Kurzbeschreibung:

Kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag ähnelt Sophias Leben einem Scherbenhaufen: Ihr Freund Stefan betrügt sie mit seiner blutjungen Assistentin – und das, obwohl sie ihm kurz zuvor einen romantischen Heiratsantrag gemacht hat.
Was nun? Arsen (für ihn) oder Flucht (für sie)? Sophia wählt nach reiflicher Überlegung die Flucht und taucht vorübergehend bei Freunden im sommerlichen Venedig unter. Dass sie in der verzauberten Stadt innerhalb kurzer Zeit zwischen zwei atemberaubenden Männern steht, hätte sie niemals vermutet. Doch sowohl Conte Ariano als auch der junge Romano, der ihr bei der ersten Begegnung etwas unheimlich erscheint, verwirren sie.

Zu allem Überfluss steht urplötzlich Stefan vor der Tür und legt ihr ein Angebot zu Füßen …


Über die Autorin:

Gabriele Ketterl wurde in München geboren, wo sie auch heute wieder mit ihrer Familie lebt.
Nach dem Gymnasium folgte ein Studium der Amerikanistik und Theaterwissenschaften an der Ludwig-Maximilians- Universität, München.
Inspiriert durch zahlreiche Auslandsaufenthalte (Los Angeles, London, Edinburgh, Rom, Madrid, Kanarische Inseln, die sie zwei Jahre nicht mehr losließen …) entstanden erste Kurzgeschichten.
Mit dem ersten Kurzroman für Erwachsene „Mitternachtsflut“ gelang ihr 2012 eine romantische Liebeserklärung an ihre zweite Heimat Teneriffa.
Sie ist mittlerweile u.a. Verfasserin von Kinderbüchern, Kurzgeschichten, Fantasy Romanen, Romantic History und diversen anderen.

Weitere Titel der Autorin bei Edel Elements

Puerto-de-Mogán-Reihe

Allein geht's besser ( Puerto-de-Mogán-Reihe 1)
Tapas, Träume und ein Macho (Puerto-de-Mogán-Reihe 2)
Paradies im zweiten Anlauf (Puerto-de-Mogán-Reihe 3)

Gabriele Ketterl

Traummann zum Dessert


Roman



Edel Elements

34.

„Das ist genau, was mein hormongeplagter Organismus derzeit braucht: Ein Happy End, wie es im Buche steht.“ Saskia strahlte wie die Morgensonne.

Maurizio tätschelte Sophia freundschaftlich die Wange. „Danke dafür. Heute morgen hat sie mich noch angefaucht, dass ihr nur wegen mir speiübel ist und alle Männer Schweine sind.“

„Das habe ich nicht so gemeint. Aber wenn einem beinahe täglich beim Aufstehen das Abendessen vom Vortag durch den Kopf geht, dann ist das ein klein wenig belastend, weißt du?“ Saskia sah ein klitzekleines bisschen schuldbewusst aus.

Sophia grinste die beiden Freunde sehr zufrieden an. „Sehr schön, ihr klingt wieder wie ein glückliches Ehepaar. Aber nun wird’s bald ernst. In einer halben Stunde wird Stefan hier aufkreuzen, um sein Handy zu holen. Wenn er erfährt, was wirklich los ist, weiß ich nicht, wie er reagieren wird. Dieses Mal steht tatsächlich seine Existenz auf dem Spiel. Ich hoffe, Romano kommt rechtzeitig.“

Sie hatte den Satz gerade beendet, als es läutete. Maurizio war als Erster an der Haustür. „Ciao Romano, mein Freund. Schön, dich wiederzusehen.“

„Frag mich erst mal.“ Romanos Stimme hatte ihre Festigkeit zurückgewonnen.

Als Maurizio mit Romano im Schlepptau in die Küche trat, tat ihr Herz einen Hüpfer. Ganz in Schwarz gekleidet, kam seine noch nicht ganz verschwundene Blässe noch besser zur Geltung.

„Romano, bist du dir ganz sicher, dass du keine vampirischen Vorfahren hast?“ Lachend umarmte Sophia den verblüfft wirkenden Mann.

„Soweit ich weiß habe ich die nicht, leider. Ich fände das ganz cool. Warum fragst du? Soll ich jemanden für dich aussaugen?“ Schmunzelnd drückte er sie an sich und begrüßte Saskia. „Ciao Saskia. Die Schwangerschaft tut dir gut. Du wirst von Tag zu Tag schöner.“

„Ja? Ach, Romano, sprich bitte weiter. Dagegen verblasst jede Übelkeit. Hörst du, Maurizio, das will eine Frau hören.“ Saskia drückte Romano einen Kuss auf die Wange und wandte sich dann an Sophia. „Und diesen Prachtkerl wolltest du aufgeben? Unfassbar, wirklich.“

Maurizio schenkte Romano ein Glas Bellini ein und hielt es ihm entgegen. „Ey, hörst du wohl auf, die Latte für mich dermaßen hochzulegen? Ich hab’s derzeit schwer genug.“

Der Zeiger wanderte unaufhaltsam auf vier Uhr zu und Sophia wurde flau im Magen. „Eigentlich hasse ich solche Situationen. Aber dieses Mal geht es nicht anders. Er muss endlich einmal die Konsequenzen seiner Unverfrorenheit am eigenen Leib spüren.“

Saskia drückte beruhigend ihre Hand. „Du machst das schon. Denk immer an die WhatsApp-Nachrichten, das sollte als Motivation genügen. Ich sag nur ‚Häschen‘“.

Ja, das genügte durchaus. Sofort kochte die Wut wieder in ihr hoch. Sie atmete tief durch, erklärte, was sie vorhatte, und schickte Maurizio und Romano ins Wohnzimmer.

Saskia sollte bei ihr bleiben, so wirkte alles schön unverfänglich: zwei Frauen, die ein Essen vorbereiteten.

Pünktlich auf die Minute läutete es und nachdem Sophia einmal tief durchgeatmet hatte, öffnete sie.

Stefan stand vor der Tür, in der Hand einen Strauß roter Rosen. Tatsächlich schien er keinerlei Verdacht zu hegen. Wie auch? Noch niemals hatte sie in seinen Privatangelegenheiten herumgestöbert.

„Liebling, du siehst toll aus. Ich wünsche dir alles Gute zu deinem Geburtstag. Bei all den Neuigkeiten hätte ich ihn um ein Haar vergessen.“

Sie nahm die Blumen entgegen und lächelte pflichtschuldig. „Vielen Dank. Das ist lieb von dir, komm kurz herein, dein Telefon liegt in der Küche.“ Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte sie sich auf dem Absatz um und eilte zurück zu Saskia, die lautstark mit Geschirr hantierte.

Sie stellte die Blumen in eine Vase und wandte sich wieder Stefan zu, der es immerhin fertigbrachte, ihre Freundin mit einem „Hi, Saskia“ zu begrüßen. Die Höflichkeit in Person. Man konnte ihm am Gesicht ablesen, dass er froh war, bald von hier verschwinden zu können.

„Stefan, hier ist dein Handy. Aber ehe du wieder gehst, möchte ich dir gerne noch etwas sagen.“ Sie reichte ihm sein Telefon und zeigte einladend auf einen Stuhl. „Es wird nicht lange dauern, bitte setz dich.“

Er sah für seine Verhältnisse regelrecht verwirrt aus, steckte jedoch sein Handy in die Jackettasche und setzte sich, wenn auch sichtlich widerstrebend. „Liebes, ich muss noch viel erledigen, ehe wir morgen fliegen. Vor allem muss ich die Agentur erreichen, sie haben wohl mehrmals versucht, mich anzurufen. Nur ist dort heute keiner und die Mobilnummern weiß ich tatsächlich nicht auswendig.“

„Umso wichtiger ist es, dass du mir jetzt gut zuhörst. Danach kannst du sofort telefonieren. Stefan, ich habe mich entschlossen, nicht mit dir nach Berlin zurückzufliegen.“ Zu sehen, wie ihm die Kinnlade herunterklappte, war eine Genugtuung. „Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dazu durchgerungen, endlich einmal nicht vernünftig zu sein, sondern auf mein Herz zu hören. Und das sagt mir ganz deutlich, dass ich hier in Venedig bei Romano bleiben sollte. Endlich sehe ich alles klar. Endlich weiß ich, wohin ich wirklich gehöre. Du, lieber Stefan, kannst dein ganzes Lügenkonstrukt nehmen und damit zum Teufel gehen.“ Sie sah, dass er aufbegehren wollte, und brachte ihn mit einer ungehaltenen Handbewegung zum Schweigen. „Nein, jetzt rede ich. Schon wieder hast du mich belogen und betrogen, nur noch Lügen höre ich von dir. Ich weiß von deinen anderen Liebeleien, ich weiß, dass du mich nicht das erste Mal betrogen hast. Aber jetzt setzt du deiner Unverschämtheit die Krone auf. Mir zu erzählen, dass du mich noch liebst, nur um deinen dreckigen Hals aus der Schlinge zu ziehen? Was bildest du dir eigentlich ein? Einen TOP-Kunden zu belügen und betrügen, nur um an einen lukrativen Auftrag zu kommen? Meinen guten Namen zu benutzen, um deine Ziele zu erreichen? Spinnst du eigentlich? Ich war so frei, heute mit dem Kunden zu telefonieren, um das Ganze aufzuklären.“ Zu sehen, wie Stefan kreideweiß wurde, war ein gutes Gefühl.

„Bist du wahnsinnig geworden? Weißt du, dass du mich damit ruinierst? Bist du dir darüber im Klaren, dass uns das eine Vertragsstrafe in Höhe von einer Viertelmillion Euro kosten kann?“

Sie schenkte ihm einen mitleidigen Blick. „Kosten wird, mein Lieber. Wir haben bereits darüber gesprochen. Bei mutwilliger Vortäuschung falscher Tatsachen springt keine Versicherung ein. Ihr, oder wohl eher du, habt wissentlich eine falsche Information geliefert, und nur aufgrund dieser Fehlinformation wurde der Vertrag unterzeichnet. Im Originalvertrag steht mein Name, keine Spur von Peter von Hall. Du hast Sports United einen gefälschten Vertrag untergejubelt. Der CEO wird euch verklagen, das soll ich dir von ihm bestellen. Denn eine Zusammenarbeit mit Peter kommt für ihn nach dieser böswilligen Täuschung von eurer Seite nicht infrage. Somit kann der Zeitplan für die neue Kollektion nicht mehr gehalten werden. So leid es mir tut: Ihr seid fällig.“

„Das kannst du nicht tun! Du kannst mich doch nicht einfach ans Messer liefern. Bist du denn wahnsinnig geworden?“

Sie schüttelte bedächtig den Kopf. „Nein, eher endlich vernünftig. Weißt du was, du kannst dich ja von Babs trösten lassen. So heißt sie doch, nicht wahr? Habt ihr schon ihre Klamotten aus der Wohnung geschafft, damit die dumme, naive Sophia nichts merkt? Beinahe wäre ich auf deine Scharade reingefallen. Verschwinde, Stefan, und komm mir nicht mehr unter die Augen. Ich will nie wieder etwas mit dir zu tun haben.“ Sie zeigte mit Nachdruck zur Tür.

„Du Biest glaubst doch nicht, dass du damit durchkommst? Mein Wort steht gegen deines, die Rache der betrogenen Frau. Glaub mir, ich lasse dich gnadenlos auflaufen.“

„Nachdem ich dem Kunden die WhatsApp deiner bezaubernden Kollegen weitergeleitet habe? Wohl kaum.“

„Du musst den Verstand verloren haben. Hat dir dein Casanova das Hirn herausgevögelt oder was?“

Sie seufzte leise. „Der könnte das wenigstens noch. Er steht übrigens hinter dir. Frag ihn doch.“

Stefan schoss wie von der Tarantel gestochen herum. Romano lehnte mit finsterer Miene und verschränkten Armen im Türrahmen. Stefan schien tatsächlich kurz seine Chancen auszuloten, ließ es dann aber doch sein.

„Gut, ich gehe. Aber das wirst du bitter bereuen, ich mache dich in der Branche unmöglich, davon kannst du ausgehen.“

„Versuchs, Stefan. Der CEO oder vielmehr Hermann, dein ehemaliger Kunde, wird schon morgen per Pressemitteilung ankündigen, dass er mich als Fotografin für seine neue Strandkollektion gewinnen konnte und wir gemeinsam die Werbebroschüre für den nächsten Sommer vorstellen werden. Wir haben da herrliche Locations in Venedig. Und nun verschwinde endlich. Ich kann deinen Anblick nicht mehr ertragen.“

Man konnte sehen, wie sehr Stefan mit sich rang. Aber es gab nichts mehr zu sagen.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Stefan Hauser verloren.

„Ihr seid doch alle krank.“ Mit diesem Worten drückte Stefan sich an dem finster dreinblickenden Romano vorbei und kurz darauf krachte die Haustür ins Schloss.

Saskia rieb sich die Hände. „So schön! Diesen Fiesling am Abgrund zu sehen ist wirklich ein gutes Gefühl. Ich bin sonst nicht so gehässig, aber er hat es sich redlich verdient.“ Sie warf Sophia einen zufriedenen Blick zu. „Wir sollten das gehörig feiern. Noch dazu, wo du heute Geburtstag hast, was denkst du?“

Sophia ging zu Romano und legte ihre Arme und seinen Hals. „Sollten wir, ich habe da auch schon eine Idee.“

Es war eine fröhliche und glückliche Runde, die sich an diesem Abend auf Sophias Einladung hin im „Al Profeta“ eingefunden hatte. Contessa Marina war sehr angetan von Romano und verstand sich spontan mit Saskia und Maurizio. Romanos Mutter saß überglücklich neben ihrem Sohn und fachsimpelte mit Saskia über Kindererziehung. Anselmo, dessen Frau sich als sehr humorvolle Römerin entpuppte, schmiedete Pläne mit Sophia, inwieweit der Palazzo als Kulisse für die Aufnahmen im nächsten Frühjahr dienen konnte. Marina hingegen plante für sie alle bereits in den kommenden Wochen einen Bootstrip von Imperia aus entlang der Riviera. „Vor allem für Saskia ist frische, gesunde Meeresluft jetzt sehr wichtig. Das Boot wird euch gefallen.“

Sophia runzelte rügend die Stirn. „Das Boot?“

Marina zuckte ertappt die Achseln. „Va bene, das Schiff. Ich habe einmal Whirlpool gut.“

Als Sophia beim Essen einen Blick in die Runde warf, wusste sie, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Unter dem Tisch griff Romano nach ihrer Hand. „Geht es dir gut?“

Sie nickte und wusste, dass ihre Augen strahlten. „Ich war nie glücklicher.“

Dass alle Gäste applaudierten, als Romano sie lange und zärtlich küsste, hörte sie nur noch am Rande.

Sie liebte dieses neue Leben!

Fine – Ende

Berlin, Juli 2016

1.

„Also, mal so janz aus Neugierde, watt wird dit denn? Auswandern? Australien? Mal so eben umme janze Welt?“ Keuchend und prustend wuchtete der bemitleidenswerte Taxifahrer Sophias wahrlich gigantischen Reisekoffer in den Wagen.

Es war zwar nicht so, dass sie ihn nicht bedauern würde, aber dabei konnte sie dem Mann leider nicht helfen. „So was in der Richtung. Nur nicht ganz so weit.“ Ihr Bedürfnis nach Konversation war gerade wenig ausgeprägt.

Der Taxifahrer schien das nicht krummzunehmen. „Na, watt soll’s, Frauen und kleenet Jepäck, wa? Na, dann fangen wa doch mal mit dem Flughafen an, richtig?“ Lächelnd hielt er ihr die Hintertür auf.

„Danke, genau da will ich hin.“

„Hab ick mir doch fast jedacht.“

Sophia glitt mit einem erleichterten Seufzen auf den Rücksitz, zupfte die weiße Bluse zurecht und versuchte, sich in der Scheibe zu erkennen. Was hatte sie eigentlich an? Himmel, sie sollte sich wirklich langsam wieder ein wenig auf das konzentrieren, was sie tat, auch wenn es verdammt schwerfiel. Na ja, Jeans, besagte weiße Bluse, hellbraune Wildlederslipper und dazu die dünne braune Leinenjacke. Das ging fast schon als passendes Ensemble durch. Ihre langen, rotbraunen Haare waren zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Styling war heute definitiv nebensächlich gewesen. Sie stützte den Ellbogen an der Wagentür ab und sah hinaus auf die vorüberziehenden Straßen, Menschen, Autos und Fahrräder. Das alles verschwamm vor ihren Augen zu einer einzigen wabernden Masse, aus der sich, sehr zu ihrem Leidwesen, schon wieder ziemlich deutlich die Ereignisse der vergangenen Nacht schälten.

Stefan, der Mann, mit dem sie – eigentlich – ihr Leben hatte verbringen wollen, arbeitete seit Wochen hart für den neuen Auftrag, den er auf Biegen und Brechen für die Agentur an Land ziehen wollte. Natürlich unterstützte sie ihn, wie immer, was auch sonst? Sie waren nicht nur als Paar ein eingespieltes Team, sondern auch im Job. Seine Kampagnen waren perfekt durchdacht, strukturiert und zielorientiert. Zusammen mit ihrer Kreativität und ihrer Erfahrung war das Team Weißenfels-Hauser derzeit auf dem Markt beinahe unschlagbar. Klang vielleicht ein wenig überheblich, entsprach aber, betrachtete man die Erfolge, durchaus den Tatsachen. Die Ideenjäger, die Agentur, in der Stefan angestellt war und für die sie als Freelancerin regelmäßig Aufträge erledigte, war derzeit die erfolgreichste Werbeagentur im kompletten Bereich Ost.

Sophia rutschte noch ein wenig tiefer in ihren Sitz und lehnte ihren schmerzenden Kopf an das Rückenpolster.

Gestern, bei einem unverschämt schönen Sonnenuntergang, war ihr Fotoshooting in Friedrichshain, in einem Abrisshaus mit diesem speziellen, morbiden Charme, nicht nur sehr unterhaltsam gewesen, sondern auch schneller vorüber als geplant. Die leicht durchgeknallten Musiker, die sie ablichten sollte, erwiesen sich als ausgesprochen nette, umgängliche Vollprofis, mit denen die Arbeit Spaß machte. So konnte sie schon um kurz nach neun Uhr ihre Ausrüstung einpacken und sich beschwingt auf den Heimweg machen.

Da das Haus, in dem sich die Ideenjäger samt ihren Büros einquartiert hatten, nur ein paar Ecken entfernt lag, entschloss sich Sophia, Stefan zu überraschen und ihn, da ihr Magen lautstark knurrte, zu ihrem Lieblingsitaliener auf der anderen Straßenseite zu entführen.

Stefan arbeitete so viel und so lange, dass ihm eine Auszeit sicher gelegen käme. Sie fand in dem fast verlassenen, dreistöckigen Haus, in dem einstige Lagerflächen gekonnt in moderne, hippe Büroräume verwandelt worden waren, auch im Halbdunkel ihren Weg zu Stefans Büro. Es lag am Ende des langen Flurs in der obersten Etage.

Tja, wie auch immer man Arbeit definieren mochte, auf jeden Fall arbeitete er. Hart, schweißtreibend und mit, wie sie es mehr oder weniger laienhaft einschätzte, optimalem Einsatz. Sein breiter, ausladender Schreibtisch, von allen – zumindest in diesem Augenblick – sinnlosen Dingen wie Arbeitsmaterial befreit, bot die passende Grundlage für das, was er mit einer schätzungsweise zwanzig Jahre alten, sehr blonden Frau praktizierte.

Ihr eigenes Liebesleben kränkelte ja nun seit einiger Zeit etwas. Nicht, dass es komplett tot gewesen wäre, nein, er mühte sich redlich. Um ein Haar hätte sie bei diesem Gedanken gelacht, obwohl ihr vielmehr zum Heulen zumute war. Sich hinter dem breiten, hölzernen Türrahmen verbergend, überlegte sie angestrengt, wie nun eine möglichst theatralische Reaktion ihrerseits aussehen könnte. Eine ausgesprochen schwere Frage, insbesondere, da sich statt eines vernünftigen Drehbuchs fortwährend neue Details der Szenerie in ihr Bewusstsein drängten. Alleine dieses Nichts von einem knallroten Slip, das da höchst dekorativ über Stefans Sessellehne baumelte, lenkte sie schon enorm ab.

Sophia selbst war in Sachen Dessous eher der Typ schlichte Eleganz.

„Ja, du bist so gut, so unfassbar gut, Stefan, so gut.“ Nun ja, besonders kreativ war Blondie ja gerade nicht. Offenbar war sie schon mal nicht aus der Textabteilung und falls doch, dann gute Nacht Ideenjäger! Was sollte das hier eigentlich noch werden? Leider folgten keine weiteren, kreativen Ergüsse.

Nach ein paar Minuten, in denen sie den Blick nicht von dem skurrilen Schauspiel auf der Tischplatte abwenden konnte, entschied sie sich für geordneten Rückzug. Angesichts der Umstände und der banalen Tatsache, dass sich ihre Kreativität in Sachen Dramaqueen offensichtlich in Luft aufgelöst hatte, schien ihr das die einzig praktikable Möglichkeit.

Wie sie nach Hause gelangt war, entzog sich – auch langfristig – ihrer Kenntnis, was sie im Nachhinein geringfügig beunruhigte. Kaum in ihrer gemeinsamen Wohnung angekommen, war der Drang, erst einmal alles zu zertrümmern, nicht so einfach in den Griff zu bekommen. Daher musste als Erstes ein kaltes Pils für ein wenig Abkühlung sorgen.

Wenn sie doch nur gewusst hätte, wohin mit ihrem Zorn und ihrer ja schließlich gerechtfertigten Aggression, doch selbst in diesem Moment war da diese ruhige Stimme der Vernunft. „Wenn du jetzt das Geschirr zerdepperst, stehst du nachher inmitten der ganzen Scherben, lass dir was Sauberes einfallen!“

Sauber? Arsen? Eine durchaus erwägenswerte Möglichkeit, doch leider waren ihre Arsenvorräte wohl gerade auf ein absolutes Minimum geschrumpft. Nein, das war leider, wenn auch durchaus akzeptabel, nicht der Weisheit letzter Schluss. Kaum fiel ihr Blick auf die wunderschöne, handgearbeitete Maske, die sie von ihrem letzten Kurzbesuch bei ihrer Freundin Saskia mitgebracht hatte und die von Stefan als „extremst kitschig“ bezeichnet worden war, öffnete sich unvermittelt ihr geistiger Vorhang:

Venedig!

Natürlich, warum war sie nicht sofort darauf gekommen? Nichts wie weg! Wobei das Häuschen, das Saskia und ihr Lebensgefährte Maurizio bewohnten, schon arg klein war. Außerdem war sie doch erst vor … Sekunde einmal … waren das wirklich schon wieder vier Jahre, seit sie die beiden besucht hatte und durch Venedig gebummelt war? Falsch, gebummelt waren! Ihre erste gemeinsame Reise mit Stefan. Ach Mist, musste das jetzt sein? Sie erinnerte sich bestens. Stefan fand Venedig zwar ganz nett aber auch ziemlich heruntergekommen. Gut, sie war da gänzlich anderer Meinung, denn das war der Charme der Jahrhunderte – das war einfach die Patina der Geschichte, kein Dreck. Stefan fühlte sich in Singapur oder Hongkong wohler als in den Gassen Venedigs. Umso besser, dann würde er ihr wohl kaum folgen … wahrscheinlich. Jetzt erst einmal logisch denken und möglichst viel Abstand zwischen ihn und sich selbst bringen, um sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen sollte.

Tausendeinhundert Kilometer waren da ein guter Anfang, wie sie fand.

„Tja, meine Dame, da haben wir wohl fünf Kilo zu viel.“

Sophia sah an sich hinunter, blickte erneut den netten Bodensteward hinter seinem Counter an und erklärte lächelnd: „Finden Sie? Und ich dachte, meine Figur wäre ganz akzeptabel.“ Gott sei Dank! Zumindest ihre Schlagfertigkeit war also wieder im Anmarsch.

Der junge Mann versuchte nach Kräften, die Contenance zu wahren, versagte jedoch nach einigen Sekunden kläglich. „Der war gut, richtig gut. Und lediglich, weil die Maschine heute, mitten unter der Woche, nur zu zwei Dritteln gebucht ist, drücke ich jetzt alle Augen zu. Zwei Kilo sind im Ermessenspielraum der Airline und drei gehen als Kreativitätsbonus durch.“

Sophia strahlte ihn an, so gut sie das heute konnte. „Vielen Dank, das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen.“

Er reichte ihr die Boardingkarte zurück, wies ihr den Weg zum richtigen Gate und wünschte mit charmantem Lächeln einen guten Flug.

Ging doch! Folglich konnte man sogar im hohen Alter von knapp dreißig noch punkten, auch wenn man inzwischen schon verflixt erfindungsreich werden musste. Sophia passierte die Kontrollen, kaufte sich im Duty-Free-Bereich ein überteuertes Hochglanzmagazin und einen noch teureren Milchkaffee, setzte sich in eine möglichst entlegene Ecke des Wartebereichs und versuchte zum wiederholten Mal ihre Gedanken zu ordnen.

Das Telefonat mit Saskia am vergangenen Abend war so verlaufen, wie es zu erwarten gewesen war. Mit der ihr eigenen Bodenständigkeit und Logik analysierte Saskia die Situation.

„Der Kerl ist doch das Letzte, vor allem nach dem, was du vor drei Tagen für ihn abgezogen hast. Du packst natürlich sofort deine Sachen und kommst hierher. Dieser Volltrottel, typisch Y-Chromosom. Du buchst jetzt auf der Stelle einen Flug, ich kann dich zwar nicht abholen, da wir morgen bei Maurizios Tante sind, aber das ist kein Problem. Unsere Adresse kennst du, der Schlüssel liegt unter dem großen Blumentopf mit dem Basilikum gleich rechts neben der Tür. Ich freu mich auf dich.“

Saskia war kein Freund des langen Überlegens. „Nägel mit Köpfen“ entsprach schon eher ihrer Devise. So wie damals, als sie kurz vor dem Abschluss das Studium schmiss, um Maurizio nach Venedig zu folgen. Auf die Frage „Innenarchitektur oder Liebe“ gab es für Saskia nur eine Antwort. Liebe. Und entgegen aller damaligen Unkenrufe hielt diese Liebe noch immer.

Nachdenklich rührte Sophia in ihrem Kaffee. Fünf Jahre war sie mit Stefan zusammen, fünf Jahre, in denen sie sich so viel zusammen aufgebaut hatten. Traumwohnung, Traumurlaube, Traumauto, Traumjob … nun ja, bei so viel Traum hätte sie eigentlich damit rechnen müssen, eines Tages aufzuwachen. Wenn dieses Aufwachen nur nicht so verflucht weh tun würde. Allerdings war sie seit der vergangenen Nacht richtig wach. Das lange Telefonat mit Thilo, ihrem einzigen Vertrauten bei den Ideenjägern, war mehr als aufschlussreich gewesen. Thilo, mit seinen fast vierzig Jahren einer der Ältesten im Team, war ihr von Anfang an ein treuer und guter Berater gewesen. Wo Stefan eher Sturm und Drang vertrat, war Thilo das überlegende, abwägende Element. Damit hatte er ihr zu Anfang nicht selten den Hintern gerettet. Dank Thilo war es ihr gelungen, die Vorstellungen der Chefetage stets perfekt umzusetzen.

Warum er beim letzten Firmen-BBQ so schweigsam gewesen war, wusste sie seit vergangener Nacht auch. Blondie war bei Weitem nicht Stefans erster liebestechnischer „Nebenjob“. Nur zögerlich – und das nicht, um Stefan zu schützen, sondern weil er ihr nicht weh tun wollte – rückte Thilo mit der Wahrheit heraus. Grob geschätzt kam er auf acht Praktikantinnen, Sekretärinnen und – was besonders delikat war – Kundinnen. Nun, da die Katze aus dem Sack war, sah Thilo keine Notwendigkeit mehr, etwas zu verschweigen. Giftmord rangierte nach diesen Enthüllungen in ihren Überlegungen im oberen Bereich der Möglichkeiten. Insbesondere, da Thilo zusicherte, sie tatkräftig bei der Entsorgung der Leiche zu unterstützen.

Wie konnte sie dermaßen blind gewesen sein? Auf beiden Augen wohlgemerkt! Die Antwort war relativ einfach. Durch die viele Arbeit, die ja so ganz nebenbei auch noch Spaß machte, war ihr keine Zeit für Überlegungen geblieben. Wann bitteschön hätte sie misstrauisch werden sollen? Stefan war immer hervorragend vorbereitet gewesen. Aus dem Büro brachte er fertige Präsentationsmappen mit, rief zwischendurch immer wieder an, überraschte sie mit spontanen Wellnessurlauben und Einladungen in edle, teure Restaurants.

„Sophia, denk jetzt mal nach, bitte. Ohne dich ist er in der Agentur nur die Hälfte wert.“ Thilos Statement hatte so viel mehr beinhaltet als nur den Umstand, dass sie ihren Job gut machte. Natürlich war es Stefan daran gelegen, sie bei Laune zu halten. Eindeutig mit Erfolg, denn bis vergangene Nacht hatte sie tatsächlich nichts bemerkt.

Die zweite Tasse Kaffee half, ihren Koffeinlevel einzupendeln, und das Denken klappte noch besser.

Nichts aufgefallen? Wie man es nahm. Wenn aus drei Mal pro Woche Sex irgendwann zwei Mal pro Monat wurde, sollte man eigentlich stutzig werden. Warum war sie es denn dann nicht geworden? Was war nur los mit ihr? Mit Scheuklappen durch die Welt zu laufen war doch nicht ihre Art gewesen und nun war es dennoch so weit gekommen? Das musste sich ändern, und zwar flott.

Mit dem letzten Schluck ihres Muntermachers kam die Durchsage, dass sich der Flug nach Venedig leider um voraussichtlich eine Stunde verzögern würde – wegen technischer Probleme der Maschine. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

Nach eineinhalb Stunden war Sophia beim vierten Kaffee angelangt und kannte die Kolumne über geistige Fitness im Alter auswendig. Immerhin stellte die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher nun in Aussicht, dass das Boarding für den Flug nach Venedig in zwanzig Minuten beginnen könne. Also trank sie aus, hängte ihre Handtasche über die Schulter, klemmte sich das Magazin unter den Arm und verzog sich auf die Toilette. Das war nötig, um eventuell notwendige Restaurierungsarbeiten an ihrer Erscheinung vornehmen zu können, bevor sie im Flieger saß und die knackigen Italiener sie zu Gesicht bekämen.

Vor dem langen Spiegel in der Damentoilette musterte sie sich erst einmal kopfschüttelnd. Knackige Italiener? Sag mal, hast du sie noch alle? Sogar dein eigener Kerl rührt dich kaum mehr an und du machst dir noch Hoffnungen?

Wobei. Eigentlich war ihr Spiegelbild, das ihr zweifelnd entgegenblickte, gar nicht so übel. Die gut schulterlangen, rotbraunen Haare waren tatsächlich noch ohne Grau, die grünen Augen noch nicht von Sorgenfalten überschattet und dem Mund fehlte auch noch der gefürchtete Faltenwurf. Gut, die Produkte, die sie sich regelmäßig ins Gesicht schmierte, kosteten auch ein kleines Vermögen, irgendwie musste sich das ja bemerkbar machen.

Vor längerer Zeit hatte Stefan einmal die Bemerkung fallen lassen, ihr Lächeln sei unbezahlbar – er hatte ja keine Ahnung, wie nah das der Realität kam.

Sie zog sich den schwarzen Haargummi von ihrem Pferdeschwanz und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare. Der halblange Pony fiel ihr in die Stirn und Make-up kaschierte die tiefen, dunklen Augenringe recht passabel. Grundgütiger. Eine Nacht ohne Schlaf und sie sah aus wie Draculas Schwester, wie hatte sie das denn früher gemacht? Nächtelang feiern, nach Hause, duschen, Kaffee oder je nach körperlichem Befinden eiskalte Cola und ab in die Uni. Dabei auszusehen wie das blühende Leben war auch möglich gewesen. Und nun? Thilos Frau Silvia hatte das an ihrem Vierzigsten recht treffend erkannt: Altwerden ist nichts für Weicheier. Sie hatte ja so Recht!

Mit viel Bedacht zog sie sich die Lippen mit kupferfarbigem Lippenstift nach und tupfte ein wenig Gloss darüber. Dann noch ein Hauch Rouge und etwas Puder, sah doch ganz nett aus. Für das Malheur unter den Augen wäre Camouflage eine gute Lösung, aber das befand sich nicht in ihrem Notfallset. Sie schnitt sich eine leicht genervte Grimasse, packte ihre Beauty-Utensilien wieder ein und machte sich auf den Weg zum Gate.

2.

Tatsächlich, man mochte es kaum glauben, saß sie eine knappe halbe Stunde später auf ihrem Fensterplatz in der Maschine zum Flughafen Marco Polo in Venedig. Zu ihrem Leidwesen entpuppte sich der erhoffte knackige Italiener neben ihr als gestresste Mutter zweier Kinder, was sie dazu veranlasste, sich mit entschuldigendem Lächeln die Kopfhörer ihres iPods in die Ohren zu stopfen. Diskussionen über Kindererziehung standen gerade nicht auf ihrer Wunschliste.

Ach ja, ihre Wunschliste. Lang war sie gewesen, und das schon während sie noch in München Grafik und Design studiert hatte. Damals siegte stets ihr Optimismus und so gelang es ihr tatsächlich, nach dem erfolgreichen Studium den Ausbildungsplatz bei Mick Forman zu ergattern. Eineinhalb Jahre unter der Fuchtel des Altmeisters der Fotografie vermittelten ihr Einblicke in eine Welt voller Techniken, Tricks und Kniffe, die sie selbst kaum hätte erlernen können und wenn, dann nur in jahrelanger Arbeit. Schon während der Ausbildung war sie Stefan über den Weg gelaufen, der beruflich in München war. Sich Hals über Kopf in den ebenso attraktiven wie eloquenten Mann zu verlieben war so einfach gewesen. Stefan mit seinen blonden Wuschelhaaren, den blauen und – zumindest damals – unternehmungslustig blitzenden Augen und dem durchtrainierten Körper war aber auch ein Hingucker. Von da an ging es stetig bergauf, vor allem beruflich. Eigentlich war sie immer der Meinung gewesen, dass das auch im privaten Bereich so war. Seit vergangener Nacht musste sie hier wohl geringfügig umdenken.

Die Maschine hob ab und flog eine letzte Runde über Berlin. Sophia erhaschte einen Blick auf den belebten Kudamm und den Grunewald. Wann sie wohl dort wieder ihre Joggingrunden drehen würde? Am Morgen war sie extra früh aufgestanden, um nicht in der Wohnung zu sein, wenn Stefan losmusste. Heute war Lagebesprechung in der Agentur, das hieß, Punkt neun Uhr mussten alle anwesend sein. Gute Ausgangsposition für ihr Vorhaben!

Schon letzte Nacht war alles, von dem sie auch nur annähernd glaubte, Verwendung dafür zu haben, in ihrem riesigen Rollkoffer gelandet. Normalerweise packte sie sehr ordentlich, aber dafür hatten gestern einfach Zeit und Nerven gefehlt. Wie hätte sie ihre Aktion auch erklären sollen, falls Signore Casanova doch vor Mitternacht nach Hause gekommen wäre? So waren der fertig gepackte Koffer im Keller und die Reisetasche unter ihrem Bett, als Stefan nach ein Uhr in der Nacht in die Wohnung geschlichen kam. Sich schlafend zu stellen war ihr ungeheuer schwergefallen. Eigentlich wäre sie ihm liebend gerne an die Gurgel gesprungen, das wäre jedoch ihren schönen Plänen gewiss abträglich gewesen.

Um kein Risiko einzugehen, war sie schon vor sieben Uhr zu ihrer Joggingrunde aufgebrochen. Es wurde eine ausnehmend lange Runde, denn irgendwie musste sie die eineinhalb Stunden, bis er auch sicher die Wohnung verlassen haben würde, ja totschlagen.

Es gelang gut, vor allem, da sie ihrem Ärger, ihrem Frust und der noch immer latent vorhandenen Mordlust so ein wenig davonlaufen konnte.

Als sie schweißgebadet und atemlos, aber mit wesentlich besserer Laune zurückkam, war Stefan erwartungsgemäß bereits weg. Noch vor zwei Jahren hätte er ihr wenigstens eine Nachricht hinterlassen, ein paar nette, liebe Worte – jetzt machte er nicht einmal mehr Kaffee. Nach einer ausgiebigen Dusche hatte sie fertig gepackt und wollte sich dann – pflichtbewusst wie immer – an die für den Folgetag fällige Präsentationsmappe setzen. Gerade noch rechtzeitig kam ihr in den Sinn, dass das eindeutig zu viel des Guten wäre, daher verwandte sie ihre Kreativität stattdessen auf ein besonderes Kunstwerk. Mit einer Riesentasse heißer Schokolade – ein wenig Nervennahrung musste erlaubt sein – setzte sie sich an den Küchentisch und zeichnete ein sehr lebendig gestaltetes Bild der Szene von letzter Nacht. Talent hatte sie schon immer und mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch wurde es gleich noch einmal besser. Sie verwendete wirklich viel Liebe aufs Detail, so fehlte auch der rote Slip nicht und selbst Stefans leicht verkniffenes Gesicht gelang ausnehmend gut. Nach etwa einer Stunde war sie sehr zufrieden mit dem Ergebnis gewesen. Sogar die Mühe, einen passenden Rahmen für das Kunstwerk zu finden, hatte sie sich noch gemacht. So stand nun diese ausnehmend gut gelungene Malerei neben der unvollendeten Mappe auf dem Tisch in der Küche. Es gelang ihr auch noch, ihren Verlobungsring sehr dekorativ in diesem anmutigen Ensemble zu drapieren.

Schade eigentlich, dass sie Stefans Gesicht nicht würde sehen können, wenn nicht nur die Mappe unfertig herumläge, sondern auch sie selbst nicht aufzufinden sein würde. Einmal ganz zu schweigen von der wirklich plastischen Darstellung seiner nächtlichen Überstunden.

Um den schönen Ring tat es ihr ein wenig leid. Um ihn zu bekommen, hatte sie einiges auf sich genommen. Doch daran wollte Sophia gerade nicht denken, der Heiratsantrag war ein Kapitel, das sie ungern auch noch aufschlagen wollte.

Dankbar nahm sie das kalte Tonic entgegen, das die Stewardess ihr reichte. Drei Euro fünfzig waren für grob vier Schlucke Tonic zwar glatter Wucher, doch die latenten Kopfschmerzen wurden langsam störend und Tonic half ihr meistens. Neugierig blickte sie aus dem Fenster und stellte fest, dass sie bereits die Alpen überquerten. Gut, dass Venedig nicht am anderen Ende der Welt lag, ein langer Flug wäre sicher das Letzte, das sie heute noch durchgestanden hätte.

Während die Dame neben ihr wort- und gestenreich ihre Kinder für die Landung fixierte, genoss Sophia den Blick auf die sanften Hügel Venetiens. Sie liebte diese Gegend schon immer und der Vorteil von München, der Stadt, in der sie studiert hatte war seine Lage als nördlichste Stadt Italiens. Von Berlin, ihrer neuen Heimat, aus fuhr man leider nicht mal eben an den Gardasee zum Frühstücken.

Es war bereits dunkel, als sie landeten, und ein Blick auf ihr Handy zeigte an, dass es bereits halb elf war. Satte zwei Stunden zu spät, doch was sollte es? Saskia und Maurizio waren in Bologna und so musste niemand auf sie warten. Die zwei Stunden machten nun auch nichts mehr aus.

Dass sie damit gründlich falsch lag, dämmerte ihr spätestens, als sie am Hafen aus dem Zubringerbus stieg. Nicht nur, dass sie erst einmal einen Schalter für die Fähre zum Markusplatz suchen musste, da der am Bahnhof bereits geschlossen hatte, nein, auch die dort ausgehängten Pläne sahen wenig ermutigend aus. Ihnen zufolge ging die letzte Fähre um 23:40 Uhr. Das war übel, da es bereits 23:45 Uhr war.

Dem Herrn hinter der Glasscheibe mangelte es um diese Uhrzeit sichtlich an Motivation.

Obwohl sie umgehend ihr recht passables Italienisch wiederbelebte, zuckte der nur traurig die Schultern.

„Es tut mir wirklich leid, Signora, aber für heute geht keine Fähre mehr. Also keine offizielle.“

„Und was heißt das, keine offizielle?“

Sein Ton wurde noch einmal einen Hauch entschuldigender. „Wenn Sie Glück haben, finden Sie noch ein Privatboot, das zurückfährt. Ansonsten müssen Sie leider bis fünf Uhr warten.“

Die Aussicht, fünf Stunden in dem gigantischen, menschenleeren Gebäude zu verharren, behagte ihr überhaupt nicht. Bis auf ein paar Straßenreiniger und Angestellte der Tronchettos, der großen Fährschiffe, war niemand zu sehen. Prima, das war ja ein ermutigender Neustart.

Hoffnungsfroh wandte sie sich an den Mann, der bereits seine Dienstjacke auszog und damit eindeutig zu erkennen gab, dass er nun endlich verschwinden wollte. „Und was ist mit Taxis?“

Sein Blick war eine Mischung aus Mitleid und Ungeduld. „Signora, Venedig? Auf ein Wassertaxi warten Sie um diese Zeit hier drüben Stunden.“

„O ja, stimmt, da war doch was.“ Resigniert schulterte sie ihre Reisetasche und angelte nach dem Griff ihres Rollkoffers.

Das Mitleid schien dann doch zu überwiegen. „Wirklich, Signora, sehen Sie zu, dass Sie nach draußen kommen. Um diese Zeit sind oft noch Privatboote am hinteren Teil der Pier. Einfach geradeaus und dann immer links am Wasser entlang.“

Sophia nickte dankbar. „Gut, vielen Dank, dann versuche ich es.“

Angesichts ihres derzeitigen Karmas machte sie sich zwar keine übersteigerten Hoffnungen, aber einen Versuch war es allemal wert.

Wenn schon etwas schiefging, dann aber bitte gründlich. Die Räder ihres Koffers und das Pflaster hier am Hafen waren nicht wirklich kompatibel und so zerrte sie das schwere Teil zuckelnd und ruckelnd über den mit Steinen unterschiedlichster Größe gepflasterten Weg.

Verflucht noch eins! Eigentlich wollte sie nicht nach Venedig laufen, wie lang war denn diese Pier? Sie hob den Blick und erkannte zu ihrem Leidwesen: sehr lang! Zu allem Übel waren die Boote, die tatsächlich noch hier lagen, fest vertäut und verlassen. An dieser Pier wartete ganz sicher niemand mehr auf mögliche Passagiere. Mittlerweile klebte ihr, trotz der vom Wasser kommenden kühlen Brise, ihre Bluse klatschnass am Rücken. Schnaufend hielt sie an und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, was angesichts dieser Anstrengungen leichter gesagt als getan war.

Sophia beschloss, dass sie auch diesen Tag getrost in der Pfeife rauchen konnte. Sie ließ den Koffer los und strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht.

3.

„Signora?!“

Wenn sie jetzt noch anfing Stimmen zu hören, wurde es langsam wirklich kritisch.

„Hey, Signora! Brauchen Sie Hilfe?“

Gut, solange die Stimmen solche Fragen stellten, könnte sie sich eventuell mit dem Phänomen arrangieren. Suchend blickte sie sich um. Allerdings sah sie nichts bis auf drei an Betonpollern festgezurrte Boote. Aber irgendjemand rief doch hier?

„Hier, Signora. Auf dem Boot links von Ihnen.“

Erneut blickte sie suchend die Reihe entlang.

„Das andere Links, Signora.“ Die Stimme klang ebenso amüsiert wie knurrig, eine seltsame Mischung.

Endlich erkannte sie im Halbdunkel die Umrisse einer menschlichen Gestalt auf dem links von ihr festgemachten Boot. Eine recht große Gestalt.

So froh Sophia war, auf ein menschliches Wesen zu treffen, so unsicher war sie auch, ob sie das gut finden sollte. Dem Mann waren ihre Überlegungen offensichtlich egal, dann er lief schnell und geschickt über das Deck des beeindruckenden Holzbootes und sprang mit einem sehr eleganten Satz an Land. Als er sich vor ihr aufrichtete, war sie sich kurzfristig sogar sehr sicher, dass sie das alles nicht gut fand. Er war gewiss einen Meter neunzig groß, wenn nicht noch mehr, sein Gesicht wurde zu einem Teil von langen, schwarzen Haaren verdeckt und an den muskulösen Armen erkannte sie diverse Tätowierungen. Als ob das nicht genügen würde, baumelte an seinem Ohr ein umgedrehtes Kreuz. Komplett in schwarz gekleidet, Tattoos, ein ausgesprochen dunkler Typ … Selbst wenn er nicht gleich einer Teufelsanbetersekte angehören musste, aber mal im Ernst, hätte es denn nicht ein harmlos-sympathischer Kerl á la Käpt’n Iglo sein können?

Als er jetzt mit beiden Händen die langen Haare nach hinten schob, revidierte sie ihre Meinung geringfügig. Der Satansjünger hatte ein ausnehmend hübsches Gesicht, sehr ernst, aber verdammt hübsch.

„Äh, hallo, ja, Hilfe bräuchte ich tatsächlich. Ich habe die letzte Fähre zum Markusplatz verpasst.“

„Um fünf Uhr in der Früh geht die erste.“

Charmantes Kerlchen. „Danke, das weiß ich auch. Ich suche eine Möglichkeit, doch noch rüberzukommen.“

„Sagen Sie das doch gleich.“ Sieh einer an, da konnte der Bengel doch tatsächlich lächeln, auch wenn dieses Lächeln vor Zynismus troff. „Wenn Sie sich noch ein paar Minuten gedulden, könnte ich Sie mitnehmen.“

Sophia musste sich, müde und übernächtigt wie sie war, ziemlich zusammenreißen. „Trifft sich doch gut. Ich habe tatsächlich gerade nichts Wichtiges vor.“ Sie musterte den Mann unauffällig, so glaubte sie zumindest. Wollte sie sich ihm überhaupt anvertrauen? Wobei ihre Möglichkeiten recht überschaubar waren und er derzeit wohl die eindeutig beste Option darstellte.

Er schüttelte mit nachsichtiger Miene den Kopf. „Also, Signora, so richtig viel Vertrauen haben Sie aber nicht in mich, oder?“

„Ganz normaler, weiblicher Überlebenstrieb.“ Sie warf ihm einen giftigen Blick zu, was ihn zu einem weiteren schiefen Lächeln nötigte.

„Aha, nun ja. Wenn ich mich so umsehe, dann ist die Auswahl an Anwärtern zum Retter in strahlender Rüstung wohl recht eingeschränkt, nicht wahr?“ Seine Miene wurde ein wenig entspannter und er seufzte leise. „Frauen und ihre Vorurteile. Keine Angst, ich bin vollkommen harmlos. Ich mach jetzt mein Deck schnell fertig, dann legen wir ab, und ich bring Sie rüber, in Ordnung?“

Sie nickte ein wenig kleinlaut. „In Ordnung, tut mir leid, ich wollte Sie nicht kränken.“

„Haben Sie nicht, ich komm damit ganz gut klar.“

Sie beobachtete ihn dabei, wie er mittels eines kleinen Eimers und eines Schrubbers das Heck des Bootes säuberte, das Putzwasser ins Meer kippte, alles flink aufräumte und wieder zu ihr kam.

„Geben Sie schon her, Sie brechen ja unter der Tasche fast zusammen.“ Er nahm ihr die Reisetasche ab, verfrachtete diese und ihren Koffer auf das Schiff und streckte ihr dann eine Hand entgegen, um ihr an Bord zu helfen.

Gerade noch rechtzeitig kam ihr in den Sinn, nach dem Preis für die Überfahrt zu fragen.

Er musterte sie mit ausdrucksloser Miene. „Wie wäre es mit zweihundert Euro?“

Ihre Gesichtszüge entgleisten ihr wohl dermaßen, dass er lauthals lachen musste. „Mein Gott, Frau, ich muss doch sowieso zurück. Dafür verlange ich nichts von Ihnen. Was wäre ich denn für ein Mann, wenn ich Ihre Notlage ausnutzen würde.“

„Öhm, vielen Dank, das hatte ich aber so nicht geplant. Ich möchte schon etwas bezahlen.“ Der Typ war ganz schön vielschichtig. Zynisch, schlagfertig, geschickt, kräftig, gutaussehend, ein wenig unheimlich im Erscheinungsbild und offenbar wohl Kavalier.

„Vergessen Sie das gleich wieder. Bitte setzen Sie sich hin. Sie sehen müde aus, ich möchte nicht, dass Sie mir umkippen.“

Nun war sie sprachlos. Gehorsam setzte sie sich auf eine der Bänke an der Seite des Bootes und hielt sich an der Reling fest. „Gut so?“

„Perfekt. Gut festhalten. Wir legen ab. Ach, nur damit Sie wissen, wer Sie jetzt gleich entführen wird, ich heiße Romano.“

„Wirklich beruhigend war das jetzt nicht, das ist Ihnen klar, oder?“ Sie bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick.

„Wie jetzt? Kennen Sie denn die vielen Geschichten über italienische Gentleman-Ganoven nicht? Ich muss schon sagen.“

Sie hüstelte leise. „Ihnen ist aber schon bewusst, dass die ein wenig anders ausgesehen haben?“

Er verzog nur spöttisch die Lippen. „Aber sicher. Anzug, Krawatte und Kurzhaarschnitt. Und Sie glauben ernsthaft, dass sich das geändert hat?“

Es war gar nicht so leicht, ihm zu folgen. „Wie meinen Sie das?“

„Na, so wie ich es sage. Auch heute haben die schlimmsten Kriminellen teure Anzüge und hängen sich edle Krawatten um den Hals. Sie wissen schon, dass die Dinger die Blutzufuhr zum Gehirn abschneiden und so das Denken einschränken?“

Wer hatte hier jetzt Vorurteile? „Ach nein, soviel zu meinen Vorurteilen, was?“

Er würdigte sie noch immer keines Blickes. „Das sind keine Vorurteile, das sind Fakten, Frau.“

„Wenn Sie meinen. Ich heiße übrigens Sophia, damit Sie sich das Frau sparen können.“

Da war es wieder, das schiefe Grinsen. „Warum, Sie sind doch eine Frau, oder, Sophia?“

„Und Sie sind ganz schön unverschämt.“ Verärgert blickte sie auf die Lagune hinaus und schwieg.

Romano war das wohl nur recht, denn er konzentrierte sich darauf, das Boot geschickt durch die ankernden Schiffe zu lenken. Langsam wurde ihre Müdigkeit zu einem Problem. Ihr drohten die Augen zuzufallen und da sie ungern von der Bank rutschen wollte, drehte sie sich etwas um und legte beide Unterarme auf dem Holz der Reling ab. Sie stützte ihr Kinn darauf und versuchte, sich auf die Fahrt zu konzentrieren.

Sie waren mittlerweile ein ganzes Stück vom Hafen entfernt und langsam schälten sich am Horizont die Umrisse Venedigs aus dem Dunkel der Nacht. Sogar in ihrem Zustand kam sie nicht umhin, diesen erhabenen Anblick gebührend zu bestaunen. Trotzdem fiel es ihr zunehmend schwer, die Augen offen zu halten. Als sich eine Coladose in ihr Blickfeld schob, war sie mit ihren Gedanken so weit weg, dass sie zuerst gar nicht verstand, was los war.

„Na kommen Sie, Sophia, ich will Sie weder betäuben und ausrauben noch Sie sonst irgendwie unter Drogen setzen. Ehrlich, ich will nur, dass Sie wach bleiben. Wobei Sie natürlich auch auf dem Boot schlafen können. Ich habe genug Platz.“

Das könnte ihm so passen. „Vielen Dank, das ist wirklich nett, also das mit der Cola.“

„Sag ich doch, ich bin ein durch und durch netter Mensch. Dumme Frage, wohin müssen Sie eigentlich genau?“

Sophia konnte seine Augen nicht wirklich erkennen, dazu war es zu finster, doch sie hätte schwören können, dass es darin spöttisch blitzte. Sie nannte ihm, wenn auch leicht widerstrebend, Saskias Anschrift. Was, wenn der finstere Kerl sie ausspionierte?

Der aber nickte nur leicht und konzentrierte sich wieder auf die Route. Ein gutes Stück vor dem Markusplatz bog Romano in einen der zahllosen Kanäle ein und sie verlor komplett den Überblick.

„Wo sind wir hier?“

„Unterwegs zu meinem Unterschlupf.“

„Und im Ernst?“

„Auf dem Rio de San Girolamo, es dauert nicht mehr lange, bis wir in San Lorenzo sind. Halten Sie durch.“ Täuschte sie sich, oder klang er tatsächlich besorgt?

„Keine Bange, ich kipp nicht um, den Gefallen tu ich Ihnen nicht.“ Überzeugend klang das nicht einmal in ihren Ohren.

„Mmh, das werden wir ja sehen.“

Das verzweigte Netz der Kanäle verwirrte und faszinierte Sophia gleichzeitig. Obwohl sie wirklich todmüde war, schaffte sie es, die Augen offen zu halten. Nicht mit einer überfüllten Fähre, sondern mit einem wirklich hübschen Boot durch das nächtliche Venedig zu fahren, war ein durchaus schönes Erlebnis. Schade, dass sie nicht fitter war, das hätte sie gerne mehr genossen.

Ihr Blick huschte zu ihrem schweigsamen Fährmann.

„Romano, ist das Ihr Boot?“

„Nein, Diebesgut. Natürlich gehört es mir. Warum fragen Sie?“ Nun klang er schon wieder so verärgert.

„Weil ich fragen wollte, ob Sie das hier beruflich machen, also, ob Sie Touristen durch Venedig fahren.“

„Tagsüber, ja. Abends eigentlich nicht mehr. Heute war eine Ausnahme, weil das Danieli mir ein kleines Vermögen dafür bezahlt hat, einen Stammgast zu später Stunde zu fahren. Nochmal, warum wollen Sie das wissen?“ Er klang regelrecht bedrohlich.

„Himmel, was habe ich denn nun schon wieder Falsches gesagt? Ich wollte doch nur fragen, ob Sie mich einmal – gegen Bezahlung – nachts hier herumfahren könnten. Also dann, wenn ich nicht halb im Delirium bin.“

Prompt entspannten sich seine Züge. „Das lässt sich sicher einmal einrichten.“

„Danke.“ Sophia zog es vor zu schweigen, offensichtlich traf sie entweder zielsicher den falschen Ton oder dieser Romano war verdammt empfindlich.

Etwa zehn Minuten später bog er langsam in einen sehr schmalen Kanal ein und hielt nach ein paar Metern an einem kleinen Steg.

„Da wären wir.“ Er deutete nach vorne und tatsächlich erkannte sie die Häuserzeile, an deren Ende Saskia und Maurizio wohnten.

„Oh, wir sind ja fast am Haus. Vielen Dank, das ist wirklich nett.“ Sie erhob sich ein wenig ungelenk und streckte erst einmal ihre Arme und Beine.

„Ich bin sogar noch netter“, grummelte ihr Fahrer. „Los, raus mit Ihnen.“

In der Annahme, dass er schnellstmöglich wieder losfahren wollte, sah sie sich hektisch um. „Darf ich zuerst mein Gepäck an Land bringen?“

Sie sah, wie er sichtlich genervt die Augen verdrehte. „Nein, das behalt ich als Bezahlung. Nun klettern Sie schon raus, ich bringe Ihnen Ihr Gepäck.“

Prima, das nächste Fettnäpfchen.

„Okay, danke schön. Ich stehe wirklich ungefähr einen halben Meter neben mir. Tut mir leid, wenn ich komisch reagiere.“ Kleinlaut musterte sie Romanos ernste Züge.

Der aber schüttelte nur den Kopf. „Schon gut, kein Thema. Und jetzt raus hier, ich helfe beim Gepäck, ich muss nur schnell das Boot richtig festzurren, sonst kann ich nachher eine Runde schwimmen gehen.“

Er half ihr, von Bord zu kommen, stellte Koffer und Tasche neben sie, vertäute das Boot und richtete sich wieder auf. „So, fertig. Wie war gleich wieder die Nummer?“