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Erma Bombeck

Hilfe, ich habe Urlaub!


Ins Deutsche übertragen von David Eisermann

Edel eBooks

Papua-Neuguinea

Die ersten Schüsse fielen nachts um zwei, dicht gefolgt vom Klirren der Flaschen, die gegen unser Hotel geworfen wurden, und den Schreien aus dem Zimmer nebenan. Neben mir im Bett lag der Irre, der mich hierhergebracht hatte, um einmal Abstand von den Kindern, den Telefonanrufen und der täglichen Kocherei zu bekommen.

Es war die dritte Woche unseres Urlaubs in Papua-Neuguinea, und mein Mann und ich steckten mitten in einem Stammeskrieg in einem kleinen Ort namens Kundiawa.

In der Feuerpause starrten wir beide in dem dunklen Zimmer an die Decke und wagten nicht, uns zu bewegen. »Du kannst mich für verrückt halten«, sagte ich, »aber ich glaube, die Leute hier haben die Sache mit dem Fremdenverkehr noch nicht ganz im Griff.«

Mein Ehemann atmete tief durch. »Ich habe dir doch schon erklärt, das hat nichts mit uns zu tun. Der Kampf betrifft nur die beiden Stämme.«

»Du hast so eine Art, immer die gute Seite an den Dingen zu sehen«, erwiderte ich matt.

Ein Hund bellte. Die eiligen Schritte und das Geschrei vor unserer Tür wurden rasch leiser.

»Weißt du eigentlich, daß es hier im Hotel kein Wasser gibt?« fragte ich.

»Wie oft soll ich es dir noch sagen«, seufzte er: »Wir sind in einem Land der Dritten Welt. Hier legt dir niemand jede Nacht ein Stück Schokolade aufs Kopfkissen. Du mußt die urtümliche Eigenart der Gegend zu schätzen wissen.«

»Meinst du, es ist gefährlich, auf dem Fußboden ins Bad zu robben?« fragte ich ein paar Minuten später.

»Ja«, entgegnete er und drehte sich zum Schlafen um.

Ich lag mit offenen Augen da. Was in aller Welt tat ich eigentlich hier? Ich, eine Frau, die jede Woche ihre Tennisschuhe abschrubbte, eine Frau, die fast in Ohnmacht fiel, wenn sie in ihrem Salat eine Kakerlake fand oder im Nationalpark die Toilette mit einer auf dem Spülkasten zusammengerollten Schlange teilen mußte. Eine Frau, die sich ein gutes Kleid mitgebracht hatte, um darin sonntags in die Kirche zu gehen, und dann feststellen mußte, daß die Einheimischen hier oben ohne zur Messe gingen. Gott weiß, wie ich es hasse, falsch angezogen zu sein!

In der Theorie hören sich Ferien immer so großartig an. Sie sollen gut für die Ehe sein, gut, um wieder zu sich selbst zu finden, gut, um ein besseres Verständnis für die Welt zu bekommen, das Beste für eine schöne Haut – lauter so Sachen.

In Wahrheit sind Ferien harte Arbeit. Etwa wie Bergsteigen mit Durchfall. Wir bezahlen eine Menge Geld, um auf Flughäfen zu übernachten und Koffer rumzuschleppen, die doppelt soviel wiegen wie wir selbst, Sachen zu essen, deren einziger Vorzug darin besteht, daß wir sie nicht kennen, und unser Leben wildfremden Menschen anzuvertrauen.

Zugegeben, Papua-Neuguinea ist die einzigartigste Kultur, die ich in den zwanzig Jahren kennengelernt habe, seit ich in Urlaub fahre. Ich weiß das von meinem Mann. Er kommt mir manchmal vor wie der wandelnde Reiseführer – so eine Art Sprechautomat. Kennen Sie diese Führungen, bei denen die Leute sich einen Kassettenrecorder um den Hals hängen und auf Knopfdruck Näheres über das zu hören kriegen, was sie gerade sehen? Wenn Sie mit meinem Mann auf Reisen sind, brauchen Sie so ein Ding gar nicht. Drücken Sie bloß auf seinen Nabel, und Sie hören: »Am 27. Mai 1930 wurde Papua-Neuguinea, einer der letzten noch unberührten Flecken auf dieser Erde, von der westlichen Zivilisation entdeckt.« Mein Mann wird Ihnen auch erzählen, es sei wichtig, dieses letzte Menschheitsparadies noch zu sehen, bevor unsere westliche Zivilisation es im Namen des Fortschritts gnadenlos überrollt.

Als er diesen flammenden Monolog hielt, standen wir gerade auf einer Wiese mitten in Goroka, wo Eingeborene ihre Schweine an der Leine führten. Ich hatte irgendwie nicht das Gefühl, dies alles sei unmittelbar bedroht.

Die einheimischen Verkehrsregeln richten sich nicht gerade nach den Regeln unserer Straßenverkehrsordnung. Wenn Sie in Papua-Neuguinea in einen Unfall verwickelt werden, halten Sie bloß nicht an. Fahren Sie weiter bis zur nächsten Polizeistation. Es gibt hier ein Gesetz der Vergeltung, bei dem der Geschädigte wahllos den nächsten Menschen umbringt, der Ihre Hautfarbe hat. Wenn Sie ein Schwein anfahren, machen Sie bloß keinen Versuch, wegen Schadenersatz anzuhalten, sondern gehen Sie direkt zur Polizei.

»Und denk immer daran«, hatte mein Mann mir eingeschärft, »wenn du Leute siehst, die mit Äxten, Messern oder Pfeil und Bogen unterwegs sind, halt bloß nicht an. Fahr weiter.«

Ein weiterer Schuß krachte durch die Nacht. Ich schüttelte meinen Mann wach. »Trägst du heute deine Mickymaus-Unterwäsche?«

»Ja«, murmelte er schläfrig.

»Dann muß morgen Mittwoch sein ... Schweinchen-Dick-Tag«, kombinierte ich.

»Versuch doch, ein wenig zu schlafen«, meinte er und begann von neuem zu schnarchen.

Die Unterwäsche. Unwillkürlich mußte ich grinsen. Unsere Ankunft schien schon Ewigkeiten zurückzuliegen.

Eigentlich hatten wir in Papeete auf Tahiti eine mehrtägige Erholungspause einlegen wollen, um uns an die Zeitverschiebung zu gewöhnen, bevor wir uns dann auf den Weg nach Port Moresby machten. Ich weiß noch, daß es genau dreiundzwanzig Uhr war, als das Gepäckband auf erschreckend endgültige Art zum Stillstand kam und uns klar wurde, daß wir als letzte noch auf unsere Koffer warteten. Ich hatte mein Gepäck, aber mein Mann sah aus wie ein Todgeweihter.

»Mein Gepäck! Es ist nicht da«, keuchte er. »Das steckt bestimmt noch in der Maschine hier auf Tahiti. Ich muß mich beeilen, bevor sie wieder abhebt.«

Ich packte seinen Arm. »Sei vernünftig! Es ist bestimmt nicht mehr in der Maschine. Eher steht es noch in Phoenix irgendwo rum.«

»In diesen Koffern steckt alles, was ich besitze«, jammerte er. »Mein Feldstecher, mein Filmmaterial, mein Waschzeug und alles, was ich zum Anziehen habe.«

»Habe ich dir mal die Geschichte von der Großmutter aus Fort Lauderdale erzählt?« fragte ich.

»Ja«, sagte er, wurde um eine Spur blasser und sah sich nach jemanden vom Bodenpersonal um.

»Wie sie zur Hochzeit ihres Enkels nach Pittsburgh wollte und ihr Gepäck in Kanada landete?«

»Hast du mir erzählt«, meinte er unwirsch.

»Die Fluggesellschaft sagte ihr, wenn ihr Gepäck nach vierundzwanzig Stunden noch nicht da sei, bekäme sie fünfunddreißig Dollar für neue Unterwäsche, aber das war noch ihr geringstes Problem, weil sie für die Hochzeit nur den Hosenanzug und die Turnschuhe zum Anziehen hatte, die sie auf der Reise getragen hatte. Bist du sicher, daß ich dir das schon mal erzählt habe?«

»Siehst du irgendwo jemand von unserer Fluggesellschaft?«

»Na, jedenfalls«, fuhr ich ungerührt fort, »die Familie wollte ihr aushelfen, doch die Mutter der Braut war kleiner und dünner, und das einzige, was schließlich paßte, war ein himmelblaues Umstandskleid. Nachdem die Flecken rausgewaschen und im Schnellverfahren mit einem Fön getrocknet worden waren, nahmen ihre beiden Enkel die Großmutter in die Mitte, und sie schritt in einem Umstandskleid und goldfarbenen Hausschlappen zum Altar.«

»Komm zur Sache«, sagte er, während er gereizt die Reisegepäck-Versicherungsunterlagen durchging.

»Die Sache ist die: Wir sind unterwegs nach Papua-Neuguinea, um den Sepik-Fluß runterzufahren, und du bist angezogen wie ein Finanzmakler.«

»Das Gepäck taucht bestimmt wieder auf«, erklärte er.

Meine letzten Worte zu diesem Thema waren: »Das halte ich für einen schönen Traum!«

Mein lieber Mann hatte das erste Gebot aller Globetrotter außer acht gelassen, das da lautet: »Du sollst nichts mitnehmen, was du nicht im Dauerlauf tragen und als Handgepäck unter deinem Sitz verstauen kannst.« Nun erging es ihm wie jenem Mann aus St. Louis, der am Flughafen der Dame am Schalter erzählte, er flöge nach Dallas, und sie dann bittet: »Können Sie mein Gepäck zuerst über Honolulu und New Jersey schicken?« Als die Dame antwortet, daß das nicht möglich sei, sagt er: »Komisch, letzte Woche haben Sie das doch noch prima hingekriegt.«

In Tahiti vergingen zwei Tage ... zwei Tage, in denen mein Mann im Straßenanzug am Swimmingpool herumhing. »Steck dir eine Lampenschnur ins Ohr, und alle werden dich für einen CIA-Agenten halten«, höhnte ich. Nach vier Tagen konnte ich ihn schließlich davon überzeugen, daß sein Gepäck in dem großen Bermudadreieck am Himmel verschwunden war. Er mußte sich etwas zum Anziehen kaufen.

Port Moresby schien noch ein gutes Pflaster zu sein, um sich eine Garderobe zuzulegen, schließlich ist es die Hauptstadt von Papua-Neuguinea und das Tor zum Südpazifik. Hier würden wir noch die beste Gelegenheit zum Einkaufen finden, bevor wir uns in das hochgelegene Waghi-Tal, zu kleinen Orten wie Lae und Madang und in die Eingeborenendörfer am Lauf des Sepik aufmachten. Natürlich stellten wir uns darauf ein, daß die Auswahl begrenzt sein würde. Aber die Einkaufsschwierigkeiten, die uns dann in Port Moresby erwarteten, überstiegen unsere schlimmsten Vorstellungen.

Papua-Neuguinea hat eine Urbevölkerung, die aus Dutzenden unterschiedlicher ethnischer Gruppen besteht. Die meisten sind melanesischer Herkunft. Hochländer sind bärtig, Tiefländer haben Hakennasen, einige Stämme tragen Rüstungen, es gibt Perücken-Männer, Schlamm-Männer, Krieger, Fischer, Bauern und Bergstämme. Mit Ausnahme der Menschen von den nördlichen Salomoninseln haben sie alle eines gemeinsam: Sie sind klein. Sehr klein. Sie können vielleicht nicht aufrecht unter einem Couchtisch stehen, aber die meisten von ihnen sind nicht viel größer als einszwanzig oder einsdreißig.

Als mein Mann, der einsdreiundachtzig groß ist und Schuhgröße sechsundvierzig trägt, in Port Moresby in einen Laden für Herrenoberbekleidung trat, schien der Verkäufer zu schwanken, ob er ihn von einer Startrampe schießen oder lieber doch im Stadtzentrum aufstellen und den Verkehr im Kreis um ihn herumleiten sollte. Für Port Moresby waren seine Maße einfach ungeheuer. Sicher gibt es im Ort auch ein paar Australier, aber meistens werden Sie auf kleine Menschen treffen, die sich ernsthaft auf Gürtelhöhe unterhalten.

Im übrigen sind die Papuas von Neuguinea die freundlichsten Menschen der Welt. Bei der erstbesten Begegnung schütteln sie ausgiebig Ihre Hand, wünschen einen schönen Tag und fangen eine Unterhaltung an. (Im Busch sind die Grußformen etwas drastischer. Frauen drücken sich gegenseitig beide Hände auf die Brust. Als ich wissen wollte, wie sich die Männer begrüßen, meinte unser Führer nur: »Ach, lassen wir das doch lieber.«)

Als mein Mann einige Minuten die Ständer mit Hemdchen und Höschen für Gartenzwerge durchgesehen hatte, meinte er: »Wir sind hier bestimmt in der Kinderabteilung.«

»Nein, nein, für Herren«, erklärte unser Verkäufer, ein ganz junger Mann, der ständig lächelte. Während er wartete, ob mein Mann nicht doch noch etwas fand, drehte er sich zu mir um und sagte: »Haben Sie gehört, daß Number One Jesus Man gerade da war?«

»Und wer soll das sein?« fragte ich.

»Der Papst. Kennen Sie ihn? Er kam nach Port Moresby und küßte den Boden.«

Ich erklärte ihm, ich hätte noch nicht das Vergnügen gehabt, ihn persönlich kennenzulernen.

»Sie sind doch aus Amerika?« versicherte er sich. Ich nickte. »Dann kennen Sie vielleicht einen Freund von mir. Er wohnt in Chicago.«

»Wie heißt er?« fragte ich.

Mein Mann sah mich an, als ob ich nicht ganz richtig im Kopf wäre. »Bist du verrückt?« flüsterte er. »Kennst du die Wahrscheinlichkeit von...«

»Sein Name ist Joe«, sagte der Verkäufer.

»Ich kenne nur einen Joe in Chicago«, erklärte ich.

»Das wird er sein«, lächelte er glücklich.

Ich saß auf einem kleinen Stuhl und wartete, während mein Mann in die Umkleidekabine ging, wieder herauskam, eine Zwergenmontur nach der anderen anprobierte und mich fragend ansah. Nach mehreren Hosen, die genug Hochwasser hatten, um darin durch eine Texasüberschwemmung zu waten, sagte ich: »Darf ich dir einen guten Rat geben? Bleib bei den Shorts.«

Ausgerüstet mit einer Sporttasche voller Unterwäsche, die mit Figuren aus alten Comic strips bedruckt waren, einem Paar Shorts und einigen wenigen T-Shirts machten wir uns auf zu unserem ersten Abenteuer in einem Land, in dem Frauen als Währung gelten und noch in den fünfziger Jahren in Einzelfällen zu festlichen Anlässen Kannibalismus praktiziert wurde.

Begrenzt wie die Garderobe war, nahm sie uns wenigstens wichtige Entscheidungen ab. Wir teilten die Zeit nach der Unterwäsche meines Mannes ein. Montags trug er den Aufdruck mit Fred Feuerstein, während die Mickymaus-Wäsche von Dienstag noch trocknete und Schweinchen Dick für Mittwoch gerade in der Wäsche war.

Die Vegetation im Hochland war unglaublich üppig und schön. Einmal deutete unser Fahrer auf eine abgelegene Stelle, wo einige Jahre zuvor ein Flugzeug eine Bruchlandung gemacht hatte. »Die Papuas sahen es zu Boden stürzen«, erzählte er, »und als sie die Absturzstelle erreichten, lebten zwei der Insassen noch.«

»Haben sie sie ins Krankenhaus gebracht?« fragte ich.

»Sie haben sie gegessen«, sagte er.

»Fangfrisch« bekam hier eine ganz neue Bedeutung.

Wir hielten vor ein paar Begräbnishöhlen an, wo die Dorfbewohner ihre Angehörigen bestatten, indem sie die Leichen auf einen Vorsprung klemmen oder sie an eine Wand lehnen. Unwillkürlich mußte ich an einen Kurort in Kalifornien denken, wo ich mal eine Woche zugebracht habe, aber das ist ein Kapitel für sich.

Rückblickend muß ich sagen, wenn man sein Gepäck schon verloren hat, dann ist eine Fahrt auf dem Sepik noch das Beste, was man unternehmen kann. In dieser Gegend ist alles so ungezwungen und locker, daß es in ganz Kalifornien dagegen so steif zugeht wie auf einer Krönungszeremonie. Wir waren zehn Passagiere – die überwiegende Mehrheit Australier –, als wir an Bord des Flußdampfers »Melanesian Explorer« gingen.

Das Schiff war komfortabel und sauber, aber es hatte doch etwas von der »African Queen«. Ich sage das, weil wir am Abend in Madang vom Abendessen zurück an Bord kamen, um am nächsten Morgen, als wir nach dem Aufstehen mit einer Tasse Kaffee an Deck schlenderten, festzustellen, daß wir überhaupt noch nicht abgelegt hatten. Humphrey Bogart war immer noch dabei, den Motor zu reparieren.

Die Kabinen an Bord hatten eine Klimaanlage und waren laut Prospekt mit Duschen ausgestattet, aber ich sah nur eine Toilette. Als ich meinen Mann darauf hinwies, sagte er: »Schau doch mal nach oben.« Seit der Sache mit der Schlange im Nationalpark hatte ich das tunlichst vermieden. Ich richtete also mit gemischten Gefühlen die Augen zur Decke und war platt: Aus der Decke ragte tatsächlich eine kleine Düse, die es ermöglichte, gleichzeitig auf der Toilette zu sitzen und zu duschen, wenn man es eilig hatte.

Wundersamerweise hatte ich keine Probleme, meine Zeit auf der Explorer rumzukriegen. Ich las, schlief, und eines Abends forderte mich ein Moskito nach dem Essen zum Tanzen auf.

Eine Bemerkung über Moskitos und ihre Opfer: Es gibt zwei Sorten Menschen auf der Welt. Die einen ziehen Mücken an, die anderen nicht. Ich gehöre nicht nur der ersten Gruppe an, sondern habe darüber hinaus das Gefühl, daß sämtliche Moskitos eine Fachzeitschrift abonniert haben, aus der sie den Aufenthaltsort von Leckerbissen wie mir erfahren. Dann buchen sie sich einen Linienflug erster Klasse und treffen bald dort ein, wo ich gerade bin.

Manche Leute glauben, Mücken seien alle gleich. Das sind sie nicht. In Alaska haben die Mücken Rotorblätter wie Hubschrauber. Damit stehen sie fünf Zentimeter von Ihrem Gesicht entfernt in der Luft und brummen wie ein Seemannschor beim Einstimmen.

Im Südpazifik sind die Moskitos so groß, daß Fluglotsen sie auf dem Radar sehen können. Dabei sind sie erstaunlich leise. Wenn Sie merken, daß Ihre Haut immer blasser wird, werden Sie gerade angezapft. Es ist wie Blutspenden beim Roten Kreuz, bloß denken die Mücken nicht daran, Ihnen nach jedem Liter eine Ruhepause zu gönnen.

Auf unserer Fahrt den Fluß hinunter legten wir bei kleinen Dörfern an und besichtigten »Haus Tambarans«, ein großes zweistöckiges Gebäude. Hier blühen die Talente der Sepikbewohner durchaus nicht im Verborgenen – Holzschnitzarbeiten, Schmuck, primitive Masken und Bildergeschichten, und alles von der Hand einheimischer Künstler, die eine Art zu handeln haben, die es sonst nirgends auf der Welt gibt.

Ich nahm die urwüchsige Skulptur einer Mutter mit Kind zur Hand und fragte: »Wieviel?«

Der Eingeborene lächelte und erwiderte in perfektem Englisch: »Erster Preis: dreihundert Dollar. Zweiter Preis: achtzig Dollar.« Er wartete gespannt auf meine Entscheidung.

Manchmal, wenn wir abends mit Taschenlampen in einen Ort kamen, weil es dort keinen Strom gab, oder wenn ich den Männern zusah, wie sie einen neuen Einbaum aushöhlten, während ihre Kinder nackt im Fluß planschten, spürte ich ein starkes Bedürfnis, diese friedliche Welt vor Fernsehwerbung für Hämorrhoidensalben und McDonald’s zu bewahren. Nach einiger Zeit hörten wir von selbst auf, uns über die Unannehmlichkeiten aufzuregen, und ließen uns auf die neue Lebensweise ein. Ich war nicht mehr erstaunt darüber, in einem Flughafen als einzige Frau nicht gerade ein Kind zu stillen. Wenn das Flugzeug vollbesetzt war und noch ein »Vielflieger« mitwollte, der nichts als ein paar Gräser um die Hüften trug und mich mit Zähnen anlächelte, die rot vom Betelkauen waren, rückte er eben einen Sack Zwiebeln in den Mittelgang und setzte sich neben mich. (Ich glaube, Papuas würden ihre eigene Mutter in die Gepäckablage stopfen, wenn das der einzige freie Platz wäre.)

Auf einem Marktplatz fragte mich eines Tages ein Papua, ob ich verheiratet sei. Das sei ich allerdings, versicherte ich ihm. Ich konnte es kaum fassen, aber er forderte mich auf, ihm meinen Mann zu zeigen. Der war nun wirklich nicht zu übersehen. Er hat die blassesten Beine von Amerika und war hier der einzige Mann weit und breit, der ein Auto überragte.

»Sind Sie seine einzige Frau?« fragte der Papua.

»Ja«, sagte ich und setzte hinzu: »Wir sind katholisch.«

Er sagte, das sei er auch, und er habe drei Frauen. Ich überlegte, was Number One Jesus Man dazu wohl gesagt hätte.

Während es in unserem Zimmer in Kundiawa langsam hell wurde, stellte ich erleichtert fest, daß sich die Lage draußen beruhigt zu haben schien. Es war schon eine Weile her, daß ich Glas klirren oder Schußwaffen gehört hatte. Ich fühlte mich scheußlich. Ich hatte Kopfschmerzen, und mir war abwechselnd fieberig heiß und eiskalt. Stellenweise fühlten sich meine Knochen an, als hätte jemand sich einen Spaß daraus gemacht, darauf rumzuhüpfen. Ich robbte über den Fußboden bis ins Bad und knipste das Licht an. Was ich im Spiegel sah, war kein schöner Anblick. Meine Augen waren blutrot unterlaufen, meine Haut gelblichblaß. Ich ließ mich wieder auf den Boden nieder, robbte ins Bett zurück und rüttelte meinen Mann wach.

»Nicht erschrecken, ich bin’s nur. Ich wollte dir nur Lebewohl sagen und deiner nächsten Ehefrau ausrichten, daß ich ihr nie verraten werde, wo ich mein Silber aufbewahre – und wenn sie schwarz wird vor Ärger: Du hast mich an diesen gottverlassenen Ort geschleppt, wo niemand je von Joan Collins gehört hat, doch ich will dir verzeihen.«

»Es war einfach zuviel für dich«, sagte er unbeeindruckt und gähnte. »Versuch zu schlafen.«

»Nur wenn du mir vorher eine Geschichte erzählst«, entgegnete ich störrisch.

Er seufzte. »Also schön. Welche willst du hören?«

»Erzähl mir noch mal die Geschichte, weshalb wir eigentlich hier sind.«

»Gut.« Er lächelte. »Aber versprich mir, daß du dann schläfst ... keine Hinhaltetaktik mit Aufstehen und noch Wasser trinken.«

»Es gibt hier kein Wasser«, erinnerte ich ihn.

»Richtig. Ja, jedenfalls gab es einmal vor vielen, vielen Jahren eine schöne Prinzessin. Sie lebte in einem Königreich am Stadtrand von Centerville in Ohio mit ihrem gutaussehenden Prinzen und ihren drei Kindern. Ihr Leben war märchenhaft, ausgenommen im Sommer, wenn alle ihre Freunde sich auf die Reise zu zauberhaften Orten machten und sie auf ihre Häuser aufpassen, nach ihrer Post sehen und ihre Hunde füttern mußte. Als wäre das noch nicht schlimm genug gewesen, kam jeden Sommer die Familie Semple zu Besuch...«

Ich schauderte. »An der Stelle läuft es mir immer eiskalt den Rücken runter.«

»Ich weiß«, sagte er leise. »Die Zeit verging, und schließlich stampfte die Prinzessin mit ihrem königlichen Fuß auf und rief: »Es muß noch anderes im Sommer geben als das! Ich werde in die ganze Welt reisen und das Leben in vollen Zügen auskosten...«

Bei diesen Worten schlief ich ein.

Centerville, Ohio

Im Haus von Helen und Hal fiel die Tür ins Schloß, und ich steckte ihren Hausschlüssel in meine Hosentasche wie die Oberaufseherin in einem Hochsicherheitsgefängnis. Es würde kein Vergnügen sein, Helen und ihrer Familie nach ihrer Rückkehr aus Hawaii erzählen zu müssen, daß ihr Vogel gestorben war. Oder daß ihr prächtiger Farn am Tag nach ihrer Abreise von einem tödlichen Hitzschlag dahingerafft worden war.

Als ich über den Rasen zwischen unseren Häusern schritt, fragte ich mich, ob Helens Mutter ihrer Tochter erzählen würde, wie sie vorbeigekommen war, um den Kühlschrank für die Rückkehr aufzufüllen, und ich sie für eine Einbrecherin gehalten und die Polizei gerufen hatte. Ich Dummchen! Aber vielleicht hatte Helens Mutter den Vorfall bis dahin schon vergessen.

Ich warf Helens Post und die Tageszeitung in einen Pappkarton im Flur an der Haustür und notierte mir in Gedanken, daß ich morgen die drei Bananen essen müßte, die sie neben der Spüle hatte liegenlassen. Sie zogen schon die Fliegen an.

Wie viele Sommer hütete ich Helens Haus nun schon? Wie oft hatte ich zum Abschied gewunken, als sie noch mal auf die Hupe drückten, bevor sie aus der Einfahrt setzten auf ihrem Weg ins Urlaubsparadies?

Wie viele malerische Postkarten waren in unserem Briefkasten gelandet? Unsere Familie fuhr nie in die Ferien. Immer kam was dazwischen. Kaum waren die Rechnungen der Weihnachtszeit getilgt, da bekam der Wagen einen Kolbenfresser, der Trockner brannte durch, der Kieferorthopäde verlangte 2000 Dollar, um einem Kind die Zähne zu richten, das ohnehin nie lächelte. Dieses Jahr war es: »Papi! Papi! Das Gras vor meinem Zimmerfenster ist naß, matschig und stinkt!«

Es war unbegreiflich. Helen und Hal verdienten nicht mehr als wir, doch jedes Jahr brüteten sie über Katalogen, sparten und planten und – verreisten. Dann kamen sie alle vier erholt zurück, um es die nächsten fünfzig Wochen wieder mit den Raten für die Hypothek und den Reparaturen am Wagen aufzunehmen.

Seit unserer Hochzeit waren wir einmal weggefahren. Mein Mann arbeitete damals als Lehrer für Sozialkunde, und wir bekamen das Angebot, die Schüler der Klasse dreizehn auf einer Klassenfahrt nach Washington und New York zu begleiten, wobei die Reise für uns, die Aufsichtspersonen, kostenlos wäre. Jemand hätte uns vorwarnen sollen, daß der einzige Ort, den man ohne Risiko mit fünfunddreißig geschlechtsreifen Schülerinnen und Schülern der letzten Klasse besichtigen kann, der Nationalfriedhof von Arlington ist. (Und auch dann nur, wenn man sie alle an ein Seil bindet und im Gänsemarsch führt.)

Vor unserem Haus drückte jemand auf die Hupe und unterbrach meinen Anfall von Selbstmitleid. Es war Familie Semple – Howard, Fay und die drei Kinder –, pünktlich wie immer.

Alle fünf machten jeden Sommer bei uns Station auf ihrem Weg von Rochester nach Kalifornien, wo sie Howards Bruder besuchten. Es kam, wie es kommen mußte. Fay pflegte auszusteigen und zu sagen: »Laß uns auspacken. Wir haben so viel nachzuholen.« Nach einer Viertelstunde hatten wir alles nachgeholt und verbrachten die übrige Zeit mit Gesprächen über Benzinverbrauch, Gartenprobleme und die Beerdigungen von Leuten, bei denen wir so taten, als hätten wir sie gekannt, die wir aber nie kennengelernt hatten. Genaugenommen kannten wir nicht mal Fay und Howard.

Als die Semples noch in Centerville wohnten, hatte ihre Tochter Sissy dieselbe Klavierlehrerin wie meine Tochter. Wir begegneten uns einmal im Jahr beim Vorspiel. Drei aufeinanderfolgende Jahre spielte Sissy »Fuchs, du hast die Gans gestohlen«. Kein Mensch brachte es übers Herz, den Semples zu erklären, daß ihre Tochter einfach ihr musikalisches Potential ausgereizt hatte. Einmal schüttete mein Mann Fay unabsichtlich Bowle über das Kleid. So kam es zu einer Unterhaltung, bei der Fay ihm erzählte, sie zögen nach Rochester, weil Howard dort eine Stelle angeboten bekommen hatte. Mein Mann, der keine Skrupel hat, wenn es darum geht, unser Haus in ein Hotel zu verwandeln, sagte: »Besuchen Sie uns doch, wann immer Sie durch Centerville kommen.«

Fay trug ihr sperriges Schminkköfferchen (sie trug es niemals weiter als einen Meter von ihrem Körper entfernt), während ich mit den Füßen einen großen Koffer auf Rollen bugsierte und in der linken Hand eine Reisetasche und rechts ein Seesäckchen unter dem Arm trug.

»Kippt Bill immer noch Frauen Bowle in den Ausschnitt?« fragte Fay kichernd.

»Mittlerweile kriegt er sogar Geld dafür«, sagte ich und lächelte.

Familie Semple hatte durchaus ihre Verdienste. Howard übte sein Leben lang für die Gurgel-Olympiade. Er fing damit jeden Tag vor Sonnenaufgang an, hielt bis zum Frühstück durch und gurgelte noch abends, wenn alle schon im Bett lagen und zu schlafen versuchten.

Fays Begabung bestand darin, haushaltsmäßig »abzusterben«, sobald sie ihr eigenes Zuhause verließ. Sie konnte keine Waschmaschine mehr anstellen, fand für kein Bügeleisen mehr die Steckdose und wollte einfach nicht begreifen, wie der Ofen anging. Sie machte nur die ganze Zeit eine hilflose Miene und wimmerte: »Wenn ich wüßte, wo alles hingehört, würde ich’s ja wegräumen.« Dann ging sie nach nebenan, um fernzusehen.

Eines der Kinder, Howard Junior, brachte es fertig, fünfzehn Stunden am Stück einen Gummiball gegen die Hauswand zu schmettern. Sein Bruder Edwin stahl alles, was nicht niet- und nagelfest war, und Sissy, die aussah wie ein Rauschgoldengel, war der Teufel in Person. Sie schlich sich von hinten an, grub einem ihre Nägel ins Fleisch und machte ein unschuldiges Gesicht, wenn ihr Opfer vor Schmerz aufschrie.

Howard und Fay blieben gewöhnlich fünf Tage. Einmal blieben sie neun Tage, weil ihr Wagen repariert und ein Ersatzteil bestellt werden mußte. Die Werkstatt schien irgendwo am Nordpol zu liegen.

Als ich mich an diesem Abend vorsichtig in dem Etagenbett der Kinder umdrehte und die Star-Wars-Bettwäsche unters Kinn zog, dachte ich an Fay und Howard, die es sich in unserem breiten Bett bequem machten, und fragte mich, warum wir das eigentlich taten. Mal ehrlich – den Semples waren wir in Wirklichkeit egal. Wir waren für sie nur eine Raststätte, das letzte Gratisessen vor der Autobahn nach Kalifornien. Es war dreiundzwanzig Uhr. Howard gurgelte, und Howard Junior schmetterte seinen Gummiball immer noch gegen unsere Hauswand.

Unsere Gäste saßen den Morgen über gewöhnlich vor dem Fernseher, während ich meine Hausarbeit erledigte und ihr Mittagessen vorbereitete. Nachmittags machten wir dann unsere »Stadtrundfahrt«. Dazu gehörte die Einkaufsgegend, das Museum der Luftwaffe und das Gebrüder-Wright-Haus. Während wir stolz auf das Heim der Männer zeigten, die der Welt Flügel verliehen und das Leben der Menschheit verändert hatten, knuffte Howard Fays Arm und sagte: »Wie’s aussieht, wirst du wieder ›Alf‹ verpassen, Schatz.«

Der Abschied war immer tränenreich ... aus verschiedenen Gründen. Die Semples mußten zurück in eine Welt, in der Trinkgelder fällig waren und sie sich dumm und dämlich zahlen mußten, um zu essen, zu schlafen und ihre Wäsche gewaschen zu bekommen. Klein-Edwin würde die Entdeckung machen, daß Bilder in Hotels fest in der Wand verdübelt und Nachttischlampen angeschraubt sind. Wir weinten vor Freude. Wir durften zurück in unsere eigenen Betten.

Wieder einmal hatten wir einen Sommer mit den Semples überstanden. Doch dieses Jahr geschah etwas, das unser Leben veränderte. Zwei Tage nach der Abreise unserer Gastfamilie ging das Telefon. »Hier ist Howard. Tut mir leid, wenn ich euch bitten muß, die Kosten für dieses Ferngespräch zu übernehmen, aber ich bin in einer Tankstelle in Barstow, Kalifornien. Sissy hat uns gerade gesagt, daß sie ihren Goldhamster bei euch vergessen hat. Er steckt in einem Haferflockenkasten mit Löchern im Deckel. Sie hat ihn hinter der Kommode im Flur vergessen.«

»Keine Sorge«, entgegnete ich steif.

»Der Hamster ist trächtig«, fuhr er fort, »und das Tier ist ziemlich wichtig für Sissy. Wenn ihr so nett sein könntet, euch um den Hamster und die Jungen zu kümmern, bis wir auf der Rückreise wieder vorbeikommen, wären wir euch sehr dankbar.«

Als ich den Hörer auflegte, hatte ich das Gefühl, vor Wut gleich zu platzen. Ich rief die Familie zusammen und erklärte mit zitternder Stimme: »Das Bombeck Hilton hat in Zukunft während der Monate Juni, Juli und August geschlossen. Hier wird keiner mehr verpflegt, nur weil er herausgefunden hat, wo wir wohnen, und ich passe für keine Nachbarn mehr auf ihr Haus auf, die mir von ihrer Weltreise Postkarten mit Mahnungen schicken, die ›Bäume brauchten viel Wasser‹, und ich solle die ›Wurmkur für den Hund nicht vergessen‹. Von nun an werden wir zu den Familien gehören, die die Welt bereisen und das Leben in vollen Zügen auskosten. Wir werden uns an der Schönheit majestätischer Berge erfreuen, an historischen Sehenswürdigkeiten satt sehen und uns an einsamen Sandstränden in der Sonne aalen. Die Bombecks werden in Urlaub fahren!« Ich machte eine Atempause und hob die Faust.

»Und bei allem, was mir heilig ist, ich schwöre, ich werde nie wieder die Semples bewirten!« Die Blicke meiner Familie hingen an meiner geballten Faust, die ich über den Kopf gestreckt hielt – und darin gekrallt den schwangeren Goldhamster.

Muß die ganze Stadt wissen,
daß wir wegfahren?

»Wenn man die Stadt verläßt, ist es ratsam, so wenig Leuten davon zu erzählen wie möglich«, meinte mein Mann.

Ich hasse es, wenn er so mit mir redet. Wofür hält er mich? Für dumm? Die einzigen Menschen, denen ich von unserer Reise erzählte, waren:

Tim, unser Zeitungsjunge, der es seinem Chef und seiner Vertretung sagen mußte.

Ralph, unser Briefträger, der nicht nur unsere Post lagern wollte, sondern anbot, im Postamt eine Anzeige an das Schwarze Brett zu hängen, damit jemand unseren Rasen mähte.

Helen, die unseren Hausschlüssel bekam.

Das gesamte Wartezimmer in der Tierpension, wo ich den Hund unterbrachte.

Mein Friseur, die Zahnärztin, der Aerobiclehrer und die übrigen Frauen im Kurs.

Die Frau in der Bank, die unsere Reiseschecks fertig machte.

Shirley vom Automobilklub, die uns die Karten für die Reise zusammenstellte.

Die Verkäuferin, die mir mit dem Badeanzug half, und der nette Mann, bei dem ich den Koffer gekauft hatte.

Der Milchmann, dem ich von dem Schlüssel erzählt hatte, den ich unter dem weißen Stein am Ende der Ausfahrt aufbewahre.

Die Leute in der Reinigung ... als wir ins Plaudern kamen.

Sam, unser Apotheker, der mir ein Sonnenschutzmittel empfohlen hatte.

Der Baseballtrainer der Kinder und der Mannschaft.

Evelyn, die Stefs Kindergeburtstag vorbereitete und wissen mußte, warum wir nicht kommen konnten.

Unsere Klatschkolumnistin Marjabelle Mix, die es in der Lokalzeitung brachte.

Vielleicht habe ich nicht viel Erfahrung in Sachen Urlaub, aber ich weiß genug, um kein großes Aufsehen von meiner Abreise zu machen.

Kanada

Als wir den Sieben-Meter-Wohnwagen das erste Mal sahen, stand er auf einem Abstellplatz und trug Nummernschilder, die seit fünf Jahren abgelaufen waren. Das »Zu verkaufen«-Schild war halb verwittert.

Unsere gesamte Familie umkreiste aufgeregt den Wohnwagen und fragte sich, was für Menschen das sein mußten, die sich freiwillig von so einem Prachtstück trennten. Das Ding sah sehr robust aus und roch förmlich nach Abenteuern. Während mein Mann und der Eigentümer gegen die Reifen traten, nahm seine Frau mich und die Kinder mit zu einer Besichtigung ins Wageninnere.

Sie ging schnell vor. Sie riß die Kissen vom Sofa und schmiß sie in das Besenschränkchen, klappte den Tisch zu einem Bett aus und machte aus dem Bücherregal eine Schlafkoje.

»Erstaunlich«, sagte ich. »Wie kommt man denn in die Koje?«

»Entweder treten Sie auf die Person, die auf dem Tisch schläft, oder Sie ziehen sich hoch, indem Sie den Fuß auf den Herd stellen. Man muß nur aufpassen, daß der Herd ausgeschaltet ist«, fügte sie lakonisch hinzu.

Ich lächelte. »Die Küche kommt mir etwas klein vor. Gibt es hier einen Kühlschrank?«

»Sicher gibt es einen Kühlschrank«, sagte sie. »Sie verdecken ihn gerade mit Ihrer Handtasche. Um ihn zu öffnen, müssen alle außer Ihnen den Wagen verlassen. Wenn die Tür aufgeht, setzen Sie sich schnell in die Spüle.«

Ich kam kaum nach, als sie schon zur nächsten Abteilung vorstieß. »Hier haben Sie das eigentliche Schlafzimmer.« Zu beiden Seiten des kleinen Mittelgangs gab es ein Etagenbett. »Sogar eine Toilette haben wir«, fügte die Dame triumphierend hinzu.

»Und wo ist die Tür?«