicht erweichen. »Nein. Du sollst doch nicht jede Strafe genießen, Ella! Es geht nicht nur um deine Befriedigung. Es geht auch darum, dass du die Folgen deines Verhaltens erträgst. Und die können nun mal nicht immer nach deinem Geschmack sein.«

Ella

D