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Alexandra Liebert

TRÄUME AUS DER FERNE

Liebesgeschichten

Originalausgabe:
© 2006
ePUB-Edition:
© 2013

édition el!es

www.elles.de
info@elles.de

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-050-9

Das zweite Leben

Immer wenn ich unter der Dusche stand, klingelte es an der Tür.

Für eine Sekunde überlegte ich, ob ich es einfach ignorieren sollte. Aber dann siegte doch meine Neugierde. Ich trocknete mich ab, stieg in meine kurze Hose und warf mir ein T-Shirt über.

»Du?« brachte ich gerade noch so hervor, bevor mir die Kinnlade herunterklappte.

»Schön, dass du dich noch an mich erinnerst«, begrüßte mich Linda mit einem schiefen Lächeln.

Linda! Wie oft hatte ich schlaflose Nächte wegen dieser Frau gehabt. Wie oft hatte ich mir gewünscht, in ihren Armen einschlafen zu dürfen.

Wir waren die besten Freunde gewesen, die man sich nur vorstellen konnte. In meinen Augen waren wir füreinander geschaffen. Sie war meine Traumfrau.

Nachdem ich mir meiner Gefühle für sie bewusst geworden war, hatte ich sie erst einmal monatelang für mich behalten. Ich hatte Angst, unsere Freundschaft zu zerstören, wenn ich ihr meine Liebe gestand. Selbst wenn ich manchmal das Gefühl hatte, dass sie auch mehr für mich empfand, gab sie mir eigentlich stets zu verstehen, dass sie niemanden an sich heranlassen würde.

Doch eines Tages hielt ich es nicht mehr aus. Ich fasste den Entschluss, es ihr zu sagen. Also lud ich sie zum Essen zu mir ein. Als sie kam und den festlich gedeckten Tisch mit dem Kerzenlicht sah und die romantische Musik hörte, hatte ich den Eindruck, sie wäre am liebsten sofort wieder auf und davon. Ich sah regelrechte Panik in ihren Augen, wusste es aber nicht so richtig zu deuten. Statt dessen versuchte ich durch eine witzige Bemerkung die Stimmung zu lockern, was mir auch einigermaßen gut gelang. Das Essen war dann auch sehr angenehm und entspannt. Anschließend sah ich Linda über den Tisch hinweg tief in die Augen. Sie versuchte mir immer auszuweichen. Ich griff nach ihrer Hand, streichelte sie sanft mit meinem Daumen. Ich stotterte herum wie ein Teenager, und es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich die Worte »Ich liebe dich« endlich über die Lippen brachte.

Linda zog abrupt ihre Hand weg, fing fürchterlich an zu weinen und stand auf. Sie sagte nur: »Du darfst mich nicht lieben«, und rannte aus der Wohnung.

Ich habe sie nie mehr wiedergesehen. Obwohl ich alles mögliche versucht hatte, konnte ich nichts in Erfahrung bringen. Keiner ihrer Freunde schien irgend etwas zu wissen. Nach einigen Wochen kam schließlich ein Brief von ihr, ohne Absender. Darin stand nur: Hör auf, nach mir zu suchen. Glaub mir, es ist besser so!

Das war jetzt fast zwei Jahre her.

Und nun stand sie vor mir.

»Störe ich?«

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir immer noch an der Tür standen.

»Soll ich lieber wieder gehen?« fragte Linda nun etwas unsicher.

»Nein, nein. Tut mir leid. Komm rein.«

Linda ging an mir vorbei und stand dann etwas unschlüssig im Gang.

Ich ging voran in die Küche. »Hast du Lust, mit mir zu frühstücken?«

Eigentlich wollte ich fragen: Was in aller Welt fällt dir ein, nach zwei Jahren hier wieder aufzutauchen und mich so aus der Bahn zu werfen? Wie kannst du hier einfach aufkreuzen, nachdem du mich damals so im Regen hast stehenlassen?

Statt dessen war ich ganz ruhig. Ich war gespannt, wieso sie hergekommen war. Was sie mir zu sagen hatte.

»Eine Tasse Kaffee würde mir genügen.«

Also setzte ich den Kaffee auf und werkelte so lange mit Tassen, Löffeln und Zucker herum, bis er durchgelaufen war. Ich stellte uns beiden Kaffee auf den Tisch, nahm einen Schluck und schaute Linda herausfordernd an.

»Ich weiß, du erwartest eine Erklärung von mir. Und genau deshalb bin ich ja auch hier. Aber bevor ich dir das erzähle, möchte ich dir noch etwas anderes sagen. Es hat mir damals das Herz gebrochen, dich einfach so sitzenzulassen. Aber unter diesen Umständen . . . wenn ich geblieben wäre . . . glaube mir . . . du hättest noch viel mehr gelitten, als es so schon der Fall war.«

»Wieso konntest du nicht einfach sagen, dass du mich nicht liebst? Glaubst du wirklich, das wäre schlimmer für mich gewesen als diese Situation, in der du mich einfach alleingelassen hast? Denkst du, ich wäre damit nicht klargekommen? Denkst du, ich hätte dich bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit angemacht?«

»Wieso ich dir nicht einfach gesagt habe, dass ich dich nicht liebe?« Linda verzog ihren Mund zu einem müden Lächeln. Sie hielt sich krampfhaft an der Kaffeetasse fest.

»Weil ich dich geliebt habe. So sehr, wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe.«

Nun verstand ich gar nichts mehr. Mir schossen tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Aber ich konnte sie nicht in Worte fassen. Statt dessen starrte ich Linda ungläubig an.

Gerade, als ich den Mund aufmachen wollte, hob sie ihre Hand.

»Sag nichts. Ich glaube, es ist an der Zeit für eine Erklärung. Dazu muss ich allerdings etwas ausholen. Im Laufe der Zeit . . . ich meine während unserer Freundschaft, da habe ich gemerkt, dass ich mehr für dich empfinde. Ich hatte mich in dich verliebt. Aber ich hatte Angst davor, es dir zu sagen. Ich dachte, wenn du nicht genau so empfindest, würde das unsere Freundschaft belasten und ich würde dich vielleicht ganz aus meinem Leben verlieren. Also habe ich erst einmal geschwiegen und einfach deine Nähe genossen. Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass ich das einfach nicht mehr aushalte. Ich musste mit dir reden. Das war ein paar Wochen bevor du mir deine Liebe gestanden hast.

Ich wollte dich zu einem Picknick entführen und dir da alles sagen. Allerdings hatte ich an dem Tag einen Arzttermin. Vielleicht kannst du dich daran erinnern, dass ich damals eine Phase hatte, in der es mir nicht sonderlich gutging, und ich mich deshalb von Kopf bis Fuß untersuchen ließ. An diesem Tag sollte ich die Ergebnisse bekommen. Ich war mir sicher, dass nichts dabei herauskommen würde. Ich hatte den Picknickkorb schon im Wagen, als ich beim Arzt war. In Gedanken war ich längst bei dir. Ich träumte davon, dass du mir in die Arme fallen und mir ebenfalls deine Liebe gestehen würdest.«

Während der gesamten Zeit, in der Linda erzählte, hatte sie ihre Tasse angestarrt. Nun blickte sie kurz auf und sah mir ins Gesicht.

Wir lächelten uns beide an.

»Aber es kam ganz anders«, sprach sie weiter. »Inmitten meiner Träumereien vernahm ich plötzlich ein grausames Wort: Brustkrebs. Der Arzt sah mich durchdringend an und fragte mich, ob ich alles verstanden hätte. Ich schüttelte wie betäubt den Kopf. Was folgte, war eine unendlich grausame und unwirkliche Zeit, in der mir der Arzt meine Krankheit und die Heilungschancen ausführlich darlegte.«

»Oh mein Gott, Linda!« Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen.

»Nicht weinen«, sagte Linda und legte ihre Hand auf meine. »Es geht ja noch weiter.«

Sie zog ihre Hand wieder zurück, nahm einen Schluck Kaffee und hielt mir schüchtern ihre leere Tasse hin. Ich verdrehte gespielt die Augen und holte ihr Nachschub.

»Danke.«

Während sie den Zucker verrührte, sprach sie weiter.

»Ich brauchte einige Tage, um den ersten großen Schock zu verdauen. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Mein größter Wunsch war es, zu dir zu laufen und mich in deinen Armen auszuweinen, dir von meiner Liebe und von meiner Krankheit zu erzählen. Aber ich wollte nicht sagen: Ich liebe dich, und ich bin sterbenskrank. Ich wollte kein Mitleid von dir, sondern deine Liebe. Und mir war klar, wenn ich dir meine Liebe gestehe, musste ich dir auch von meiner Krankheit erzählen. Dann habe ich überlegt, dir nur von meiner Krankheit zu erzählen. Schließlich warst du meine beste Freundin. Aber ich dachte, damit würde ich mir alles verbauen. Weißt du, du hättest Mitleid mit mir gehabt, und ich hätte nie gewusst, was deine Gefühle bedeuten. Verstehst du? Ich meine . . . stell dir vor, ich hätte dir irgendwann doch meine Liebe gestanden. Egal, wie du reagiert hättest, ich hätte wohl immer gedacht, es hat mit meiner Krankheit zu tun. Ich überlegte wochenlang, was ich tun sollte. Und dann kam das Candlelight-Dinner bei dir. Ich . . . als du mir gesagt hast, dass du mich liebst, da habe ich einfach Panik bekommen. Ich wollte nicht, dass du mich leiden siehst. Dass du mich sterben siehst.«

Jetzt liefen ihr dicke Tränen übers Gesicht. Sie kramte ein Taschentuch aus ihrer Hose hervor und wischte sich damit über ihre Wangen. Ich wusste nicht so recht, wie ich reagieren sollte.

»Ich dachte mir, wenn ich dir jetzt sage, dass ich dich auch liebe, dann wird es für dich die Hölle, wenn du mich dahinvegetieren siehst. Ich hab’ keinen anderen Ausweg gesehen, als davonzulaufen. Ich bin zu meiner Schwester und hab’ ihr gesagt, wenn sie dir verrät, wo ich bin, werde ich nach Afrika auswandern.«

Wir mussten beide lachen. Das war damals so ein gängiger Spruch zwischen uns. Quasi die schlimmste aller Androhungen. Wenn du mir das antust, wandere ich nach Afrika aus.

»Sie scheint dir diese Androhung tatsächlich abgenommen zu haben«, sagte ich, als ich mich einigermaßen gefangen hatte. »Ich habe ein dutzendmal bei ihr angerufen. Sie hat mir gesagt, sobald sie was von dir hört, sagt sie mir Bescheid. Dieses Biest.«

Linda fing wieder an zu lachen. »Weißt du, es hat sie auch sehr mitgenommen. Sie hat mir die Hölle heiß gemacht, endlich mit dir zu sprechen. Aber ich konnte und wollte es nicht. Ich hatte mir nämlich was vorgenommen: Ich wollte diese Krankheit besiegen und dann zu dir kommen und dir endlich meine Gefühle gestehen. Dann, nach ein paar Tagen, dachte ich wieder, du wirst bestimmt nichts mehr von mir wissen wollen. So oder so. Ich hab’ mich hängenlassen. Ich ließ die Chemotherapie über mich ergehen, aber wirklichen Lebenswillen hatte ich nicht mehr. Ich kann nicht mehr sagen, wie lange das so ging. Aber eines Tages lag ich abends im Bett und hatte das Radio an. Weißt du, was für ein Lied kam?«

Wie aus einem Mund sagten wir: The Rose.

Dieses Lied von Bette Midler hatte ich damals aufgelegt, als ich Linda sagte, dass ich sie liebe.

»Es war genau dieser Moment, in dem ich erneut Lebensmut gefasst habe. Ich sah dich wieder vor mir sitzen, sah das Leuchten in deinen Augen, dein süßes Lächeln. Und mir wurde klar, dass ich dich wiedersehen muss. Für dich wollte ich wieder gesund werden. Ich wollte nicht von dieser Welt verschwinden, ohne dir zu sagen, dass ich dich liebe.«

Gerührt schluckte ich ein paar Tränen hinunter. »Und wie . . . wie geht es dir jetzt?«

»Oh, bestens. Sam, ich habe es geschafft. Ich habe den Krebs besiegt.«

»Das ist ja wundervoll!«

Ich sprang spontan auf und umarmte Linda. Als ich wieder saß, breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus. Ich hatte das Gefühl, Linda wartete darauf, dass ich etwas dazu sagte. Ich stand auf und lief in der Küche auf und ab.

»Puh«, brachte ich schließlich nur hervor.

»Möchtest du, dass ich wieder gehe? Ich meine, ich habe dich hier einfach so überfallen. Du möchtest wahrscheinlich erst einmal alles in Ruhe verdauen. Es war vielleicht nicht fair von mir, dir das alles nach zwei Jahren so vor den Kopf zu knallen. Aber weißt du, ich habe mir damals geschworen, den Krebs zu besiegen, um uns eine Chance zu geben. Alles, was mir in dieser schweren Zeit Mut gegeben hat, war allein der Gedanke an dich.«

Mit diesen Worten stand sie auf und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu mir um.

»Soll ich dir meine Telefonnummer dalassen?«

Ich zögerte ein paar Sekunden, sah ihr dabei tief in die Augen. Nach einer kleinen Ewigkeit löste sich Linda von meinem Blick und ging zur Wohnungstür. Sie hatte ihre Hand schon auf der Klinke, als ich von der Küchentür aus sagte: »Ja, Linda, aber . . .«

»Aber ich soll nicht so bald mit einem Anruf von dir rechnen?« unterbrach sie mich.

»Dass du mich aber auch nie ausreden lassen kannst!«

»Was? Ich hab’ dich nie ausreden lassen? Du bist doch mein kleines Plappermaul! Eine Einladung zum Kino dauert bei dir immer eine halbe Stunde.«

»Inzwischen habe ich mich gebessert«, witzelte ich. »Ich schaffe es jetzt schon in 25 Minuten.«

Wir prusteten beide los.

»Hast du einen Zettel und einen Stift für mich?«

»Ja, aber . . .« Ich sah sie drohend an für den Fall, dass sie mich wieder unterbrechen wollte. »Ja, aber so schnell lass’ ich dich nicht wieder gehen.« Ich ergriff ihren Arm und zog sie zurück in die Küche. »Jetzt setz dich mal hin und iss was. Wenn du mein Frühstück verschmähst, dann will ich deine Nummer auch nicht«, sagte ich und grinste Linda frech an.

Ich schob mir gerade ein Stück Marmeladenbrötchen in den Mund, als Linda plötzlich laut zu lachen anfing.

»Sag mal, Sam, bist du zufällig gerade erst aus der Dusche gestiegen, als ich vorhin gekommen bin?« brachte sie mit Müh und Not zwischen ihren Lachanfällen hervor.

Ich mampfte wenig beeindruckt weiter an meinem Brötchen. »Hab’ ich etwa noch Rasierschaum im Gesicht?« fragte ich ganz cool.

Das war ein großer Fehler. Nun lachte Linda noch mehr. Sie lag schon halb auf der Bank und hielt sich den Bauch. Gott, wie ich sie vermisst hatte. Wie vertraut sie mir nach den paar Stunden schon wieder war.

»Schau mal in den Spiegel.«

Ich stand auf und trottete ins Bad. Dort vor dem Spiegel musste ich mir das Lachen kräftig verbeißen. Ich hatte meine Haare nach der Dusche nicht gekämmt, und nun standen sie in alle Himmelsrichtungen ab. Mit den Fingern versuchte ich einigermaßen Ordnung hineinzubekommen, als Linda plötzlich hinter mir stand.

»Lass mich mal.«

Ich drehte mich zu ihr um. Sie hob ihre Hände und fuhr mir damit durch die Haare. »Na, meinst du, es ist noch etwas zu retten?« fragte ich sie, als ich ihren skeptischen Blick sah.

»Meinst du damit dein Haar oder uns?«

Ich suchte ein Lächeln in ihren Augen. Aber es war kein Scherz. Es war eine ernste Frage. Und ich sah die Angst in ihren Augen.

Ich bekam immer noch weiche Knie in ihrer Gegenwart, und mein Herz raste wie wild bei dem Funkeln in ihren Augen.

Sie ließ ihre Hand etwas sinken und ließ sie dann auf meiner Wange liegen. »Sam, ich . . . ich . . . es tut mir unheimlich leid, dass ich dir damals so weh getan habe. Ich wusste einfach nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Die Ärzte haben mir damals gesagt, ich hätte nicht mehr lange zu Leben. Ich war total verzweifelt. Glaube mir, ich hätte nichts lieber getan, als bei dir Trost zu suchen. Aber ich wollte dir das einfach alles ersparen. Wahrscheinlich habe ich alles falsch gemacht und dich verloren.«

»Linda, ich . . .«

»Was bilde ich mir überhaupt ein, nach all dieser Zeit einfach so bei dir aufzutauchen?«

»Linda, hör mir . . .«

»Selbst wenn nicht . . . wie komme ich darauf, du hättest nur darauf gewartet, bis ich wieder auftauche?«

Da ich Linda mit Worten scheinbar nicht zum Schweigen bringen konnte, änderte ich meine Taktik. Ich trat einen Schritt auf sie zu und legte meine Hände auf ihre Hüften und näherte mich dabei langsam mit meinem Mund ihrem Gesicht.

»Linda?«

»Ja?«

»Hör auf zu reden und küss mich endlich«, sagte ich mit zittriger Stimme.

Sie legte ihre Hand in meinen Nacken und zog mich sanft noch etwas näher.

Unsere Lippen waren nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt. Ich konnte es zwischen uns knistern hören, spürte dieses Kribbeln. Ich hielt die Luft an und wartete sehnsüchtig auf den Moment, in dem unsere Lippen sich endlich berühren würden.

Es war noch schöner, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Ihre Lippen waren so weich und sanft, ihre Zärtlichkeit brachte mich fast um den Verstand. Es war wie ein Feuerwerk. Ich fing an, sie etwas fordernder zu küssen. Ich öffnete ganz leicht meine Lippen. Linda schien nur darauf gewartet zu haben. Ihre Zunge suchte sich den Weg in meinen Mund. Als sich unsere Zungen trafen, war es völlig um mich geschehen. Wir ließen sie immer wieder umeinander kreisen. Ich erforschte jeden Winkel ihres Mundes, vergaß dabei alles um mich herum. Meine Hände glitten langsam unter ihr T-Shirt, und es schien mir eine Ewigkeit und doch nur eine Sekunde, bis wir uns aus diesem Kuss lösten.

Ich lächelte Linda liebevoll an, nahm ihre Hand und führte sie ins Schlafzimmer. Dort angekommen, presste sie mich sanft gegen die Wand.

»Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt, Sam. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«

»Ich liebe dich auch, Linda. In all den Monaten konnte ich dich einfach nicht vergessen. Ich habe es versucht, habe versucht dich zu hassen. Doch das ist mir nicht gelungen, und ich habe dich von Tag zu Tag mehr vermisst.« Mehr als ein Flüstern brachte ich nicht zustande.

Ich küßte Linda auf die Nasenspitze.

»Oh Sam . . . wenn du wüsstest . . .«

»Pssst.« Diesmal war ich diejenige, die sie unterbrach, da ich merkte, dass sie sich nun zum hundertsten Mal entschuldigen wollte.

»Meinst du nicht, wir haben noch genug Zeit zum Reden?«

»Hm, und was schlägst du statt dessen vor?« fragte sie mich mit einem anzüglichen Lächeln.

Ich zog sie zu mir und küßte sie so, dass uns beiden der Atem stockte. Ich spürte ihre Hände überall auf meinem Körper. Sie fing langsam an mich auszuziehen. Erst meine Shorts, dann zog sie mir das T-Shirt über den Kopf. Während sie mich ungeniert taxierte, zog sie sich selbst auch aus.

Wir taumelten liebestrunken zum Bett und ließen uns darauf fallen. Linda legte sich auf mich. Es war ein sehr erregender Augenblick, als sich unsere Brüste berührten. Meine Brustwarzen reagierten auch sofort darauf und wurden noch härter als sie inzwischen ohnehin schon waren. Linda fing an mich zu küssen. Erst meinen Hals, dann meine Schultern. Sie glitt tiefer, bis sie schließlich bei meinen Brüsten angelangt war. Sie küßte sie erst sanft, dann fing ihre Zunge an mit meinen Warzen zu spielen. Ich stöhnte leise auf. Lindas Hände strichen an meinen Seiten entlang, streichelten meine Hüften. Dann fuhr sie mit einem Finger langsam unter den Rand meines Slips. Minutenlang liebkoste sie mich, streichelte immer wieder mit ihren Fingerspitzen an meinem Slip entlang. Ich musste mich beherrschen, um ihr nicht zu sagen, sie solle ihn mir vom Leib reißen. Ich wollte mich ihr einfach hingeben. Sie biss mich sanft in meine Brustwarze, und ich musste mich in ihrem Haar festhalten, weil ich das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie bedeckte erst meinen Bauch mit Küssen, dann liebkoste sie meinen Bauchnabel. Sie küßte mich knapp über meinem Slip. Mein Stöhnen wurde immer lauter, und ich konnte nicht mehr ruhig liegen. Endlich zog sie meinen Slip aus. Sie kam wieder zu mir hoch und lächelte mich an.

»Ich hoffe, ich stelle mich nicht allzu dämlich an. Ich bin nämlich etwas aus der Übung.«

Ich strich ihr sanft über den Rücken. »Du dummes Ding, du bist himmlisch. Glaube mir, ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.«

Von meinen Worten ermutigt, fing sie nun wieder an, mit meinen Brustwarzen zu spielen. Sie knabberte sanft daran und schob dabei ihre Hände unter meinen Po. Ich presste ihr mein Becken so nah es ging entgegen. Ich war wie benebelt, konnte nicht mehr klar denken, wollte nur noch ihren Körper spüren. All meine Sehnsucht schien plötzlich aus mir herauszubrechen.

»Oh Linda«, stöhnte ich. »Ich will dich so sehr.«

Ich spürte Lindas heißen Atem zwischen meinen Beinen. Sie fuhr mit der Zunge an meinen Oberschenkeln entlang, näherte sich langsam meiner Mitte. Ich hatte das Gefühl, gleich explodieren zu müssen. Die Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen stieg mit jeder Sekunde. Dann spreizte sie meine Beine noch ein kleines Stück weiter und vergrub ihr Gesicht in meinen Schamhaaren. Dabei fuhr sie mit ihrer Zunge immer wieder über meine empfindlichste Stelle. Gerade als ich dachte, ich könne es nicht mehr aushalten, hörte sie auf und knetete statt dessen meinen Po. Ich wollte schon protestieren, dass sie doch nicht einfach aufhören könne, da spürte ich auch ihre Zunge schon wieder. Diesmal noch intensiver. Sie leckte mich mit ihrer Zunge, als ob sie jeden Millimeter von mir schmecken wollte. Ich beugte mich leicht nach vorn, und der Anblick ihres Kopfes, der sich zwischen meinen Beinen schnell auf und ab bewegte, erregte mich noch mehr.

»Mach schneller, Schatz!«

Ich hatte das Gefühl, Linda unterdrückte ein Lachen. Aber sie schaffte es tatsächlich, ihre Zunge noch schneller zu bewegen. Dabei tastete sie sich immer weiter vor. Bis zu dem Moment, in dem sie an meiner Öffnung mit ihrer Zunge tanzte, wusste ich noch nicht, was sie vorhatte. Um so aufregender war der Moment, als ich ihre Zunge in mir spürte. Ich hatte große Mühe, mein Becken einigermaßen ruhig zu halten. Aber aus Angst, ihr weh zu tun, versuchte ich mich doch zu beherrschen.

Ihre Zunge drang ganz sanft in mich ein, zog sich dann immer wieder zurück. Tausendmal, wie mir schien, wiederholte Linda diese Bewegung. Sie streckte ihre Arme nach oben aus und tastete nach meinen Brüsten. Sie knetete sie sanft im gleichen Rhythmus, in dem ihre Zunge sich in mir bewegte. Ich legte meine Hände auf ihre, und zu spüren, wie sie damit meine Brüste verwöhnte, turnte mich ungemein an.

Sie hob ihren Kopf kurz hoch, als ich erneut aufstöhnte, gab mir einen Kuss auf meinen Venushügel und legte sich dann wieder auf mich. Ehe ich mich versah, drehte sie sich auch schon wieder von mir weg, ließ sich auf den Rücken rollen und zog mich dabei auf sich. Sie suchte meine Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Dabei schob sie fordernd ihre Hand zwischen meine Beine. Ihre Finger bewegten sich rasend schnell . . . Ich spürte, wie das Kribbeln sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Ich fing an, mich in immer schneller werdenden Rhythmus auf ihr zu bewegen. Ich spürte, wie sich meine Feuchtigkeit auf ihren Fingern verteilte, spürte, wie ich immer heftiger atmen musste. Ich wollte sie noch intensiver spüren.

Als ob sie meine Gedanken erraten hatte, spürte ich plötzlich ihre Finger in mir, die sich wild bewegten. Ich bäumte mich etwas auf, saß nun auf ihr und bewegte mich auf und ab. Ihre andere Hand spielte dabei mit meiner Brustwarze. Je tiefer und schneller sie in mich eindrang, desto schneller bewegte ich mich auf ihr. Ich spürte die Welle nahen. Lindas Finger schienen genau zu wissen, was sie zu tun hatten. Ich stieß einen lauten Schrei aus, als ich endlich kam.

Erschöpft und glücklich ließ ich mich auf Lindas Brust sinken und schlief selig lächelnd ein.

Eindringling

»Hallo, Anna, ich bin’s.«

»Steffi? Ich kann dich kaum verstehen. Die Verbindung ist sehr schlecht.«

Ein erneutes Krachen ertönte aus der Leitung. Diesmal so laut, dass Steffi den Hörer ein Stück von ihrem Ohr weghielt.

»Anna, hörst du mich noch?« fragte sie schließlich.

»Ja, Schwesterherz. Nun geht es etwas besser.« Anna wartete einen Moment, aber da Steffi nichts sagte, fuhr sie fort. »Wie war die Fahrt? Bist du gut in Dänemark angekommen?«

»Ja, es lief alles wie geschmiert. Die Fahrt war zwar ziemlich anstrengend, aber dafür entschädigt mich dieses Ferienhaus hier für einiges. Ich habe einen Whirlpool und eine Sauna. Und das Beste daran ist, dass ich das alles ganz für mich allein habe. Ich sollte mir diese Hütte vielleicht kaufen, dann würde ich mehr Zeit hier oben an der Küste verbringen als daheim.«

»Nun mal langsam«, lachte Anna. »Genieße deinen Urlaub, aber dann kommst du schön brav wieder zurück.«

»Mal sehen«, scherzte Steffi. »Aber nun werde ich mich erst einmal in der Sauna erholen. Ich habe sie gleich vorgeheizt, als ich zur Tür rein bin. Sie dürfte also langsam schon schnuckelig warm sein.«

Anna seufzte neidisch auf. »Du Glückspilz. Lass es dir gutgehen, und melde dich mal, ja?«

»Mach’ ich«, entgegnete Steffi, die in Gedanken schon in der Sauna lag und schwitzte. »Und grüß alle von mir.«

Steffi wollte noch das Haus inspizieren, bevor sie in die Sauna ging. Außerdem musste sie ihr Gepäck verstauen, weil sie ein Handtuch brauchte. Da das Haus für bis zu sechs Personen gedacht war, gab es drei Schlafzimmer, jeweils mit einem Doppelbett. Steffi wollte sich gerade eines davon aussuchen, als sie von einem lauten Motorengeräusch aufgeschreckt wurde. Sie spähte durchs Fenster und sah, dass ein Auto direkt in »ihre« Einfahrt fuhr. Wahrscheinlich die alte Dame, bei der sie vorhin den Schlüssel für ihr Häuschen abgeholt hatte. Sie hatte den Hausschlüssel für Steffis Ferienhaus nicht finden können und ihr deshalb nur die Ersatzschlüssel mitgegeben. Sicherlich brachte sie die Originalschlüssel vorbei.

Steffi ging hinaus auf die Terrasse und beobachtete, wie eine Frau, die wesentlich jünger als die Verwalterin aussah, ihr Auto direkt hinter Steffis Golf in der Einfahrt parkte. Als sie das deutsche Nummernschild sah, war sie vollends verwirrt.

»Kann ich Ihnen helfen?« fragte Steffi, als die Frau, die ebenso verwirrt dreinblickte, mit Einkaufstüten beladen auf sie zukam.

»Dasselbe wollte ich Sie gerade fragen. Was in aller Welt machen Sie in MEINEM Ferienhaus?«

»IHR Ferienhaus?« Steffi versuchte das besitzanzeigende Wort ebenso auszuspucken, wie es die Frau getan hatte. Dabei kramte sie in ihrer Hosentasche nach dem Hausschlüssel und hielt ihn in die Höhe. »Wenn das IHR Ferienhaus ist, wie kommt es dann, dass ICH die Schlüssel dazu habe?«

Der Eindringling, wie Steffi die Frau insgeheim nannte, baute sich nun direkt vor Steffi auf, stellte ihre Einkaufstüten geräuschvoll neben sich ab und hielt nun ihrerseits einen Schlüssel vor Steffis Nase. »Schöner Mist«, sagte sie mit einem Kopfschütteln. Sie schien allerdings nicht böse zu sein, sondern sich über diese Situation zu amüsieren.

»Nun wird mir einiges klar.« Steffi fuhr sich durch das kurze, blonde Haar und erzählte der Fremden die Geschichte mit dem Ersatzschlüssel.

»Na, dann ist ja alles geklärt«, entgegnete die Fremde mit einem Lächeln. »Sie hat eine von uns in die falsche Hütte verfrachtet. Was halten Sie davon, wenn wir kurz zusammen dorthinfahren und abklären, wer nun umziehen muss?«

»Das klingt nach einer sehr vernünftigen Idee. Da sie mich zugeparkt haben, mache ich Ihnen einen Vorschlag: Wir nehmen Ihren Wagen, dafür dürfen Sie Ihre Einkäufe in meinem Kühlschrank verstauen«, schlug Steffi mit einem Augenzwinkern vor.

»Ganz schön gerissen«, entgegnete der Eindringling lachend. »Aber wenn ich nur einen Ersatzschlüssel hätte, würde ich hier keine so großen Töne spuken.«

Als sie in Katjas – sie hatten sich inzwischen bekannt gemacht – Auto saßen, fiel Steffis Blick sofort auf das Autoradio. Rechts davon klebte ein großer Aufkleber in den Regenbogenfarben.

»Netter Aufkleber«, schmunzelte sie, als Katja rückwärts aus der Einfahrt fuhr.

Katja lächelte nur mit einem vielsagenden Blick zurück.

Steffi hatte ihren Finger kaum von der Türglocke genommen, da erschien die alte Frau auch schon in der Tür.

Entgegen sämtlicher Vorhersagen, dass alle Dänen sehr gut Deutsch oder Englisch sprachen, konnte diese Frau keines von beidem besonders gut. Mit einer Mischung aus Deutsch, Dänisch und Englisch, gepaart mit Mimik und Gestik, stellte sich schließlich heraus, dass das Unternehmen, welches die Ferienhäuser vermietete, einen Fehler gemacht hatte und beide auf das gleiche Haus gebucht waren.

Es dauerte weitere fünf Minuten, um der Frau klarzumachen, dass sie doch nun einfach einer von ihnen eine neue Hütte geben sollte.

Die Dame schüttelte nur den Kopf. »Sommer full«, sagte sie.

Steffi verdrehte die Augen und wandte sich ab.

»Hey, das ist doch kein Drama. Wir werden uns doch deshalb nicht die Laune verderben lassen«, versuchte Katja sie aufzumuntern. »Ich wollte zwar zwei Wochen allein sein, aber eigentlich ist das Haus doch groß genug für uns beide. Und wir müssen jede nur die Hälfte zahlen. Was halten Sie davon? Wollen wir eine WG für zwei Wochen bilden?«

Katjas Versuch, Steffi zu trösten, war wirklich süß. Doch Steffi wollte einfach allein sein. Nackt durchs Haus laufen, wenn ihr danach war, abends die Füße auf den Tisch legen und lesen oder sich oben ohne in der Sonne braten lassen. Steffi war den Tränen nahe. Sie wusste, dass die alte Frau recht hatte. Es war Sommer. Hochsaison. Sie würde wohl kaum so schnell etwas Anständiges finden. Also blieb ihr nur die Wahl zwischen einem Campingplatz oder einer WG. Sie hasste Camping über alles.

Katja stand immer noch dicht neben ihr und wartete auf eine Reaktion.

»Wenn es wegen . . .« Katja blickte zu der alten Frau, die ebenso abwartend in der Tür stand, und wählte dann ihre Worte sehr vorsichtig. »Wenn es wegen des Aufklebers an meinem Radio ist . . . Sie brauchen keine Angst zu haben. Versprochen. Ich werde ganz anständig sein.«

Nun hatte sie es tatsächlich geschafft, Steffi zum Lachen zu bringen. »Ich wusste gar nicht, dass es solche Vorurteile nun schon unter den Lesben gibt. Ich dachte immer, dass uns nur die Heteras für frauenverschlingende Monster halten.« Steffi sah Katja an und wartete auf ein Lachen. Aber außer einem schmalen Lächeln zeigte sie keine Reaktion.

Steffi winkte der alten Frau zu und lief zu Katjas Auto zurück.

»Können wir endlich?« fragte sie schelmisch.

»Ach du Scheiße«, entfuhr es Steffi, als sie zusammen ihr Haus betraten. »Ich hab’ die Sauna total vergessen.« Und dann stürmte sie auch schon ins Bad und weiter zur Sauna. Nach zwei Minuten kehrte sie wieder zurück. »Also, meine Sauna wäre jetzt perfekt vorgeheizt. Wäre es okay, wenn ich mich für eine Weile dorthin verziehe und wir später gemeinsam ein paar Einzelheiten klären?«

»Natürlich«, antwortete Katja. »Machen Sie ruhig.«

Als Steffi wieder im Bad verschwunden war, ließ Katja sich mit einem tiefen Seufzer auf die Couch plumpsen. Sie wäre gern mit in die Sauna gegangen, für sie gab es nichts Entspannenderes. Außerdem wäre sie gern in Steffis Nähe geblieben. Sie mochte diese Frau auf Anhieb. Und irgendwie erschien es ihr wie ein Wink des Schicksals, dass sie auf diese Art zusammenleben mussten.

Eigentlich wollte sie sich zwei Wochen lang Zeit für sich selbst nehmen, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie so viel Zeit wie möglich mit Steffi verbringen wollte. Doch Steffi schien davon nicht viel zu halten. Sie hatte ihr ja klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie lieber allein hier wäre. Und die Einzelheiten, die sie noch klären wollte, waren wahrscheinlich, wer wann ins Bad oder in die Küche durfte. Oder in die Sauna. War Steffi etwa so schüchtern, dass sie nicht mit Katja zusammen in der Sauna liegen wollte? Oder war es schlicht und ergreifend eine Flucht an einen Ort, wo sie garantiert nicht gestört wurde?

»Muss ich erst einen Eimer kaltes Wasser holen, oder kommen Sie auch so irgendwann wieder zu sich?«

Katja hatte gar nicht bemerkt, dass Steffi hinter ihr stand. Sie hatte sich nur ein Handtuch umgewickelt. Offensichtlich hatte sie Katja etwas gefragt, was diese nicht gehört hatte.

»Ähm . . . was ist?« fragte Katja schließlich sichtlich verstört. Woran sicher auch Steffis Anblick nicht ganz unschuldig war.

»Ich habe gefragt, ob Sie nicht auch in die Sauna kommen wollen. Jetzt, da schon mal angeheizt ist. Wäre doch Verschwendung, wenn wir das nicht zusammen nutzen würden.«

Das hatte Katja nun davon. Gerade noch hatte sie Steffi den Schwarzen Peter zugeschoben, und jetzt war es an ihr, ihre Schüchternheit abzulegen. Krampfhaft suchte sie nach einer Ausrede. Aber Steffi ließ ihr keine Chance.

»Ich geh’ dann schon mal vor.«

Während Katja nach einem großen Handtuch kramte, fragte sie sich, ob es wohl sehr albern wäre, in T-Shirt und Shorts in die Sauna zu gehen. Sie spielte auch ernsthaft mit dem Gedanken, Steffi einfach nicht zu folgen. Aber die Erinnerung daran, wie sie hier gestanden hatte, nur in ein Handtuch eingewickelt, weckte Katjas Abenteuerlust.

Als sie die Sauna betrat, schien Steffi sie gar nicht zu bemerken. Sie lag auf dem Bauch und hatte ihren Kopf zwischen ihren Armen vergraben. Katja zog das Handtuch noch einmal fester um sich und setzte sich dann auf die unterste Stufe. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und ließ ihren Blick über Steffis Rücken schweifen. Es bildeten sich bereits kleine Schweißperlen. Katja musste schwer schlucken, als sie sich vorstellte, wie es wohl unter dem Handtuch aussah. Dabei hatte sie gar nicht gemerkt, dass Steffi den Kopf nun auf ihre Hände gestützt hatte und Katja direkt ins Gesicht sah.

»Entschuldigen Sie . . .«, stammelte Katja verlegen.

»Schon mal was von Knigge gehört?« fragte Steffi mit einem bemüht neutralem Ton.

Katja wusste nicht so recht, worauf sie hinauswollte, und schüttelte nur den Kopf.

»Absatz 12, Paragraph 3: Wenn zwei Frauen allein in der Sauna sind, ist es ihnen fortan gestattet, sich zu duzen. Zitatende.«

Katja warf den Kopf zurück und lachte lauthals los. »Na, wie schön, dass du deinen Humor wiedergefunden hast.«

»Tut mir leid, aber ich habe mich so darauf versteift, hier ein paar Tage meine Ruhe zu haben. Du warst für mich einfach ein Eindringling. Ein ungebetener Gast. Aber wir sollten beide einfach das Beste aus dieser Situation machen. Und wenn ich mich nicht mehr so anstelle, wird es vielleicht ganz lustig.« Man konnte deutlich sehen, wie schwer es Steffi fiel, das zu sagen.

»Ein süßes Friedensangebot, ein Gang in die Sauna. Ich hoffe, ich kriege deshalb keinen Ärger mit deiner Freundin.« Katja war stolz auf sich, dass sie diese Frage so geschickt verpackt hatte.

Steffi wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn. »Wenn ich eine hätte, dann hätte sie bestimmt was dagegen. Einer der wenigen Vorteile des Singlelebens: Man darf in die Sauna, mit wem man will.« Dann schenkte sie Katja wieder ein liebes Lächeln und ein Augenzwinkern. »Und wie sieht es bei dir aus? Irgendwelche eifersüchtigen Liebhaberinnen zu erwarten?«

»Ach, LiebhaberINNEN gleich? Wie viele traust du mir denn zu?« Katja hob die Augenbrauen und sah gespannt zu Steffi.

»Hmm.« Steffi betrachtete Katja mit einem abschätzenden Blick. »Also, wenn ich dein Aussehen betrachte, dann würde ich auf ein gutes Dutzend tippen. Aber wenn ich in deine Augen schaue, dann würde ich sagen: eine!«

»Aha«, entgegnete Katja. »Und was heißt das nun im Klartext?«

»Das heißt mit anderen Worten, dass es mich nicht wundern würde, wenn dir die Frauen reihenweise nachliefen, so, wie du aussiehst. In deinen Augen kann man aber lesen, dass du nicht der Typ dazu bist, dich auf so was einzulassen.«

Nun war Katja völlig sprachlos. Vor ein paar Minuten noch hatte sie sich über ihren cleveren Schachzug gefreut, Steffi mehr oder weniger galant über ihr Privatleben auszufragen. Nun hatte sich das Blatt gewendet. Und nicht nur das. Sie wiederholte Steffis Worte im stillen. Ja, das war eindeutig ein Kompliment.

Die Hitze in der Sauna wurde unerträglich. Katja wollte so schnell wie möglich heraus.

»Und?« hakte Steffi nach.