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Erma Bombeck

Vier Hände und ein Herz voll Liebe

Die heiteren Lebensweisheiten der berühmtesten Hausfrau der Welt

ins Deutsche übertragen von Isabella Nadolny

Edel eBooks

So, so, Sie wollen
Mutter werden?

Eine der lautesten Klagen bei der Mutterrolle betrifft das fehlende Training.

Man beginnt diese Rolle ausgestattet mit nichts als der Telefonnummer eines Windeldienstes, einer Polaroid-Kamera, einem roten Telefon zum Kinderarzt und einer totalen Ahnungslosigkeit, die nicht länger als fünfzehn Minuten anhält. Ich habe immer gefunden, daß man vor der Geburt viel zuviel Zeit hat und sie damit verbringt, zu lernen, wie man während der Entbindung mit dem Ehemann gleichzeitig ein- und ausatmet. (Als ich mein Baby bekam, kriegte man ein Spritze in die Hüfte und wachte erst wieder richtig auf, wenn das Gör mit der Schule anfing.) Dafür hat man zu wenig Zeit zum Bemuttern, wenn das Baby erst da ist.

Muttersein ist eine Kunst. Es ist töricht, eine Mutter für zwanzig Jahre mit einem Kind in die Arena zu schicken und zu erwarten, daß sie die Oberhand behält. Das Kind ist auf allen Gebieten im Vorteil. Es ist klein. Es ist lieb. Es kann die Tränenschleusen bei Bedarf öffnen wie einen Wasserhahn.

Schon immer hat es Schulen für Kinder gegeben. Dort verbringen sie neun bis sechzehn Jahre ihres Lebens zusammen mit anderen Kindern, die mit ihnen die Erfahrung teilen, ein Kind zu sein und damit fertig zu werden. Sie leben in einer akademischen Atmosphäre, in der sie lernen, wie man Eltern manipuliert, um von ihnen zu kriegen, was man will. Die Kinder verbünden sich zu einer Interessengemeinschaft und koordinieren ihre Ideen: wie man den Wagen kriegt, wie man ein höheres Taschengeld herausschindet und wie man daheimbleibt, wenn die Eltern in Urlaub fahren. Ihr Einfluß ist in der ganzen Welt spürbar. Ohne auch nur einen Pfennig beizusteuern, besitzen sie mehr Eisbuden, mehr Spielplätze, mehr Amüsierparks und Sportplätze, als jede andere Gruppe es je zuwege bringt.

Nirgends zahlen sie den vollen Eintrittspreis.

Wie sie es nur schaffen?

Sie sind schlau. Sie sind gebildet.

Manche Leute glauben, Mütter sollten sich zu einer Gewerkschaft zusammenschließen. Ich glaube, daß Ausbildung die Lösung ist: Wenn wir erst wissen, was man tun kann und wie man es macht, können wir überleben.

Vorläufig bleibt das ein Traum. Eines Tages aber wird es eine Schule für junge Mütter geben, die den Beruf auf eine wissenschaftliche Ebene heben wird. Was hätte ich zum Beispiel für eine Schule gegeben, deren Vorlesungsverzeichnis so aussieht:

Kreatives Nörgeln

Lernen Sie von einschlägigen Fachkräften, wie man Blickkontakt durch eine Badezimmertür herstellt, einen Studenten zum Weinen bringt und ein Kind so weit bekommt, einem einen Scheck dafür auszuschreiben, daß man es zur Welt gebracht hat. Mehr als 1000 Anlässe, ein Kind auf Lebenszeit unglücklich zu machen, werden garantiert. Das übliche »Sitz gerade oder du kriegst einen Buckel« und »Dein Aquarium hat eben Feuer gefangen« sind langweilig und haben einen Bart. Kreatives Nörgeln verschafft Ihnen Beachtung.

Ein Übungskind wird gestellt.

Seminar für Sparer

Keine Frau darf sich Mutter nennen, ehe sie nicht gelernt hat, wie man spart und hortet. Hamstern und Beiseiteschaffen ist nicht – wie früher angenommen – ein angeborenes Talent. Es ist erlernbar. Finden Sie heraus, wo man dreißig Pfund Paketgummis von Brot- und Plätzchenpackungen aufheben kann, alte Malbücher aus der Volksschule und Stiefel mit einem Loch in der Kappe. Lernen Sie, wie man dadurch für jede Gelegenheit einen Vorrat an Geschenkpackungen hat, daß man sie anderen Menschen aus der Hand reißt, ehe diese das Geschenk ausgepackt haben. Lernen Sie, warum sich Kleiderbügel in dunklen Schränken vermehren, und beobachten Sie sie bei der Fortpflanzung.

Nur für Erwachsene!

Kapitalanlage und deren Rückerstattung durch Ihre Kinder

Es wird freimütig darüber diskutiert, wie man Kinder zu der Überzeugung bekehrt, daß sie einem etwas schulden. Täglich lassen sich Mütter Gelegenheiten, schlechtes Gewissen bei den Kindern zu erzeugen, durch die Finger rinnen, ohne es zu bemerken. Ein Kind, dem aufgetragen wurde: »Ruf gleich an, wenn du angekommen bist«, und das das nicht tut, kann man jahrelang dafür büßen lassen. Finden Sie heraus, wie.

Besondere Aufmerksamkeit wird dem Muttertag gewidmet und dem Kind, das einmal einen 40-Dollar-Angorapulli einem Mädchen schenkte, das es erst zwei Wochen kannte, während das Mütterlein einen Karton Badeseife in Form von Seepferdchen bekam.

Begrenzte Teilnehmerzahl.

Vollkommenheit. Wie man sie erreicht und seine Kinder überzeugt, daß man sie erreicht hat

Die Kunst, niemals einen Fehler zu machen, ist für die Beherrschung der Mutterrolle von entscheidender Bedeutung. Um erfolgreich wirken und sich den Respekt verschaffen zu können, den eine Mutter braucht, um ihr Amt auszuüben, muß sie ihre Kinder glauben machen, daß sie

– nie etwas mit Sex zu tun hatte,

– nie eine falsche Entscheidung getroffen hat,

– nie der eigenen Mutter auch nur eine Sekunde lang Sorgen gemacht hat,

– nie ein Kind war.

Zugelassen zu diesem Lehrgang sind nur diejenigen, die schon den Kurs »Geheimnis des Madonnengesichts« belegt hatten.

Rechte der Mütter

Lernen Sie Ihre Rechte kennen! Wird von Ihnen verlangt, Wäsche zu transportieren, die länger als sechzig Tage in der Waschküche gelegen hat?

Sind Sie berechtigt, eine Schlafzimmertür mit dem Schraubenzieher zu öffnen, oder gilt das als unbefugtes Eindringen?

Dürfen Sie ein Kind an der Autobahn aussetzen, das 1000 km lang Papis Fahrersitz von hinten mit den Füßen traktiert hat?

Werden Sie wegen böswilligen Verlassens angeklagt, wenn Sie umziehen und Ihrem erwachsenen Sohn nicht mitteilen, wohin?

Ein Forum juristischer Fachkräfte wird sich mit der Frage befassen, wieweit die Anleihe von 600 Dollar von einem zwei Monate alten Baby für die Eltern verbindlich ist, falls keine Zeugen anwesend waren.

Die Geschichte des Argwohns und seine Auswirkungen auf die Wechseljahre

Auf allgemeinen Wunsch nehmen wir diesen Kurs für ältere Mütter nochmals ins Programm auf.

Woran merkt man, ob ein Kind die Wahrheit sagt, wenn seine Nase nicht mehr wächst?

Folgende Beispielfälle für Argwohn werden diskutiert:

Hat Marlene tatsächlich eine Bibel auf ihren Fuß fallen lassen, und war es ihr dadurch unmöglich, den Brief an die Eltern zur Post zu bringen?

Sind tatsächlich 20 Dollar aus Ihrem Portemonnaie gefallen, und Ihr Sohn hat sie gefunden und behalten, weil er nicht wußte, wem sie gehören?

Lag Ihr Sohn tatsächlich im Bett und sah im Fernsehen Hamlet, als er Lärm hörte und beim Aufstehen feststellte, daß 200 Unbekannte im Haus eine Party abhielten und Daddys Bier austranken?

Ärztliche Untersuchung vor Kursbeginn ist unerläßlich.

Drohungen und Versprechungen

Vier amüsante Kursabende über abschreckende Drohungen und leere Versprechungen und wie man die Kinder für den Rest ihres Lebens damit ängstigt.

Dankschreiben von Teilnehmerinnen nach Abschluß des Kurses. Eine Mutter, die ihre Tochter gewarnt hatte, wenn sie mit Streichhölzern spielte, würde sie nachts ins Bett machen, wußte zu berichten, daß das Kind sich erst mit fünfunddreißig getraute, das Backrohr anzuzünden.

Eilt sehr! Teilnehmerzahl begrenzt!

Bekanntmachung:
Schuldgefühle, ein Geschenk fürs Leben

Dieser Kurs fällt aus, bis ein neuer Kursleiter gefunden ist. Dr. Volland gab an, seine Mutter finde, er habe keine Veranlassung, andere Leute zu unterrichten, solange er sich so wenig um seine eigene Mutter kümmere.

Die Fernseh-Mütter

Zusammen hatten sie 22 Kinder, 6 Ehemänner und 3 Dienstmädchen. Zwei Jahrzehnte hindurch, die ganzen fünfziger und sechziger Jahre waren sie für alle Mütter im ganzen Land richtungweisende Vorbilder.

Donna aus der Donna Reed Show

Harriet aus Ozzie and Harnet

Barbara aus Leave It to Beaver

Shirley aus Die Partridge-Familie

Marjorie aus Make Room for Daddy

Jane aus Vater ist der Beste

Florence aus The Brady Bunch

Beim Hausputz sahen sie besser aus als die meisten von uns am Hochzeitstag.

Sie bekamen nie Wut, nahmen nie zu, gaben nie mehr Geld aus, als ihre Männer verdienten, oder aber sie gaben den Zuschauern Grund zu der Annahme, sie lebten selbständig und im Zölibat. Nie schrubbten sie eine Toilettenschüssel, hatten nie Küchenschaben im Haus, und niemand erfuhr je, was sie eigentlich die ganze Zeit taten, nachdem ihre Familien morgens das Haus verlassen hatten. Jede Woche wurde man in einer weiteren Fernsehfolge Zeuge eines Wunders. Sieben von sieben Frauen erreichten – nachdem sie ihr Kind bekommen hatten – wieder ihre frühere schlanke Figur. Die Tugend, die ihnen allen gemeinsam war, hieß Geduld. Keine Situation war so traumatisch, daß sie sie nicht mit Milch und Plätzchen hätten kurieren können. Es gab kein Problem, das nicht in 24 Minuten hätte gelöst werden können (plus zwei Minuten Werbeeinschaltungen und zwei Minuten für Vorspann und Absage).

Ich habe mich oft gefragt, was in der Fernsehfolge losgewesen wäre, hätte eines ihrer Kinder auf der Schultoilette einen Mitschüler gegen den Handtuchspender geknallt und ihn um sein Taschengeld erleichtert. Dabei steht bei mir eisern fest:

Donna hätte eine Familienkonferenz einberufen, Barbara wäre ihrem Ward bis an die Tür entgegengegangen und hätte nur gesagt: »Das Essen ist fertig.«

Shirley hätte ihrem Sprößling für eine Woche seine Bongo-Trommeln weggenommen,

Marjorie hätte ihren Nagellack gewechselt,

Harriet hätte ihren Ozzie nach Eis geschickt,

Jane hätte den Beklauten zum Essen eingeladen, und Florence hätte ihren hauseigenen, altmodischen Lebkuchen gebacken.

Es war das Zeitalter der Gottesfurcht, der Mutterschaft, der Nationalfahne und des Apfelkuchens. Man brauchte nur eine Schürze vorzubinden, und schon war man eine Mutter.

Niemand konnte das besser als die hauptberuflichen Mütter. Ich gehörte zu den noch nicht ganz leistungskonformen hauptberuflichen Müttern.

Ich trug den ganzen Tag im Hause keine Strumpfhose und kannte auch niemanden, der es tat.

Meine Kinder waren von der Sorte, mit denen zu spielen die hauptamtlichen Mütter ihren Gören verboten, weil sie sonst in irgendeinen Schlamassel gerieten.

Ich bügelte nie die Schlafanzüge meines Mannes. Wenn ich die Hand hob, um meinen Kindern das Haar aus den Augen zu streichen, zuckten sie zurück und riefen nach ihrem Rechtsanwalt.

Wir wußten alle, daß hauptamtliche Mütter zu gut waren, um wahr zu sein. (Ich gab einmal damit an, ich hätte einem Zuckerkranken das Leben dadurch gerettet, daß ich mich zwischen ihn und den Fernsehschirm warf, auf dem eine viel zu süße Mami erschien.) Du liebe Zeit, wie gern hätte ich selbst zu der Sorte gehört!

Über Jane habe ich mir mal eine ganze Geschichte zusammenphantasiert:

Sie hatte einen dieser entzückenden Tage, an denen alles schiefläuft und an denen man eigentlich im Bett bleiben sollte. Betty hatte sich ihren Pulli, den sie erst Weihnachten bekommen hatte, ausgeborgt und ihn total verschwitzt. Unter Buds Matratze, zwischen der Sprungfederauflage und dem Schoner, fand sie einen Kalender mit Aktfotos, und Kathy sprach schon seit drei Tagen kein Wort mit ihr. Ihre Mutter meinte, ihr raten zu müssen: »Du solltest wirklich etwas strenger mit deinen Kindern sein.« Die Bank rief an und sagte, sie habe einen Scheck ausgeschrieben, nach dessen Einlösung ihr Konto überzogen sei.

Die chemische Reinigung rief an, um ihr mitzuteilen, daß von Jims Lieblingsjacke alle aufgebügelten Flicken abgegangen seien.

Irgendwer hatte mit einer Sprühdose obszöne Sprüche an ihren Gartenzaun geschrieben.

Meine Phantasiegeschichte endete damit, daß Jane mitten in dem ganzen Chaos stand und ein grobes Wort ausstieß, ehe sie zusammenbrach. Irgendwie tat mir das wohl.

Wie auch immer diese Fernsehmütter sonst waren, es gelang ihnen, deutlich zu machen, daß sie etwas Bedeutendes taten. Sie waren der Mittelpunkt der Familie und hielten das Ganze zusammen. Und das schafften sie in nur dreißig Minuten pro Woche.

Es waren die anderen, die nicht so perfekten Mütter, die Ende der sechziger Jahre gewisse Dinge zur Debatte stellten. Sie hatten etwas gegen die langen Arbeitstage. Gegen das Fehlen von Sozialleistungen. Gegen das Hol-und-Bring-Syndrom. Sie hatten etwas gegen die Frage: »Na, was hast du denn den ganzen Tag gemacht?« und etwas dagegen, daß die Antwort dann auf taube Ohren stieß.

War die Unzufriedenheit am Anfang wie eine leichte Bewegung des Wassers, so schlug sie während der siebziger Jahre immer höhere Wellen. In den achtziger Jahren waren die Dissidenten bereits eine Macht, mit der man sich auseinandersetzen mußte, da inzwischen 52 Prozent aller Mütter Stellungen angenommen hatten.

Was mag aus den Fernsehmüttern geworden sein? Aus Donna, Barbara, Shirley, Harriet, Marjorie, Jane und Florence? Sie wurden von einer Woge der Realität überspült und verschwanden.

Hie und da ist die eine oder andere bei Wiederholungssendungen am Nachmittag noch einmal zu sehen. Um diese Zeit sind kaum Mütter zu Hause, die in die Glotze schauen könnten. Meist sind es Schlüsselkinder, die vor dem Bildschirm Pizza essen und sich gewiß fragen, wer das denn da ist – diese Dinosaurier in Schürzen, die durchs Leben wandeln, weise lächeln und Milch eingießen.

Ironischerweise vermisse ich sie, trotz ihrer fürchterlichen Vollkommenheit, die einen auf die Palme treibt. Außerdem beneide ich sie ein kleines bißchen, denn sie schienen mir so ausgefüllt.

Ich frage mich, warum. Vielleicht, weil sie so gut dafür bezahlt wurden, eine Mutter zu sein, und weil ihre Saison nur 26 Wochen dauerte? Oder vielleicht, weil sie die Gören nur für dreißig Minuten pro Woche hatten und sie anschließend wieder dorthin zurückschicken konnten, wo sie herkamen?

Vielleicht auch, weil sie bei schwierigen Szenen einen kleinen Applaus bekamen.

Oder vielleicht – nur sehr vielleicht –, weil sie sich in den Stunden zwischen dem Wegfahren der Familie am Morgen und deren Rückkehr am Abend nicht dem wirklichen Leben stellen mußten. Diese vortrefflichen Mütter…

Ausblenden • Ende der SendungEnde der Ära…

Wenn Vater Mutter spielt

Am 15. Oktober 1979 wurde Frank Rutledge Mutter von Adam (14), Caroline (12) und Teddy (6) und dadurch die erste Mutter des Villenvorortes Rochester mit einem Schnurrbart.

Die neue Rolle war die Folge eines Gesprächs, das sechs Monate vorher stattgefunden hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte Frank gestanden, er fühle sich in seiner Arbeit in der Werbefirma total unbefriedigt. Er habe sie mehr als satt, diese Cornflakes-Packungen, die Step tanzten, und diese Termiten in Ballettröckchen. Was er sich wünschte, war, einfach zu Hause zu bleiben und an seinem Roman weiterzuschreiben.

Ann, seine Frau, war ganz begeistert von seinem Entschluß. Sie hatte die sexuelle Revolution verpaßt, war für die Frauenbewegung zu spät dran, hatte ihre Selbstachtung den Kindern geopfert und lehnte es ab, mit ihrer Midlife-Crisis anzufangen, ehe sie nicht zehn Pfund abgenommen hatte. Die Vorstellung, irgendwohin zu gehen, wo sie nicht bei Tisch allen das Fleisch kleinschneiden mußte, reizte sie ungemein.

Die beiden kamen überein, es mal ein Jahr zu versuchen. Ann wollte arbeiten gehen und Büroeinrichtungen verkaufen, und Frank würde zu Hause bleiben und schreiben. Es schien eine einfache Sache zu sein. Schließlich hatte ja auch der Präsident der Vereinigten Staaten jahrelang zu Hause gearbeitet. Dennoch gab es da einige bemerkenswerte Unterschiede.

  1. Der Präsident der Vereinigten Staaten wurde beim Telefonieren auf höchster Ebene, das dem Lauf der Geschichte eine andere Richtung geben konnte, nie durch eine Stimme gestört, die rief: »Es ist kein Klopapier mehr da!«
  2. Durch das Weiße Haus trotteten keine Kammerjäger und besprühten ihm die Füße mit Insektenvertilgungsmittel.
  3. Die First Lady rief nie aus ihrem Büro im Zentrum an, um ihm folgende Anweisungen durchzugeben: »Geh in die Garage und kipp den Rasenmäher auf den Rücken, gleich unter dem rechten Mähmesser ist eine Seriennummer eingestanzt. Die schreib dir auf und gib sie der Reparaturwerkstatt, damit wir nicht wieder so dumm dastehen, wenn die Rasenschneiderei anfängt.«

Am 22. November, nachdem er einen Monat lang Hamster wieder eingefangen und tagelang nichts anderes gehört hatte als »Uiii, das sag ich aber«, riß Frank das leere Blatt aus der Schreibmaschine und faßte einen zweiten Entschluß. Nämlich den, das Schreiben des Romans auf später zu vertagen. Statt dessen wollte er ein Tagebuch über seine Erfahrungen als Hausmann verfassen.

Das würde sich verkaufen, soviel wußte er. Er konnte ja keine Buchhandlung betreten, ohne daß ihm ganze Regale voller Haushalts-Schnurren ins Auge fielen. Auf den Schutzumschlägen sah man verstörte Frauen, denen der Hund in die Fersen kniff. Und schließlich: Wie viele Männer hatten denn die Erfahrungen, die er eben jetzt machte? Es würde ein humorvolles Buch werden. Er wollte es nennen: »Frank und frei als Mutter«. (Gott, war der Titel himmlisch!)

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß am 22. November 1979 in Rochester im Staat New York der kälteste Winter der Geschichte einsetzte. Innerhalb von 6 Monaten fielen fast drei Meter Schnee.

Anfangs fand Frank den Schnee herrlich. An der Schreibmaschine sitzend, rief er eines der Kinder, die an seiner Tür vorbeitrabten, zu sich und erklärte geduldig, daß sich keine zwei Schneeflocken genau glichen. Er bestand sogar darauf, daß sie das Muster der Eisblumen auf den gefrorenen Scheiben nachzeichneten.

Am 3. Dezember wurde die Schule infolge »höherer Gewalt« geschlossen.

Die folgenden zehn Tage lastete auf Frank die Verantwortung dafür, daß sich drei Kinder nicht gegenseitig umbrachten. Er stellte fest, daß er kein Wort sagte, sondern ruhig zusah, wie Teddy sich einen Knopf tief in die Nase steckte. Auch als Caroline seinen Trauschein bunt ausmalte, sah er zu und konnte nur murmeln: »Nicht über’n Rand.«

Er beobachtete stumpfsinnig, wie der Lüster über dem Eßtisch ins Zittern geriet, weil Adam sein Bett als Trampolin benutzte. Das Haus war voll nasser Sachen, die überall trockneten, und roch wie ein nasses Meerschweinchen in der Brunft.

Am 30. Dezember 1979 hatte Frank nur drei Eintragungen in sein Tagebuch gekritzelt:

  1. Es gibt keinen Gott.
  2. Niedliche Anekdote über Teddy: Er kann nicht Spaghetti sagen. Nennt sie Gasphetti. Daran muß man noch arbeiten.
  3. Ann hat mir zu Weihnachten eine Müllpresse geschenkt. (Das war durchgestrichen und mit einer Fußnote versehen: Nicht humoristisch genug!)

Danach gab es nur noch wenige Eintragungen.

15. Januar 1980: Daß man in Villenvororten einsam sei, ist eine Legende. Teddy hat nur Halbtagsunterricht und zieht sich zwischen 8 Uhr früh und Schlafengehen achtmal um. Er hat für alles ein passendes Kostüm, auch wenn er im Fernsehen Tao-Tao ansieht oder seiner Schwester in den Nachtisch spuckt. Ich bin seit vorigen Oktober nicht mehr allein im Badezimmer gewesen.

17. Januar: Ich muß noch viel lernen. Beverly, unsere Nachbarin, war hier und trank Kaffee, als ich anfing, den Tisch abzudecken und die Essensreste in den Mülleimer zu kratzen.

Sie sagte, daß man nichts gleich wegwerfen soll. Irgendwo stehe, daß man Abfälle erst dann vergraben soll, wenn die Zeit dafür reif ist. Und dafür muß man sie eine volle Woche aufheben.

26. Januar: Hab den neuen Leberpudding aus Haus und Garten versucht. (Zubereitungszeit 16 Minuten, Rezept für sechs Personen.) Habe das ganze Wirtschaftsgeld für Pilze, Porree, Brie und Cabernet Sauvignon auf den Kopf gehauen. Ann hatte den Pudding schon zu Mittag in der Stadt gegessen. Carolines Lehrerin hat angerufen. Ich bin jetzt Aufsicht für den Aufenthaltsraum.

1. Februar: Haus und Garten hat gelogen. Das Rezept reicht für sechzehn Personen acht Tage lang. Beverly hat es auch gemacht, aber sie hat Lauch, Brie, Pilze und Leber weggelassen.

27. Februar: Ich fürchte, ich werde langsam verrückt. Jeden Tag werfe ich ungefähr ein Dutzend Paar Socken in die Waschtrommel, und sobald die Maschine abgestellt wird, ist von jedem Paar nur noch ein Socken übrig. Adam, Caroline und Teddy ärgern sich wegen der fehlenden Socken und wollen wissen, wo sie hingekommen sind. Ich habe gesagt, sie seien in den Himmel geflogen. Ich hasse meinen Job.

Im März und April machte Frank keine einzige Eintragung in sein Tagebuch. Im März starb das Haus. Es war kein schöner Tod. Genau an dem Abend, an dem Teddy sich mit Virusgrippe ins Bett legte, gab der Wäschetrockner den Geist auf, nachdem er drei Garnituren Bettwäsche ausgekotzt hatte. Zwei Tage später segnete die Waschmaschine das Zeitliche, gefolgt vom Heißwasserboiler, dem Staubsauger und dem Dampfbügeleisen. Die Autobatterie lief gerade an dem Tag leer, als Frank acht Volksschulkinder in den Zoo führte. Dadurch kam er zu spät nach Hause, um noch Das Krankenhaus am Rande der Stadt zu sehen.

Abgesehen davon merkte niemand, was er tat. Es war auch allen ganz egal. Eines Abends kam Ann mit drei Gästen zum Abendessen hereingeplatzt. Sie merkte nicht einmal, daß er sich die Gabel mit den verbogenen Zinken nahm.

Im April sollte eigentlich der Frühling in Rochester Einzug halten, aber er konnte wegen der Schneemassen nicht landen. Frank hatte nichts mehr, für das es sich lohnte zu leben. Keine Weiße Woche, keine Sonne zum Braunbrennen. Außerdem wurde er fett. Und die Kinder machten ihn ganz zappelig.

Eines Abends, als Ann eine ganze Woche nicht mit den Kindern gegessen hatte und sie beim Insbettgehen waren, sagte sie: »Hab ich dir schon erzählt, daß ich befördert worden bin und daß ich wahrscheinlich eine Erfolgsneurose habe?«

»Eine Neurose treibt sieben Krankheiten aus«, murmelte Frank.

»Ist was?« fragte sie.

»Nichts, was soll sein?« erwiderte Frank. »Alles ist tadellos. Ich kriege niemanden, der mir hilft, für Teddys Zeichenstunde vor Ostern Eier auszublasen. Ich komm am Telefon immer nur bis ›Wollen Sie mit mir sechs Eier aussaugen‹, da wird schon eingehängt. Adam ist der einzige Vierzehnjährige in ganz Nordamerika, der keinen Alligator auf dem Hemd hat, und du kommst so müde heim, daß du jeden Abend im Sessel einschläfst. Wir reden nie mehr miteinander!«

»Um was geht’s denn?« fragte Ann müde. »Willst du das Haus renovieren?«

»Das fehlte noch!« sagte Frank. »Wirf mir ein paar neue Sofakissen her, und ich gehe.«

»Hör mal, warum läßt du dir nicht eine neue Frisur machen?«

Er kaute an einem Fingernagel. »Ich versuche, mir die Haare wachsen zu lassen. Hab ich dir doch gesagt.«

»Ich verstehe«, sagte Ann. »Komm, wir machen Urlaub, nur wir beide allein.«

17. Mai: Die Reise ging total daneben. Statt allein zu reisen, trafen wir ein Ehepaar aus Anns Büro. Sie und Phyllis redeten die ganze Nacht übers Geschäft. Jack war kinderlos. Er redete nur über Sport, seinen Job und sein Boot. Wir hatten nichts gemeinsam. Außerdem hatte ich Heimweh nach den Kindern und kürzte unseren Aufenthalt ab, um rechtzeitig zu Hause zu sein, wenn Caroline ihre Trommelparade hat. Sie hat den Stab nur einmal fallen lassen.