4. Tränen der Götter: Performance mit Perlen?

 

Wer „Perlen im Depot“ hat, meint üblicherweise Wertpapiere mit einer besonders glänzenden Performance. Denn Liebhaber (und vor allem Liebhaberinnen) der echten Preziosen aus den Ozeanen dürften beim Kauf eines kostbaren Perlenkolliers nicht vorrangig an so profane Dinge wie Renditen denken.

Das macht Sinn, denn mit Investments in Schmuck lässt sich nur selten Geld verdienen, dafür sind die Spannen auf den einzelnen Handelsebenen zu hoch, außerdem ist bei kostbarem Schmuck viel kreative Kopf- und Handarbeit im Spiel, die der Käufer honorieren muss. Aber während sich manche vermeintliche „Aktien-Perle“ spätestens beim nächsten Crash als Looser erweisen kann, der dem Investor im schlimmsten Fall einen Totalverlust beschert, bleiben kostbare Perlen von hoher Qualität immer wertvoll und weltweit gefragt. Die Beliebtheit dieser „Tränen der Götter“, wie Perlen von Zeitgenossen mit Hang zur Poesie bisweilen genannt werden, ist in den vergangenen Jahren sogar weiter gestiegen. Die Maxime „Zurück zur Natur“ machte Perlen für Schmuckdesigner noch interessanter.

Und Produkte der Natur sind Perlen allemal, auch wenn im Fall der Zuchtperlen der Mensch ein klein wenig nachhilft. Perlen entstehen, weil sich eine Auster gegen einen in sie eingedrungenen Fremdkörper wehrt, ihn mit Perlmuttschichten überzieht und auf diese Weise neutralisiert. Solche reinen Naturperlen sind sehr selten und entsprechend teuer. So kam man schon im frühen 20. Jahrhundert auf die Idee, einen Kern - den sogenannten Nukleus - von Menschenhand in eine Auster zu implantieren. Und zwar genau dort, wo die Muschel Perlmutt produzieren kann, mit dem sie den Eindringling umgibt. Auf diese Weise entstehen die heute üblichen Zuchtperlen, die teilweise schon ähnliche Preise erreichen wie hochwertige Edelsteine.

Wer nicht nur in Schönheit, sondern in Werthaltigkeit investieren möchte, sollte sich für weiße und goldene Südseeperlen, oder aber für dunkle Tahiti-Perlen entscheiden, die erheblich seltener sind als Süßwasserperlen. „Beim Implantieren der Kerne in die besonders großen Südseeaustern besteht eine Chance von circa 50 Prozent, dass eine Perle entsteht. Dabei erreichen nur zwischen einem und fünf Prozent die höchste Qualitätsstufe AAA“, weiß der Perlenexperte Raik Werner. Der Diplom-Ingenieur und Unternehmer nennt die Voraussetzungen für das „Triple A“: „Die Perle muss perfekt rund sein, eine nahezu makellose Oberfläche aufweisen und mit einem ausgezeichneten Glanz überzeugen. Wenn nur eines dieser Merkmale fehlt, kann der Preis um bis zu 80 Prozent fallen“ (siehe Info-Kasten „Perlen-Rating“). Besondere Bedeutung kommt dem Lüster der Perle zu. Die Auster bilde mehrere Schichten aus Perlmuttsekret, die halb lichtdurchlässig seien, erklärt der Globetrotter und erfahrene Edelstein- und Schmuckexperte Johannes O. Vranek. „Der Lüster ist nicht der Glanz, sondern das geheimnisvolle Leuchten der Perle. In dieser Lichtspiegelung findet man alle pastellfarbigen Töne eines Regenbogens, wenn man eine hochwertige Perle bewusst ansieht“. Dieser faszinierende Effekt lässt sich sogar noch steigern, indem die Perlen getragen werden. „Durch die Körpertemperatur, welche die Perle annimmt, und durch die Feuchtigkeit der Haut entfaltet sich der Lüster besser“, berichtet Jörg Gellner, Chef der gleichnamigen Perlenmanufaktur im baden-württembergischen Wiernsheim.

Natürlich entscheidet die Größe der Perle über ihren Preis, doch gilt die Devise: Qualität geht immer vor Größe. Raik Werner empfiehlt unter Anlageaspekten vor allem Südseeperlen mit einem Mindestdurchmesser von 13 Millimetern. Deutlich kleiner sind in der Regel die Akoya-Zuchtperlen, die meist in Größen zwischen sechs bis acht Millimetern für Perlenketten verwendet werden. Wichtig: Japanische Perlen sind erheblich wertvoller als chinesische.

Die dunklen Südseeperlen (Tahiti-Perlen) stehen - ähnlich wie die weißen und goldenen Varianten - hoch im Kurs. Sie bilden sich in den schwarzlippigen Austern (Pinctada Margaritafera), überwiegend in den Perlenfarmen in Französisch-Polynesien. Ganz in der Nähe befindet sich das Muroroa-Atoll, das zwischen 1966 und 1996 als französisches Atombomben-Testgebiet fragwürdige Bekanntheit erlangte. Heute kommen aus dem benachbarten Tahiti einige der kostbarsten Südseeperlen. Sie werden als „Schwarze Perlen“ bezeichnet, obwohl sie ganz unterschiedliche dunkle Farbnuancen aufweisen können. Wirklich schwarze Perlen von hoher Qualität sind selten und entsprechend teuer. Katharina die Große nannte ein Kollier aus 30 schwarzen Perlen ihr Eigen, auch die österreichische Krone aus dem 18. Jahrhundert war mit Tahiti-Perlen besetzt.

Für die größten Perlen müssen heute Millionen gezahlt werden. So bringt es die „La Regente“ auf ein Gewicht von 337 Grains (1 Grain = 50 Milligramm). Der Verkehrswert dieser Superperle liegt Schätzungen zufolge bei 2,1 Millionen Euro. So viel müssen Perlen-Liebhaber(innen) natürlich nicht ausgeben. „Aber ein Kollier mit Südseeperlen von sehr guter Qualität gibt es nicht für 1000 oder 2000 Euro“, sagt Raik Werner. „Die meisten hochwertigen Perlen-Kolliers aus weißen oder goldenen Südseeperlen kosten zwischen 4000 und 100000 Euro – aber nach oben gibt es keine Grenzen“.

Richtig reich mit Perlen wurde übrigens kein Sammler, sondern ein Perlenfarmer. Mithilfe seiner Preziosen schaffte Robert Wan auf Tahiti den beachtlichen Karrieresprung vom Erdnussknacker zum Multimillionär, den sie heute ehrfürchtig den „König der Südsee“ nennen.

 

 

Perlen-Rating

AAA
Höchste Qualität, nahezu fehlerlos, perfekt rund, die Oberfläche hat einen glanzvollen Lüster. Mindestens 98 Prozent der Oberfläche sind frei von Wachstumsmerkmalen.

AA+
Zweithöchste Qualität. Kriterien identisch mit AAA, jedoch müssen nur mindestens 90 Prozent der Oberfläche frei von Wachstumsmerkmalen sein.

AA
Perle hat einen glanzvollen Lüster und mindestens 85 Prozent der Oberfläche sind frei von Wachstumsmerkmalen, fast rund.

A
Perlen mit weniger glanzvollen Lüster und/oder mehr als 25 Prozent der Oberfläche weisen Wachstumsmerkmale auf, unrund.