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Ruth Gogoll

L WIE LIEBE

Staffel 3

Originalausgabe:
© 2010
ePUB-Edition:
© 2013

édition el!es

www.elles.de
info@elles.de

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-021-9

1. Kapitel

   Peep Peep   

Marlene stand vor dem schäbigen Gebäude im Bahnhofsviertel und betrachtete die Fotografien in den Schaukästen am Eingang.

Bilder grell geschminkter Frauen, deren ursprüngliche Gesichter man kaum noch erkennen konnte. Gut, das sah sie jeden Tag, wenn sie beim Dreh war, das war nichts Besonderes.

Allerdings waren diese Frauen hier keine Kolleginnen, jedenfalls nicht direkt, weshalb sie sich von ihnen etwas mehr . . . Anregung erhoffte. Da hatte Carmen recht gehabt, die fehlte ihr wirklich in letzter Zeit, die Anregung, die tatsächliche Erregung, nicht die für andere vor der Kamera gespielte.

Ein Bordell kam für sie als Frau nicht in Frage, die ließen sie gar nicht rein, aber eine Peepshow – da konnte ihr niemand den Eintritt verweigern.

Sie ging durch einen dunklen, gekachelten Tunnel, der so roch, wie es halt riecht, wenn Männer den Weg zur Toilette nicht mehr finden, nach hinten zum Eingang des ehemaligen Kinos, das jetzt die Kabinen für – üblicherweise – Männer beherbergte, die sich gegen ein paar Euro Entgelt die intimen Körperteile einer Frau näher betrachten wollten.

Marlene musterte die Türen der Kabinen. Die meisten standen offen, es war noch früh am Tag. Sie suchte sich eine aus und ging hinein. Selbst sie verzog bei diesem Geruch das Gesicht. Nach Sperma und männlichen Ausdünstungen roch es auch im Studio, wenn sie drehte, aber hier, in dieser Enge, war der Geruch noch mehr verdichtet, eigentlich unerträglich. Er hing in jeder Faser.

Aber sie war ja hart im Nehmen. Sie setzte sich auf den Stuhl, der vor der jetzt noch durch eine Jalousie verdeckten Scheibe stand. Der Stuhl klebte, aber davon ließ sie sich nicht abhalten.

Sie zog ihr Portemonnaie aus der Hosentasche und sammelte ein paar Euro zusammen. Obwohl es ja eigentlich widersinnig war, ihr bei den Pornos verdientes Geld hier auszugeben, steckte sie eine Münze in den Schlitz.

Die Jalousie fuhr hoch. In der Mitte der Präsentationsfläche spreizte eine Frau gerade ihre Beine vor einem der Fenster. Marlene sah nur ihren Rücken. Die Frau hörte hinter sich die Jalousie von Marlenes Kabine hochfahren und drehte sich um.

Sie tanzte gespielt wollüstig auf Marlenes Fenster zu, spreizte erneut ihre Schenkel und präsentierte ihre Mitte der glitzernden Scheibe.

Dann drehte sie sich um, präsentierte ihr Hinterteil und zog von hinten ihre Schamlippen auseinander, so dass Marlene fast in sie hineinsehen konnte.

Marlene öffnete ihre Hose und glitt mit ihrer Hand in ihren Slip. Plötzlich erstarrte sie. Die Frau hatte sich vor ihr Fenster gesetzt, und nun konnte sie ihr Gesicht sehen.

Carmen.

Das war also der Zweitjob, von dem sie gesprochen hatte.

In diesem Moment fuhr die Jalousie herunter, die Zeit war um.

Marlene saß da, mit ihrer Hand in der Hose, reglos und auch ein wenig fassungslos. Sie war hierhergekommen, um andere Frauen zu sehen, und nun sah sie die, mit der sie ohnehin schon jeden Tag –

Sie schüttelte heftig den Kopf, als müsste sie erst wieder zu sich kommen.

Wie eine Marionette nahm sie dennoch die nächste Münze und warf sie in den Schlitz.

Die Jalousie fuhr erneut hoch. Carmen hatte sich mittlerweile wieder abgewandt, weil ein anderer Kunde gekommen war. Anscheinend fing das Geschäft jetzt an zu laufen. Sie konnte sich nicht mehr so intensiv um jeden einzelnen kümmern und versuchte in der Mitte der Fläche zu bleiben und sich dort zu drehen, so dass alle etwas sehen konnten.

Marlene beobachtete sie, aber die Hand in ihrer Hose blieb still. Sie kannte jeden Zentimeter von Carmens Körper zu genau. Nicht der kleinste Teil war ihr unbekannt. Und sie hatte all diese Teile weit tiefgehender erforscht, als es ihr hier möglich war.

Sie zog ihre Hand aus der Hose und schloss den Reißverschluss. Das war wohl ein Schuss in den Ofen. Warum hatte Carmen ihr das nicht sagen wollen? Da war ja nun wirklich nichts dabei. Es war in der Tat viel harmloser als das, was sie so oft im Studio taten.

Sicherlich würde Carmen die Show irgendwann an eine Kollegin abgeben, aber Marlene hatte keine Lust, so lange zu warten. Und ohnehin war ihr die Lust vergangen.

Ein ganz neues Gefühl für sie, dem sie seit einiger Zeit so oft ausgesetzt war. Sie atmete tief durch und verzog erneut das Gesicht wegen des Geruchs, der ihr nun sehr viel störender erschien als am Anfang.

Früher hätte sie sich so etwas nie träumen lassen. Sie hatte immer Lust gehabt, mehr als Frauen, die sie befriedigen konnten. Sie konnte von jetzt auf gleich auf hundert sein, wenn es nötig war . . . wenn es schnell gehen musste.

An Tankstellen auf der Autobahn hatte sie oft nicht viel Zeit gehabt. Der Plan war eng. Die Toilette der Raststätte oder die Kabine ihres Sattelschleppers hatten gerade mal ein paar Minuten herhalten müssen. Die Kellnerin – oder wer immer es war – kletterte herein, zog sich noch nicht einmal aus, legte nur die entscheidenden Teile frei, und Marlene hatte ihre Befriedigung innerhalb kürzester Zeit.

Erneut atmete sie tief durch und seufzte. Das waren wirklich schöne Zeiten gewesen. Nicht zu vergleichen mit heute. Viel Sex, keine Befriedigung. Einfach nur verkehrte Welt.

Sie zog die Nase kraus. Der Geruch war mittlerweile so widerlich geworden, dass sie entschied, sich hier nicht mehr länger aufzuhalten. Sie warf noch einen letzten Blick auf Carmen, und als die Jalousie herunterfuhr, verzichtete sie darauf, eine weitere Münze zu verschwenden.

Sie stand auf und ging.

2. Kapitel

   Funkeln im Dunkeln   

»Kleiderordnung in der Firma . . . du hast keinen besonderen Job, sitzt den ganzen Tag nur im Büro . . .« Carolin hob strafend einen Finger. »Meine Güte, hast du mir einen Bären aufgebunden . . .«

»Stimmt doch«, wehrte sich Rebekka. »Ich sitze fast den ganzen Tag im Büro. Am Schreibtisch – oder in irgendwelchen Besprechungen. Und das Kostüm . . . na ja, das muss ich schon tragen.«

»Weil du die Chefin eines Riesenfamilienunternehmens bist«, stellte Carolin tadelnd fest. »Nicht, weil dein Boss es von dir verlangt.«

»Was ist der Unterschied?« fragte Rebekka. »Ich kann hier nicht in Radlerhosen sitzen, so oder so.«

Carolin schüttelte lächelnd den Kopf. Dann setzte sie sich auf Rebekkas Schoß und schaute sie zärtlich an. »Mir wäre es völlig egal, wie du angezogen bist. Ich liebe dich in jeder Verpackung.« Sie beugte sich vor und küsste Rebekka sanft auf den Mund.

Rebekkas Augen glitzerten im Licht der Schreibtischlampe. »Tu mir so was nicht an«, sagte sie leise. »Ich muss noch arbeiten.«

»Und ich halte dich davon ab.« Carolin stand auf. »Wie immer.«

»Tut mir leid . . .« Rebekka schluckte. »Du weißt –«

»Ich weiß.« Carolin seufzte. »Deine Sekretärin ist schon vor Stunden nach Hause gegangen, und ich bin hergekommen, nachdem ich Überstunden gemacht habe noch und nöcher . . ., aber du sitzt immer noch hinter deinem Schreibtisch und findest das normal.«

»Es ist . . . so viel zu tun«, wehrte Rebekka sich schuldbewusst.

»War der romantische Mondaufgang nur eine Ausnahme?« fragte Carolin. »Um mich herumzukriegen? Und nun machst du weiter wie vorher?« Als sie Rebekkas Blick sah, glitt sie wieder auf ihren Schoß. »Entschuldige«, flüsterte sie und nippte an Rebekkas Lippen. »Ich wollte das nicht sagen. Aber ich sehe dich fast nie. Du fehlst mir.«

Rebekka schluckte erneut. »Du fehlst mir auch«, erwiderte sie rau. »Jede Minute, die ich dich nicht sehen kann, ist eine Qual für mich. Aber was soll ich machen? Ich habe keine Wahl.«

»Du wirst noch zu unserer Hochzeit zu spät kommen . . . falls sie je stattfinden sollte«, bemerkte Carolin. »Denn ich fürchte, du kannst sie nicht in deinen vollen Terminplan einbauen.«

»Das kann ich.« Auf einmal lächelte Rebekka. »Oder meine Sekretärin kann es. Sie wird das schon hinkriegen. Und Termine halte ich immer ein.« Vorsichtig fuhr sie mit einer Hand über Carolins Brust. »Ich würde jetzt so gern aufhören zu arbeiten«, wisperte sie sehnsüchtig.

»Dann tu es doch.« Carolin wisperte zurück und drängte sich an Rebekka.

»Ich kann nicht«, flüsterte Rebekka. »Aber vielleicht . . . eine kleine Unterbrechung.« Sie hob Carolin auf den Schreibtisch.

Carolin schloss die Augen. »Bitte nicht auf dem Schreibtisch, Rebekka. Bitte nicht . . .«, hauchte sie. Plötzlich sah sie wieder Ina vor sich, wie sie dasselbe versucht hatte. Es brachte Erinnerungen zurück, die sie lieber verdrängen wollte.

Rebekka betrachtete nachdenklich ihr Gesicht. »Das bringt auch alle meine Papiere durcheinander. Du hast recht«, sagte sie dann. Sie lächelte und strich zärtlich über Carolins Wange.

Carolin öffnete die Augen. »Es tut mir leid.« Sie schluckte. »Es hat nichts mit dir zu tun, ich habe nur –«

Rebekka legte einen Finger über ihre Lippen. »Scht. Du musst mir nichts erklären.«

Carolin umarmte sie und schmiegte sich an sie. »Ich liebe dich so, Rebekka«, wisperte sie, »aber es ist noch nicht so lange her, dass –«

Erneut unterbrach Rebekka sie. »Das verstehe ich sehr gut«, erwiderte sie leise. Sie streichelte Carolin sanft. Dann schob sie sie leicht von sich, so dass sie vom Schreibtisch gleiten konnte. »Ich habe etwas für dich«, sagte sie und zog eine Schreibtischschublade auf. »Bitte, wirf es mir nicht vor die Füße. Das wäre schade.« Sie nahm ein kleines Schächtelchen heraus und reichte es Carolin. »Mach es auf.«

Carolin schaute skeptisch auf die Schachtel. Nach kurzer Überlegung öffnete sie sie aber doch. Sie starrte hinein. Dann blickte sie auf. »Hat den deine Sekretärin ausgesucht?« fragte sie mühsam. »Du hast doch gar keine Zeit für so etwas.«

Rebekka verzog belustigt die Lippen. »Nein, das war nicht meine Sekretärin. Es ist der Verlobungsring meiner Mutter. Sie hat ihn mir gegeben – für dich.«

»Sie ist wahnsinnig«, hauchte Carolin mit einem erneuten Blick auf den Ring. Dann schaute sie Rebekka an. »Du bist wahnsinnig«, fügte sie etwas fester hinzu. »Ihr beide. Der ist doch ein Vermögen wert.«

»Er war sicherlich nicht billig, als mein Vater ihn gekauft hat«, gab Rebekka zu. »Aber darum geht es nicht. Ich hätte dir auch einen Ring aus dem Kaugummiautomaten schenken können. Aber dieser hier ist angenehmer zu tragen.« Sie schmunzelte.

»Ach, nur deshalb . . .« Carolin musste lachen. Wieder betrachtete sie den Ring auf dem blauen Samt. »Er ist wunderschön«, sagte sie leise. Ihr blieb fast die Stimme weg. »Unglaublich schön.«

»Acht Karat«, sagte Rebekka. »Etwas Größeres hätte meine Mutter wohl nicht angenommen.« Sie lächelte. »Aber er ist absolut lupenrein.«

Carolin war immer noch fassungslos. »Ja sicher, nur acht Karat.«

»Und auf einzigartige Weise geschliffen«, fuhr Rebekka fort. »Mein Vater hat ihn damals extra vom besten Diamantenschleifer in Amsterdam schleifen lassen, auf eine ganz spezielle Art. Es gibt keinen zweiten Ring wie diesen auf der Welt.«

Carolin betrachtete den Ring erneut, schloss die Schachtel und gab sie Rebekka zurück. »Ich kann das nicht annehmen, Rebekka. So viel verdiene ich im ganzen Jahr nicht, was der kostet. In mehreren Jahren.«

»Du musst ihn ja nicht bezahlen.« Rebekka schaute sie bittend an. »Es ist nur eine Geste. Ich möchte dir damit zeigen, wie . . .«, sie schluckte, »wie wichtig du mir bist.«

»Eine sehr teure Geste«, entgegnete Carolin. »Das geht nicht, Rebekka. Ich kann nichts von dir annehmen, was ich nicht auch selbst bezahlen könnte. Sonst käme ich mir vor wie –«

Rebekka atmete tief durch und drehte die Schachtel in ihren Händen. »Wie eine der Frauen, die ich kannte und die diesen Ring mit Freuden angenommen hätten«, setzte sie fort. Sie seufzte. »Es ist wirklich nicht einfach mit dir.« Sie öffnete die Schachtel. »Auch wenn du ihn nicht haben willst, ich würde . . . ich würde ihn dir so gern einmal anstecken«, sagte sie leise. Sie verzog unsicher das Gesicht. »Nur um zu sehen, wie er aussieht. An deiner Hand.« Sie nahm den Ring heraus und hielt ihn in den Fingern. »Bitte . . .«

Carolin zögerte. Dann überwand sie sich. »Na gut«, sagte sie. »Aber danach legst du ihn wieder in deinen Schreibtisch zurück.«

»Versprochen«, sagte Rebekka. Sie nahm Carolins Hand, streichelte sie und schob den in Gold gefassten Brillanten langsam über den Ringfinger.

Carolin hatte das Gefühl, sie würde gleich in Ohnmacht fallen. So etwas hatte sie noch nie empfunden. Sie wusste nicht, warum. Es war doch nur ein Ring.

»Passt«, sagte Rebekka. »Wie für dich gemacht.« Sie lächelte Carolin an.

Carolins Knie gaben nach, sie konnte nichts dagegen tun, sie sank auf den Teppich.

»Oh Gott . . .« Rebekka kniete sich schnell neben sie. »Was ist los? Ist dir schwindelig?« Sie schaute Carolin besorgt an.

»Das hast du gewusst.« Carolins Stimme war nur wie ein Hauch. Sie räusperte sich. »Du hast gewusst, was das bewirkt.« Sie hob die Augenbrauen.

Rebekka lachte erleichtert auf. Anscheinend war Carolin nichts geschehen. »Nein«, sagte sie. »Mir hat noch nie jemand so etwas geschenkt, und die Frauen, die ich bisher kannte –« Sie brach ab. »Nein«, wiederholte sie. »Ich hätte nicht im entferntesten ahnen können, was für eine umwerfende Wirkung das auf dich hat.«

»Umwerfend im wahrsten Sinne des Wortes«, seufzte Carolin. »Wie peinlich.«

»Aber nein.« Rebekka beugte sich über sie und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. »Süß. Es ist einfach nur süß.« Sie lächelte. »So wie du eben bist.«

Carolin schüttelte leicht den Kopf. »Und du bist unmöglich.« Sie hob einen Arm und legte ihn um Rebekkas Nacken. »Unwiderstehlich unmöglich«, fügte sie flüsternd hinzu und zog Rebekka zu sich heran.

Rebekka ließ sich leicht auf sie sinken. »Ist der Teppich weich genug?« fragte sie sehr leise. Ihre Augen musterten Carolins Gesicht.

»Ja«, flüsterte Carolin. »Weich genug für alles.«

Rebekkas Hände wanderten über ihren Körper und begannen sie auszuziehen.

3. Kapitel

   Verlorene Tage   

»Ich bin schwanger, Chris.« Sabrinas Stimme schwebte tonlos von der Tür zu Chris herüber.

Chris blickte auf. Sie war so überrascht, dass sie nichts sagen konnte.

Sabrina legte die Hände ineinander und sah sie an. »Ich . . . ich – Wenn du willst, gehe ich. Ich kann nicht von dir verlangen, dass du – Nicht noch einmal.« Sie drehte sich um und ging schnell ins Wohnzimmer zurück.

Chris, immer noch sprachlos, sprang auf und folgte ihr. »Sabrina, ich . . . nein . . . von wem . . .?« stammelte sie endlich.

Sabrina setzte sich auf die Couch, die sie nun als Bett benutzte. »Ich habe keine Ahnung«, antwortete sie gehaucht, fast unhörbar.

»Du hast . . . keine Ahnung?« Chris schluckte.

Sabrina blickte auf und machte ein abschätziges Geräusch. »Was denkst du jetzt? Dass es so viele waren, dass ich nicht einmal mehr weiß, wer der Vater sein könnte?«

Chris starrte sie erneut sprachlos an.

Sabrina atmete tief durch. »Vielleicht hast du recht«, sagte sie. Noch einmal stieß sie die Luft aus. »Wahrscheinlich«, fügte sie nüchtern hinzu. Sie stand auf. »Ich kann dir das nicht zumuten«, sagte sie. »Ich dachte, wir könnten – Aber es geht wohl nicht.«

»Ich . . . Sabrina . . .« Chris ging auf sie zu und machte eine Geste, als wollte sie sie in die Arme nehmen.

Sabrina wich zurück. »Nicht, Chris«, sagte sie leise. »Ich kann das nicht.«

»Warum nicht?« Chris blieb stehen und schaute sie gequält an. »Was ist passiert?«

Sabrina schloss die Augen, öffnete sie wieder und warf einen fast uninteressierten Blick auf Chris. »Was schon?« erwiderte sie kühl. »Das, wobei ein Kind herauskommt.«

»Du hast doch früher nie . . . mit Männern . . .« Chris war erschüttert.

»Dann habe ich es mir wohl anders überlegt«, sagte Sabrina. Sie stieß in einer endgültigen Geste die Luft aus. »Lass uns nicht mehr darüber reden. Mit dir hat das ja – offensichtlich – nichts zu tun.«

»Auch nicht mit Anna«, sagte Chris.

»Nein, auch nicht mit Anna. Ich muss selbst damit fertigwerden.« Sabrina schien auf einmal sehr unbeteiligt. »Weder sie noch du könnt mir dabei helfen.«

»Was . . . was willst du tun?« fragte Chris. Sie fühlte sich völlig aus der Bahn geworfen.

»Abtreiben«, antwortete Sabrina teilnahmslos, als hätte sie diese Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen. »Etwas anderes kommt wohl nicht in Frage.«

»Aber . . . aber – Es war immer dein größter Wunsch, ein Kind zu haben.« Chris setzte sich auf einen Stuhl. Sie wusste nicht, wie Sabrina das schaffte, aber sie selbst hatte keine Kraft mehr.

»Mit dir«, erwiderte Sabrina. »Nicht –«

»Hast du es deshalb getan?« Chris blickte sie verständnisvoll an. »Weil es so schwierig für uns gewesen wäre, ein Kind zu bekommen?« Sie betrachtete Sabrina fragend, aber die sagte nichts, stand nur da. »Das würde ich verstehen«, fügte Chris sanft hinzu. »Du musst deshalb nicht –«

»Ich muss mich nicht schämen, meinst du?« Sabrina fiel geradezu höhnisch ein. »Weil ich mit einem Mann geschlafen habe – oder mit vielen Männern – um dieses Ziel zu erreichen? Das, was wir uns so lange gewünscht haben?«

»Sabrina . . .« Chris stand auf. Sie wollte Sabrina jetzt unbedingt berühren, in den Arm nehmen, aber sie wusste, dass das nur zu noch mehr Schwierigkeiten führen würde. Also blieb sie einfach stehen. »Es ist der einfachste Weg.«

Sabrina lachte hohl auf. »Ja, Millionen Frauen tun das jeden Tag, nicht wahr?«

»Ja«, erwiderte Chris ruhig. »Millionen Frauen tun das jeden Tag. Es wäre nichts dabei.«

Sabrina legte hoffnungslos den Kopf zurück, schloss die Augen, verharrte einen Moment so und schaute Chris dann wieder an. Sie senkte ihr Gesicht, legte es in ihre Hände. »Aber wir sind nicht wie diese Millionen Frauen«, erwiderte sie dumpf.

»Aber . . . wenn . . .« Chris schluckte. »Wenn wir es gemacht hätten, hättest du dich auch . . . befruchten lassen müssen«, brachte sie mühsam hervor.

Sabrina schaute sie an. »Denkst du wirklich, das ist dasselbe?«

Chris senkte den Kopf. »Nein«, sagte sie leise. »Wohl nicht.« Sie hob den Kopf wieder und musterte Sabrinas Gesicht besorgt. »Mach dir nicht schon wieder Vorwürfe«, sagte sie. »Bitte nicht . . .« Sie streckte eine Hand nach Sabrina aus, ohne sie zu berühren. »Das führt doch zu nichts.«

»Oder zu schrecklichen Dingen«, ergänzte Sabrina so geistesabwesend, als wäre Chris gar nicht da.

»Welche . . . schrecklichen Dinge?« fragte Chris schluckend.

Sabrina schien wie aus einem Traum zu erwachen. »Oh, nichts«, sagte sie. »Zu einer ungewollten Schwangerschaft zum Beispiel. Mehr wollte ich nicht sagen.«

»Sabrina . . .« Chris trat einen Schritt auf sie zu, immer noch ohne sie zu berühren. »Seit du . . . zurückgekommen bist, haben wir nie mehr miteinander gesprochen. Nicht richtig. Es ist heute das erste Mal, dass wir überhaupt über etwas anderes sprechen als den Einkauf. Willst du, dass es so bleibt? Ist das dein Wunsch? Warum bist du dann zurückgekommen?«

Sabrina schaute sie lange an. »Ich weiß es nicht«, sagte sie dann. »Ich weiß ja noch nicht einmal, wie –« Sie schwankte.

Chris sprang auf sie zu und fing sie auf. Sabrina wehrte sich nicht, als sie sie berührte. Sie hing in ihrem Arm wie eine leblose Puppe, aber sie war nicht ohnmächtig.

»Es hat ja alles keinen Sinn«, flüsterte sie schwach.

»Doch.« Chris ließ sie langsam auf die Couch hinuntersinken. »Es hat einen Sinn. Mein Sinn im Leben ist, dass ich dich liebe . . . dich lieben darf. Und früher –«

»Früher.« Sabrina schaute sie von unten herauf an. »Was früher war, ist vorbei, Chris. Es kommt nie mehr wieder.«

»Nie mehr?« Chris sah gequält auf sie hinunter.

»Nie mehr«, wiederholte Sabrina hoffnungslos. »Es ist zu viel passiert.«

»Du liebst mich nicht mehr?« fragte Chris mit toter Stimme.

Sabrina drehte den Kopf zur Seite. »Chris«, flüsterte sie erstickt. »Oh mein Gott, Chris, warum fragst du mich das?«

»Hast du dich das nicht selbst schon oft gefragt?« entgegnete Chris. »Warum bist du sonst gegangen? Warum gab es einen Grund für dich zu gehen?«

»Weil ich schwach war«, hauchte Sabrina. »Viel zu schwach, um dir gerecht zu werden.«

Chris schüttelte den Kopf. »Du bist mir immer gerecht geworden, mehr als das. Wie kommst du nur auf so einen Gedanken?« Sie schluckte. »Vielmehr hatte ich immer das Gefühl, ich könnte . . . dir nicht gerecht werden. Du bist so eine . . . wundervolle Frau. Viel zu wundervoll für mich.« Und wenn ich ihr gerecht geworden wäre, hätte sie ja auch nicht zu Anna gehen müssen, dachte sie. Das war der endgültige Beweis, dass ich nicht gut genug für sie war.

»Ich weiß, dass du . . .«, Sabrina drehte den Kopf zu ihr zurück, »mich liebst«, sagte sie sehr leise. »Aber ich bin . . . dieser Liebe nicht würdig. Das siehst du jetzt ja endgültig.«

»Verdammt, Sabsi!« Chris hielt es nicht mehr aus. Ihr Innerstes explodierte vor Verzweiflung. »Hör auf damit, zum Teufel noch mal!« Sie lehnte sich zu Sabrina hinunter und nahm sie an den Schultern, schüttelte sie.

Sabrina erstarrte, wurde steif wie ein Brett, schien sich in sich zurückzuziehen, wehrte sich nicht.

Chris ließ sie los. »Entschuldige«, flüsterte sie betroffen. Sie richtete sich auf und fuhr sich durch die Haare. »Das wollte ich nicht. Bitte verzeih mir.« Sie schaute auf Sabrina hinunter, setzte sich neben sie auf die Couch, erneut ohne sie zu berühren. Sie betrachtete ihr verschlossenes, abwesendes Gesicht. »Wir dürfen nicht aufgeben«, sagte sie und versuchte ihre Stimme ermutigend klingen zu lassen, obwohl sie sich selbst nicht so fühlte. »Es war alles so leicht – seit wir uns getroffen haben. So wunderschön. Viel zu leicht und zu schön vielleicht. Jetzt müssen wir dafür bezahlen.« Sie atmete tief durch. »Aber ich denke, wir haben genug bezahlt. Es ist vorbei. Wir sind quitt mit dem Schicksal. Denkst du nicht?«

Es dauerte eine Weile, bis wieder Leben in Sabrina kam. Wenn man das so nennen konnte. Sie starrte an die Decke. »Ich erwarte ein Kind, Chris. Wie kann es da vorbei sein?« Ihre Stimme klang so weit entfernt, als wäre sie gar nicht da. Nur wie die Erinnerung an eine Stimme.

»Es ist dein Kind, Sabsi.« Chris konnte sich nicht mehr zurückhalten und strich Sabrina sanft über die Stirn. Diesmal erstarrte Sabrina nicht. Sie blieb einfach nur liegen. »Ein Teil von dir. Das steht zumindest fest.« Chris streichelte Sabrinas Wange. »Eine kleine Sabrina vielleicht«, fuhr sie zärtlich flüsternd fort, »die genauso aussieht wie du.«

Sabrinas Lippen bewegten sich, sie schienen zu zucken. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass ich sie nie, niemals Sabrina nennen werde«, erwiderte sie.

Chris lachte auf. Sie lachte so laut und erleichtert auf, dass es ihr selbst in den Ohren klang. »Ja«, sagte sie warm. »Ja, das hast du. Ich erinnere mich.« Sie schaute Sabrina innig an, mit all der Liebe, die sie für sie empfand. »Willkommen zu Hause, Sabsi«, hauchte sie. Sie hatte eigentlich ganz normal sprechen wollen, aber die Stimme kippte ihr weg. »Darf ich das sagen? Bitte . . . lass mich nicht –«

Sabrina hob eine Hand und legte einen Finger über ihre Lippen. »Noch nicht«, erwiderte sie verhalten. »Aber danke für das Willkommen.«

4. Kapitel

   Thekengespräche   

»Dein Nie wieder hat ja sehr lange gedauert«, sagte Rick grinsend.

Carolin boxte sie in den Arm. »Musst du gerade sagen.« Sie nahm ihren Milchshake und trank.

Melly kam aus der Küche. »Na?« begrüßte sie Carolin schmunzelnd. »Von dir hört man ja beneidenswerte Sachen.«

»Beneidenswert?« Carolin schaute sie irritiert an.

»Du hast dir die reichste Junggesellin der Stadt geangelt«, erklärte Melly mit amüsiert hochgezogenen Augenbrauen. »Das hat bisher noch keine von uns geschafft.«

»Ich wusste nicht, wer sie ist«, wehrte sich Carolin unbehaglich.

»Nein, du hast einfach nur ein Faible für attraktive Frauen.« Rick lachte und legte freundschaftlich einen Arm um ihre Schulter. »Unter die Kategorie fällt sie natürlich auch.«

»Schade, dass ich nicht besser hingeschaut habe, als sie hier war«, bedauerte Melly. »Ich wüsste gern, wie sie aussieht.«

»Groß, dunkel, seeehr sportlich«, beschrieb Rick Rebekka. »Eine Figur wie –« Sie warf einen Blick auf Carolin, die sie warnend anblitzte. Rick grinste. »Ich denke, was auch immer für sportliche Aktivitäten man mit ihr betreibt, das muss großen Spaß machen«, ergänzte sie schnell und wich Carolins Hand aus, die versuchte sie zu schlagen. »Ich dachte an Fahrradfahren«, fügte sie harmlos, aber von einem zum anderen Ohr feixend hinzu. »Was dachtest du denn?«

»Ich weiß, was du dachtest«, entgegnete Carolin strafend. »Und ich bin froh, dass Rebekka nicht hier ist, um zu hören, wie man über sie spricht.«

»Du wirst sie doch sicher mal mitbringen, oder?« fragte Melly. »Ich würde sie gern kennenlernen.«

Carolin seufzte. »Ja. Wenn ich sie von ihrer Arbeit loseisen kann.«

»Sie ist doch ihr eigener Boss«, wunderte Melly sich. »Kann sie sich da nicht mal freigeben?«

»Ich arbeite daran«, sagte Carolin. »Aber es ist nicht leicht. Sie trägt die Verantwortung für das ganze Unternehmen. Und sie trägt sie ganz allein. Sie denkt, wenn sie nicht da ist, bricht alles zusammen. Und würde es wahrscheinlich auch.«

»Na ja, einen Vorteil hat die Sache«, sagte Rick. »Du hast für alle Zeiten ausgesorgt.«

»Ich lasse mich nicht aushalten«, schnappte Carolin.

»Das sagt ja auch keiner. Wir können uns nur vor lauter Neid einfach nicht zurückhalten.« Rick knuddelte sie liebevoll. »Mensch, lass mich mich doch für dich freuen.«

»Nicht deshalb«, sagte Carolin. »Geld spielt keine Rolle zwischen uns.«

»Ach nein?« Melly zog zweifelnd die Augenbrauen hoch. »Tut es das nicht immer?«

»Nicht zwischen Rebekka und mir. Ich nehme keine Geschenke von ihr an.« Carolin schüttelte heftig den Kopf.

»Vielleicht lernst du das noch«, lächelte Melly. »Kann doch auch was Schönes sein.«

»Rebekka hat immer nur bezahlt«, sagte Carolin. »Es ist schwierig genug für sie zu lernen, dass ich keine dieser Frauen bin, die sie bisher . . . kannte.«

»Diese Blonde . . .« Rick kniff die Augen zusammen. »Die, mit der sie damals hier war. Das war auch so eine –«

»Das war Svenja«, erklärte Carolin unangenehm berührt. »Ich kenne sie nicht, deshalb sage ich nichts über sie.«

»Ich fand sie sehr . . . interessant«, sagte Rick. »Soweit ich mich erinnern kann. Äußerst lebenslustig, würde ich vermuten.«

»Ja, das könnte man sicherlich so sagen«, bestätigte Carolin. Auch wenn sie Svenja nicht kannte, aber sie erinnerte sich wahrscheinlich besser als Rick an jenen Abend, an dem sie sie gesehen hatte. Mit Rebekka. In Rebekkas Armen. Ein Schauer lief durch ihren Körper.

»Nichts für ungut.« Rick streichelte ihre Schulter. »Hauptsache, du bist glücklich. Rebekka hat auf mich einen sehr sympathischen Eindruck gemacht.«

»Ja.« Carolin seufzte. »Auf mich auch.«

Rick lachte. »Wohl etwas mehr als einen Eindruck«, neckte sie sie blinzelnd.

Carolin atmete tief durch. »Es ist nicht so, wie du denkst. Ich sehe sie kaum. Manchmal denke ich . . . ich bin nicht so wichtig für sie.« Sie schluckte.

Rick warf einen Blick über ihre Schulter. »Das glaube ich nicht«, entgegnete sie mit einer merkwürdigen Betonung und lächelte.

»Ich hoffe, ich störe nicht«, hörte Carolin einen Wimpernschlag darauf Rebekkas Stimme.

Sie schloss die Augen. Schon allein Rebekkas Stimme zu hören war, als ob sie sie streicheln würde. Sie brauchte einen Augenblick, bevor sie sich umdrehen konnte. »Natürlich störst du«, antwortete sie neckend. »Siehst du nicht, dass ich mich mit Rick unterhalte?« Alles in ihr sehnte sich danach, Rebekka um den Hals zu fallen, sie zu küssen, zu streicheln, zu liebkosen, aber das war genau das, worauf Rick und Melly warteten. Diesen Gefallen wollte sie ihnen nicht tun.

Rebekka sah aus, als hätte sie dasselbe Problem. Sie beugte sich zu Carolin und hauchte einen nur angedeuteten Kuss auf ihre Wange. »Dann kann ich ja wieder gehen«, sagte sie.

Melly betrachtete sie höchst interessiert, besann sich dann aber endlich auf ihre Pflichten als Gastgeberin. »Was darf ich dir bringen?« fragte sie.

»Ein Wasser«, sagte Rebekka. »Perrier?«

Melly schüttelte den Kopf.

»Dann eben, was ihr habt. Und etwas zu essen. Einen Salat? Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen.«

»Dann ist ein Salat ja auch genau das richtige«, mischte sich Carolin tadelnd ein. »Wie wäre es mit einem ordentlichen Abendessen? Melly hat eine hervorragende Küche.«

»Evelyn«, widersprach Melly. »Nicht ich.« Sie wandte sich an Rebekka. »Aber sie kocht sehr gut, das ist wahr. Natürlich kannst du einen Salat haben, wenn du willst. Der ist ebenso gut zubereitet wie alles andere.« Sie wollte schon in die Küche gehen.

»Wie wäre es mit den Schweinelendchen?« hielt Carolin sie auf. »Die waren köstlich letztens.«

»Die sind immer köstlich«, sagte Melly. Sie schaute Rebekka an. »Für zwei?«

Rebekka schien irritiert. Dann begann sie zu lächeln. »Ist gut. Für zwei.« Aber sie konnte sich nicht enthalten hinzuzufügen: »Ist da Salat dabei?«

Melly lachte. »Ich werde Evelyn sagen, dass sie dir einen extra großen Beilagensalat mitschickt.« Nun ging sie endgültig nach hinten.

Auf einmal herrschte Stille. Rick hatte das Gefühl, dass sie überflüssig war, denn Carolin und Rebekka starrten sich an, als hätten sie nur Augen füreinander, als ob die ganze Welt um sie versunken wäre. Schön, dachte Rick. Wie schön für Carolin. Das ist die richtige Frau für sie.

Nach einer Weile schien Carolin aufzuwachen. Sie räusperte sich. »Was . . . was machst du hier?« fragte sie verwundert. »Du sagtest doch –«

»Ja.« Rebekka schaute sie an, suchte ihre Augen, versank darin. Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, dachte sie. Ihr ganzer Körper verzehrte sich nach Carolin. »Ich war früher fertig«, sagte sie, »und da dachte ich, ich schaue mal hier vorbei. Du sagtest ja, du wärst hier. Mit Rick.« Sie schaute Rick an, und Rick hatte das Gefühl, als ob sie ihr damit eine Frage stellte.

»Wir haben über dich gesprochen«, antwortete Rick schnell.

Rebekka hob die Augenbrauen.

»Nichts Schlimmes.« Rick lachte nervös. Rebekka sah heute aus wie das, was sie war: eine reiche Frau mit hohen Ansprüchen, Einfluss und Macht. Das letzte Mal hatte sie nicht so ausgesehen. Wahrscheinlich nur das Kostüm, dachte Rick. Diese sauteure Bluse, der Mantel, das Make-up. Ihre ganze Attitüde. Sie kommt schließlich direkt aus ihrem Unternehmen und hat bis eben Entscheidungen getroffen, die wahrscheinlich mehr kosten als ich in meinem ganzen Leben verdiene.

Ja, sie konnte es nicht bestreiten: Rebekka machte sie eindeutig nervös. Sie spielte in einer anderen Liga.

»Wirklich nichts Schlimmes«, wiederholte sie bekräftigend. »Wir freuen uns für Carolin und dich.«

»Ach.« Rebekka schien nicht angetan von dieser Freude.

»Rebekka . . .« Carolin legte eine Hand auf Rebekkas Arm. »Rick meint das nett.«

Rebekka schaute sie an, und plötzlich schien es, als ob eine Maske von ihr abfiele. Sie räusperte sich. »Entschuldige«, sagte sie mit einem Blick auf Rick. »Das ist etwas ungewohnt für mich. Ich wollte nicht unhöflich sein.«

Oh Mann, dachte Rick. Ich möchte sie nicht erleben, wenn sie unhöflich ist.

Carolin ließ ihre Hand auf Rebekkas Arm liegen. »Es ist schön, dass du gekommen bist«, sagte sie weich und musterte Rebekkas Gesicht mit liebevoll streichelnden Augen.

Rebekka schluckte unmerklich. »Wenn ich gewusst hätte, dass es hier Essen gibt, wäre ich vielleicht schon früher gekommen«, erwiderte sie lächelnd. »Es war ein höllischer Tag. Ich hatte keine Minute frei.«

»Das sollte eigentlich nicht so sein, wenn man sein eigener Boss ist«, sagte Rick. »Ich nehme mir immer die Zeit –« Sie brach ab. »Aber natürlich habe ich ein winziges Unternehmen verglichen mit deinem. Das kann man nicht gleichsetzen«, fügte sie hastig hinzu.

»Vermutlich nicht«, sagte Rebekka. Sie seufzte. »Aber du hast recht. Ich sollte wenigstens einmal am Tag etwas essen.«

Carolin lachte. »Das wäre empfehlenswert, ja.« Sie strich mit einem Finger über Rebekkas Ärmel. »Ich könnte auch einen Salat machen, abends«, ergänzte sie leise. »Wenn du darauf bestehst. Oder etwas kochen.«

Rebekka schaute sie zweifelnd an. »Das musst du nicht«, sagte sie.

Ich würde aber gern, dachte Carolin. »Ich weiß«, sagte sie.

»Deinen Salat kannst du schon mal haben.« Melly kam aus der Küche. »Wollt ihr euch an einen Tisch setzen oder an der Theke essen?«

Carolin warf einen Blick auf Rebekka. »Am Tisch«, entschied sie. Sie hatte das Gefühl, Rebekka brauchte etwas Abstand von dieser für sie sehr ungewohnten Situation.

Sie glitt vom Barhocker. Rebekka folgte ihr sofort, als ob sie erleichtert wäre, mit ihr alleinsein zu können.

Melly stellte den Salat auf den Tisch, an dem Carolin sich niedergelassen hatte. »Der Rest kommt auch gleich«, sagte sie und verschwand wieder.

Rebekka setzte sich zu Carolin, auf die andere Seite des Tisches, und zog den Salat, den Melly neben Carolin gestellt hatte, zu sich herüber.

Carolin schmunzelte. »Möchtest du mir nicht zu nah kommen?«

Rebekka, die auf ihren Salat gestarrt hatte, blickte auf. »Ich verbrenne mich schon auf diese Entfernung«, sagte sie leise. »Noch näher, und ich löse mich auf.«

»Rebekka . . .« Carolin streckte sehnend eine Hand nach ihr aus.

Rebekka zog ihre Hand weg. »Ich kann hier nicht rumknutschen, nicht vor all den Leuten«, sagte sie mühsam.

»Als du mit Svenja hier warst, hattest du weniger Probleme«, erinnerte Carolin sie etwas enttäuscht.

Rebekkas Kopf zuckte hoch. »Das war Svenja, nicht ich«, erwiderte sie scharf.

»Beruhige dich.« Carolin merkte, dass Svenja ein Thema war, das sie besser meiden sollten. »Ist ja schon gut. Ich möchte dich nur so gern berühren.«

»Ich dich auch«, flüsterte Rebekka. »Aber wenn ich das tue, kann ich für nichts mehr garantieren.«

»Oh mein Gott, Rebekka«, hauchte Carolin schwach. »Ich fühle dich. Ich fühle dich überall auf meiner Haut, als ob du mich tatsächlich berühren würdest.«

Rebekka schaute sie an, sagte aber nichts. Ihr Blick zeigte all die Selbstbeherrschung, die sie aufbringen musste. »Es ist mir noch nie so schwergefallen mich zurückzuhalten«, presste sie hervor.

»Noch nie?« Carolin hob die Augenbrauen. »Wirklich noch nie?«

»Noch nie«, wiederholte Rebekka. »Zumindest nicht, seit ich . . . erwachsen bin.« Sie schien große Mühe zu haben zu sprechen.

»Ach, du warst ein wilder Teenager?« fragte Carolin interessiert. »Das hätte ich jetzt nicht gedacht.«

»Ich war nicht . . . wild«, widersprach Rebekka indigniert. »Ich hatte nur –«

»Zu viele Hormone?« Carolin grinste. »Oder zu viele Angebote?«

»Definitiv zu viele Angebote«, sagte Rebekka, nun wieder etwas ruhiger. »Meine Hormone haben manchmal noch nicht einmal dafür ausgereicht.«

»Oho.« Carolin war sich nicht sicher, was sie darauf antworten sollte.

»Deshalb habe ich das letzte Angebot angenommen, das ich erhalten habe«, fuhr Rebekka plötzlich fort. Ihre Augen blitzten schelmisch. »Ich werde alt. Ich brauche meine Ruhe.«

Carolin lachte. »Ganz bestimmt. Wenn der Tag achtundvierzig Stunden hätte, würdest du den auch noch füllen.«

Rebekka hob entschuldigend die Augenbrauen. »Vielleicht blieben dann ein paar Stunden mehr für uns übrig.«

»Hättest du das denn gern?«

Rebekka schaute sie erstaunt an. »Bezweifelst du das?«

»Na ja . . . manchmal . . .«, Carolin zuckte die Schultern, »habe ich das Gefühl, alles andere ist wichtiger als ich.«

Rebekka verzog das Gesicht. »So etwas habe ich befürchtet«, sagte sie betrübt. »Ich hatte nie viel Zeit für –« Sie atmete tief durch. »Und das hat sich leider nicht geändert.«

»Hast du nicht mal zu mir gesagt, alles wäre nur eine Frage der Organisation?« erwiderte Carolin.

»Du meinst, ich sollte meine Sekretärin bitten, dich in meinen Terminkalender einzuplanen?« Rebekka verzog die Mundwinkel. »Vielleicht noch nicht einmal so eine schlechte Idee.«

»So abartig ich das auch finde«, entgegnete Carolin nicht besonders glücklich, »aber ich würde alles tun, um dich öfter zu sehen. Selbst das: einer deiner Termine sein.«

Rebekka schmunzelte. »Ich werde meine Sekretärin anweisen, einen Vorgang Gebhardt anzulegen.« Als Carolin sie entgeistert anstarrte, lachte sie. »Das war nicht ernstgemeint.« Sie griff mit ihrer Hand nach Carolins und hielt sie fest. »Aber ich würde auch alles tun, um dich öfter zu sehen.« Sie hob Carolins Hand an ihre Lippen und küsste sie.

Ein Pfiff kam von der Theke.

Carolin blickte hinüber. »Halt dich zurück, Rick«, rief sie gutgelaunt. »Das geht dich nichts an.«

Rick grinste.

Rebekka schüttelte den Kopf. »So etwas kenne ich wirklich nicht«, sagte sie.

»Du hast vermutlich bisher in anderen Kreisen verkehrt«, entgegnete Carolin immer noch vergnügt. »Da pfeift man Frauen nicht hinterher.«

»Nein.« Rebekka lehnte sich zurück und seufzte. »Dafür tut man andere Sachen. Da ist mir das Pfeifen schon lieber.« Sie schaute zu Rick und nickte ihr lächelnd zu.

Rick hob bestätigend einen Daumen und drehte sich wieder zu Melly um.

»Ich möchte dein Fünf-Uhr-Termin sein«, fuhr Carolin fort. »Da habe ich nämlich Feierabend. Wenn ich darauf warte, dass du Feierabend hast, kann ich ja alt und grau werden.«

»Dann bist du bestimmt immer noch genauso süß«, erwiderte Rebekka mit einem warmen Blick in Carolins Augen. Sie seufzte erneut. »Ich hätte einfach darüber nachdenken sollen, was ich dir zumute – bevor ich dir den Antrag gemacht habe.«

»Willst du ihn zurücknehmen?« fragte Carolin.

Rebekka lächelte sie zärtlich an. »Nein. Nicht um alles in der Welt. Aber was ich dir zumute . . . das würde ich gern zurücknehmen.«

»So, die Schweinelendchen.« Melly stellte die Teller vor sie hin. »Ich muss ehrlich zugeben, dass sie Evelyn heute besonders gut gelungen sind. Noch besser als sonst. Also genießt es.« Sie lächelte die beiden an und ging wieder.

»Meine Mutter macht die auch sehr gut«, sagte Rebekka.

Carolin blickte sie skeptisch an. »Du bist doch nicht eine von diesen Frauen, die einem ständig vorhalten, dass ihre Mutter besser kocht als man selbst?«

Rebekka schien gar nicht zu verstehen, was sie meinte.

»Du hast noch nie bei mir gegessen«, erläuterte Carolin. »Wenn du es tätest, müsste ich mir dann anhören, wieviel besser deine Mutter kocht?«

Rebekka lachte amüsiert auf. »Nein«, erwiderte sie immer noch lachend. »Bestimmt nicht. Ich bin sehr leicht zu befriedigen.« Sie verzog peinlich berührt das Gesicht, als sie merkte, was sie gesagt hatte. »Essenstechnisch, meine ich«, fügte sie schnell hinzu.

Carolin schmunzelte heftig. »Sonst auch«, sagte sie leise.

Rebekka rollte die Augen. »Oh bitte . . .«

»Du hast mit dem Thema angefangen.« Carolin musste sich sehr zurückhalten, nicht laut loszulachen. Es war immer süß, wenn Rebekka einmal in die Defensive gedrängt wurde – was nicht oft geschah. Dann war sie einfach nur . . . zum Anknabbern.

»Können wir das Thema wechseln, bitte?« Rebekka schaute sie an. »Oder sollen wir das Essen stehenlassen? Wenn du so weitermachst, gehen wir lieber gleich, sonst wirst du deinen Freundinnen ein paar Dinge zu erklären haben.«

Carolin lachte. »Das wäre genau das, was sie sich wünschen.« Dann beugte sie sich zu Rebekka. »Du wirst das jetzt aufessen, komme da, was da wolle. Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen, und ich bestehe darauf, dass du das tust.«

Rebekka schmunzelte. »Du wirst bestimmt eine gute Ehefrau.«

»Na hoffentlich«, sagte Carolin. »Iss jetzt.«

5. Kapitel

   Im Dschungel   

Marlene und Carmen betraten das Set gemeinsam, bereits nackt wie üblich.

»Ah . . . gut.« Werner, der Regisseur, der auch gleichzeitig Produzent war, kam auf sie zu, das heißt, sein Bauch kam auf sie zu mit dem Rest von Werner im Schlepptau.

»Ein bisschen Muschileckerei zum Aufwärmen«, wies Werner sie an. »Ihr kennt euch ja aus. Wenn ihr das erste Mal gespielt habt, dass ihr gekommen seid, kommt Karl dazu und fickt die, die oben liegt, dann dreht ihr euch um, und er fickt die andere. Zum Schluss könnt ihr dann –«

»Hast du sie noch alle?« Marlene war zu perplex gewesen, um ihn zu unterbrechen, jetzt ging sie ihn heftig an. »Ich lass’ mich nicht von Kerlen ficken. Das war so abgemacht.«

Werner zog die Augenbrauen zusammen. »So läuft die Sache aber. Wird mal Zeit, dass du dich dran gewöhnst.«

»Dann gewöhnst du dich mal besser an eine andere Darstellerin«, erwiderte Marlene laut. »Ich mache das nicht, und dabei bleibt es.«

»Mein Gott, dann bläst du ihm halt einen. Leck ihm einfach den Schwanz. Lecken kannst du doch.« Er grinste schäbig.

Marlene stand mit geballten Fäusten da. »Ich lecke niemand den Schwanz«, knurrte sie. »Das kannst du dir abschminken. Für mich gilt, was wir vereinbart haben: nur mit Frauen.«

»Eh, Kleine, reg dich nicht auf.« Karl kam herein und massierte mit einer Hand seinen Schwanz, damit er gleich einsatzbereit war. »Ich ficke Carmen«, sagte er mit einem Blick auf Werner. »Die ist das gewöhnt. Und Marlene kann sich ja dann an dem Fick mit ihr beteiligen. Wir ficken sie einfach beide. Ist doch kein Problem.«

Werner schaute ihn skeptisch an. »War aber anders vorgesehen«, sagte er. »Und ich mag’s nicht, wenn man meine Drehbücher ändert.«

»Drehbücher?« Karl lachte. »Welche Drehbücher? Komm, gib nicht so an, alter Junge. Das Drehbuch lautet: Komm rein und fick sie. So lautet es immer. Daran ändert sich doch nichts.«

Werner brummte. »Na gut«, sagte er. »Aber dass das nicht zur Gewohnheit wird.« Er schaute Marlene an. »Wenn ich das nächste Mal sage, du lässt dich ficken, dann lässt du dich ficken, verstanden?«

»Wenn’s ’ne Frau ist, immer gern«, entgegnete Marlene frech grinsend. »Alles andere vergisst du lieber.«

»Dann kommt mal in die Gänge!« Werner klatschte in die Hände. »Fangt an und macht euch nass, damit Karl loslegen kann.«

»Warum machst du immer so einen Aufstand?« fragte Carmen flüsternd, als Marlene sich zu ihr auf das rotgepolsterte Bett legte. »Mach doch einfach, was er sagt.«

»Mich von einem Kerl ficken lassen?« Marlene schüttelte abschätzig den Kopf. »So dringend brauche ich die Knete denn doch nicht.«

»Ist doch alles dasselbe«, sagte Carmen, während Marlene bereits begann, ihre Brustwarzen zu lecken. »Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst.« Sie verzog gespielt erregt das Gesicht und öffnete den Mund, spielte mit der Zunge an ihren Lippen, damit die Kamera eine Nahaufnahme machen konnte.

»Wenn Karl sowieso gleich kommt, lassen wir den Dildo weg«, sagte Marlene und spreizte Carmens Beine. »Ich versuche dich ein bisschen nasszumachen.«

»Er kann Vaseline nehmen, wie immer«, sagte Carmen. Gleich darauf warf sie den Kopf zurück und stöhnte, spielte Leidenschaft und Erregung, während Marlene sie leckte.

Marlene spürte, dass keine andere Nässe kommen würde als die von ihrer eigenen Zunge. Es war unmöglich, Carmen zu erregen. Sie zeigte nie eine echte Reaktion. Während Marlene sie weiter leckte und mit ihrer Zunge in sie hineinstieß, überlegte sie, woher das wohl kam. Und ob es eine Möglichkeit gab, etwas daran zu ändern.

Sie erinnerte sich an die eine oder andere Frau, bei der sie das geschafft hatte. Die am Anfang behauptet hatte, sie wäre frigide, und dann hinterher doch –