Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Erstausgabe

Copyright Carsten Klook, Hamburg 2016

Dank an

Annette Paulsen für die Illustration aus der Serie „Fortbewegung“

www.annettepaulsen.com

Gustav Mechlenburg und Björn Hartwig (Korrektorat)

Ralf Wolf autorenservice.net (Layout)

BoD – Books on Demand GmbH

ISBN 978-3-7412-2954-1

Kontakt: www.carsten-klook.de

ÜBER DEN AUTOR

Carsten Klook, geboren 1959, lebt und arbeitet in Hamburg als Schriftsteller und Kulturjournalist. Er veröffentlichte u. a. die Romane „Korrektor“ und „Stadt unter“, die Erzählbände „TV-Lounge“, „White Trash“ und „Seinsgründe – 43 Neurosen“, die Gedichtbände „Unterirdische Absprachen“ und „Antikörper – 21 LiebesMarodeure“ sowie diverse Hörspiele.

ÜBER DAS BUCH

Auf einer Party lernt der 39-jährige Werbeexter und DJ Berg die schöne Jarka kennen. Nach einem Tohuwabohu wird er des Diebstahls bezichtigt und soll angeblich Geld, Bankkarten, wertvollen Schmuck und eine Rolex gestohlen haben. Dabei hat Jarka ihm die Beute in seinen Plattenkoffer gelegt. Fortan verbüßt er seine Haftstrafe mit einer elektronischen Fußfessel in den eigenen vier Wänden.

Berg liebt Jarka, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Die aber hat nicht nur eine Menge Probleme: Sie lügt und liebt neben Berg auch noch andere Männer. Sie kommt und geht.

Früher war Berg schwer beschäftigt. Nun harrt er der Dinge, die da kommen mögen. Er hat keine weiteren Zukunftspläne, als eben mit Jarka zusammen zu sein. In den verbliebenen Monaten seiner Strafe angelt er sich einen irrwitzigen Job: Er baut Kugelschreiber zusammen.

Seine Depressivität entwickelt sich zum nonverbalen Widerstand.

Durch die Konfrontation mit der Promiskuität seiner Freundin, die Berg für eine sogenannte Borderline-Persönlichkeit hält, entdeckt er Seiten an sich, die ihm bisher verborgen waren. So geht Jarka nicht nur fremd, sondern führt ihn zu seiner eigenen Sexualität, die sich neu entfaltet. Er entdeckt die Liebe, die etwas anderes ist, als er bisher dachte und nichts mit Treue zu tun hat. Berg stellt fest, dass er seine Freundin beneidet und glaubt, er sei von nun an bisexuell. Mindestens.

Sexuell sehr durcheinander, entdeckt er u. a. auch die einheimische Tierwelt, erlebt einiges mit Motten, Vögeln, Uhus, Sozialarbeitern, Wahrsagerinnen, Orakeln und wird schließlich Zeuge eines Blutbads in der Wohnung des Hausmeisters nebenan.

Als Jarka immer seltener auftaucht, entwickelt sich sein Sehnen zur Sucht. Mehr interessiert am sexuellen Bildersturm, den sein Verlangen entfacht, als an der schwer fassbaren Jarka, begegnet Berg dem Satz „Du sollst dir kein Bild machen“. Es wird zu einem Leitmotiv für ihn. Was er von Jarka erträumte und was er für Liebe hielt, zerfällt. Er begibt sich auf die Suche nach Gegenwart.

Der Roman erzählt die Geschichte des vereinzelnden Wartens und der geteilten Vereinzelung, des Wartens als Ausbruchsversuch aus einem intimen Gefängnis: die Zustandsbeschreibung einer gesellschaftlichen Befindlichkeit und die Beleuchtung intrapsychischer Auswirkungen von Missbrauch.

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A

„Die Tragik jeder Liebesgeschichte: Dass niemals zwei diese Geschichte miteinander haben, sondern dass jeder mit dem anderen eine Geschichte für sich hat.“

Undine Gruenter in

„Der Autor als Souffleur“

Inhaltsverzeichnis

1

Die Sonne hing bereits als Glutorange am Abendhimmel. Wie gern hätte Berg jetzt im Flieger gesessen und wäre über den Atlantik geflogen. Richtung Kuba? Jamaika? Wie vor zwei Jahren, als er sich mit Grit davongestohlen hatte. Die Folgen dieser Eskapade hingen ihm noch immer nach: Sehnsucht und Sand im Getriebe.

Aber heute hatte Berg eine Verabredung. Mehr noch: einen Einsatz. In seiner Freizeit legte er als DJ auf Partys, Eröffnungen, in Galerien und zu Junggesellenabschieden auf und drehte an den Plattentellern. 20.13 Uhr: Es war ein harter Tag gewesen. Blarn, der Chef der Agentur, hatte in letzter Minute Änderungen verlangt. Und, ob Berg wollte oder nicht, er hatte zwei Stunden länger an der Übersichtstabelle für die Kampagne in der Fischauktionshalle gearbeitet. Zeit, sich frisch zu machen, blieb nicht. Also musste er in grauem Flanell und royalblauem Hemd in die Amandastraße fahren. Obwohl er schwitzte und sich overdressed fühlte. Die Platten und CDs hatte er vorsichtshalber bereits in seinen Citroën XM geladen und nun nahm er direkt Kurs Richtung Schanzenviertel.

In der Zeitung hatte es einen großen Artikel zur Eröffnung des Wilbrands gegeben. Mit Auflistung der nächsten Events, die stattfinden sollten. Als Berg dort erschien, stand bereits eine Gruppe von Neugierigen vor dem kleinen Häuschen, lachend und kiffend. Er bahnte sich mit seinen Alukoffern voller Tonträger einen Weg durch die Menge, die vor verschlossener Tür herumturnte.

Berg gestikulierte vor dem großen Panoramafenster in Richtung des Barmanns und Besitzers Brockmann, der hinterm Tresen, einer simplen Holzplatte über einem Stapel leerer Bierkästen, wirbelte und mehr in einer Abseite als im Raum stand und ihn nicht zu sehen schien. Der vordere Raum war höchstens 25 Quadratmeter groß, an der Wand gegenüber dem Fenster gab es eine kleine Treppe, auf der einst Blumentöpfe zum Verkauf angeboten wurden, da der Laden, eigentlich nur eine mit Dachpappe abgedeckte Laube, früher ein Blumenladen gewesen war. Im Hintergarten befand sich eine Hollywoodschaukel, daneben eine Regentonne, typisch Hamburg. Das Ensemble, das mit zwei einfachen Holzverschlägen erweitert worden war, stand im Garten eines Staatsanwalts, der nun ein pensionierter Alkoholiker war und seine Frau verprügelte, wie Brockmann Berg am Telefon erzählt hatte. Um die Hütte mieten zu können, hatte Brocki, wie er sich selbst nannte, beim Staatsanwalt zu Hause vorsprechen und diesen unter den Tisch trinken müssen. Eine Flasche Whisky hatte gereicht. Berg schritt das Grundstück ab, an dessen Stirnseite die Zweifamilienvilla stand, in der der kinderlose Staatsanwalt lebte. Nachdem der Blumenladen pleitegegangen war, wurde das kleine Gartenhaus an eine Schmuckdesignerin vermietet, die aber mit ihrer Manufaktur bald in eine Toplage in die Innenstadt gezogen war. Nun also sollte es als kultureller Treffpunkt dienen.

Im Garten fummelte jemand an einem Drehkarussellgestell für Was-ist-was-Bücher herum, ließ es sogleich bleiben, um sodann drei Waschmaschinen in den Vorratsraum zu schieben. Die Tür musste einen Spalt weit offen bleiben. Brockmanns Mitarbeiter, der das gerade vollbrachte, war ein Althippie, der seinen Kram in der ganzen Stadt bei Freunden auf Dachböden, in Kellern und Gärten verteilte und liegen ließ. Messietum – eine Form der Aggression? Berg wollte da nicht stören und betrat wieder die Hütte, in der es muffig nach Fünfzigerjahren, alter Tapete, Teppichstaub und Nässe roch. Brockmann hatte derweil den Laden geöffnet, die Meute quetschte sich durch die kleine Eingangstür und beschädigte den Türrahmen. Berg inspizierte die unterdimensionierte Anlage, mit der er heute zu hantieren hatte. Er schloss seinen Mixer an, eine kleine Kiste im Tarnfarben-Design, und probierte die Schieberegler, Potis und den Crossfader: Okay! Als Berg die CDs und Platten in Reichweite postierte, sah er sie plötzlich aus dem Durchgangszimmer kommen, in dem eine azurblaue Lampe schimmerte. Diese Frau: Wie sie dastand, ganz in Weiß in ihrem eng sitzenden Hosenanzug mit ihren langen dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren, vor diesem Cosmic Glow von Leuchte, brachte sie einen Glanz in die alte Hütte, dass Berg schwindlig wurde. Als das Wesen Berg wahrnahm und ihre kühlen, hohlwangigen Gesichtszüge ein Lächeln formten, dachte Berg: Das ist sie! Finger weg!

Hoffentlich spricht sie mich nicht an. Halt dich bloß fern, die wirst du nie für dich allein haben. Am besten nicht beachten! Oh Mann. Nicht einmal dran denken, sie kennenlernen zu wollen! Von der wirst du dich nie trennen können, dachte er panisch und konnte den Blick nicht fixieren, als Brockmann sie ihm vorstellte: „Das ist übrigens Jarka.“ Sie schmunzelte und stöhnte mehr, als dass sie „Hallo!“ sagte.

Jarkas schlanke, sehr schlanke Taille, ihre wohlproportionierte Hüfte und diese sinnlich anmutenden Beine … ohne es nur an ihrem Äußeren festmachen zu wollen, von ihr ging eine magische Anziehungskraft aus.

Berg, elegant und bürotauglich im mattgrauen Anzug, fügte sich nicht recht ein in das lockere, aufgekratzte Partyvolk. Er war irritiert … Wohin sollte er nur gucken?

Berg konnte nicht länger neben ihr stehen, er fühlte einen Fluchtimpuls. Ganz in Weiß … sind wir hier auf einer Hochzeit? Berg druckste kurz herum und stammelte unzusammenhängende Laute: „Öff, ähm, … iss-äh, hm …“ Auch gut. Jarka lächelte noch immer, er aber ließ sie stehen, legte eine CD in den Player und verschwand im Garten, in dem sich bereits ein Dutzend ihm unbekannter Leute tummelten und schweres Zeug tranken. Wodka floss wie Wasser die Kehlen herunter. Die Smoll-Brüder bauten ein 50-Liter-Whiskyfass plus Gestell auf, aus dem man sich per Zapfhahn Kaffeebecher abfüllen konnte, mitten im Garten. Russbok, der alte Pole, hatte Matratzen ausgelegt, auf denen sich Pirkaa, Sollock und Shetz suhlten und sich einen Joint teilten. Die Schwaden stiegen auf und benebelten Berg schon beim bloßen Hinsehen.

Im Hauptraum hatten sich bereits gut fünfzig Leute eingefunden, die Bude war schon jetzt brechend voll. Umdrehen konnte sich da keiner mehr, Umfallen aber auch nicht. Brockmann hatte seinen Freunden aus ganz Norddeutschland Bescheid gegeben und die ihren Freunden wohl auch.

Berg wechselte die CD, Schmuseklänge mit Vibrafon und jazziger Rhythmik, Pet Sounds, wispernde Stimmen und Balladen, Saxofon-Melodien. Jarka wollte von Berg den Titel des Tracks wissen. Berg war verlegen und redete wieder Unsinn.

Die Musiker versuchten im Gewühl der Menschenmenge ein Schlagzeug aufzubauen, Boxen zu verkabeln, Mikroständer aufzustellen, Gitarren zu stimmen – chaotisch. Berg behielt nun lieber seinen Platz hinter dem Mini-DJ-Pult bei und verlangte nach einem stinknormalen Bier, Brockmann ließ ihm einen ganzen Kasten bringen.

Jarka klappte ihren Keyboardständer auseinander und positionierte sich mit Tastatur und Harmonium direkt neben Berg, der panisch einen Schritt zur Seite wich.

Nun stürmte auch noch der reiche Perser mit schwarzem, leicht lockigem und nassem Haar im Kaschmirmantel (und das im Sommer, ein Angeber!) mit teurem Parfüm und drei Edel-Prostituierten im Schlepptau aus der gegenüberliegenden Sabina-Bar in den Schuppen, um zu checken, was hier vor seinem Luxuspuff, der in einer weißen Villa residierte, für ein merkwürdiger Schuppen eröffnete. Er baggerte die nächstbesten Frauen an, versuchte einen seriösen Ton anzuschlagen, wurde aber umgerempelt.

Berg wechselte von eher tranquilierenden Sounds zu härteren Beats mit euphorisierendem Touch.

Auf der Straße vor dem Schaufenster des Wilbrands war nun auch Bergs Exfrau Alexa mit ihren beiden Söhnen Mathias und dem schon zehnjährigen Uli aus erster Ehe eingetroffen und wunderte sich über den Trubel. Sie hatte sich vor einem Jahr scheiden lassen. Alexa war extra aus Berlin angereist und überreichte Berg eine Flasche Champagner im Glauben, dass es Bergs Laden war, der hier eingeweiht wurde. Der reichte diese sofort an Brockmann weiter, strich den Söhnen anerkennend über die blonden Schöpfe, wimmelte Alexa mit einer flüchtigen Umarmung ab und beobachtete Jarka, die ihre Hand auf seine legte, während er mit Alexa ein paar Formalitäten zum Ablauf des Abends besprach. Dann verschwand Jarka in den Garten und Berg gab Alexa die Schlüssel zu seiner Wohnung, die daraufhin mürrisch mit den Söhnen davontrabte.

Auf dem Gehweg standen derweil Hoax, Bullnik und Creshnikov, die Smoll-Brüder und eine dahergelaufene Frau in lumpigem Outfit, das für Kenner schwer nach Kenzo aussah, im Kreis um einen 18-Zoll-Lautsprecher und grunzten pseudo-buddhistisch zu einem derben Scheppern aus dem Speaker, dessen offenes Chassis in der Öffnung eines Gitterpapierkorbs hing, mit einem Ghettoblaster verkabelt war und eine atonale Version von A-cappella-Musik verströmte, die mit der gerade heranbrausenden Polizeiwagensirene eine Serenade der Aufbruchsstimmung ergab, was ja auch Sinn des Ganzen war.

Die Polizeibeamten hielten vor dem Schuhkarton von Club, stiegen aus, klemmten den Speaker ab, ermahnten die im Wilbrands Anwesenden, insbesondere den Besitzer, zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Maximallautstärke und nahmen die Zellmembran samt des Ghettoblasters und den aufmüpfigen Smoll-Brüdern mit auf die Wache, die nur drei Straßen entfernt war.

Just in dem Moment, in dem die Streife abfuhr, stürzte die betrunkene Astrid aus dem Garten ins Teerpappen-Heim: „Boah, eh, das ist wie in alten Zeiten!“ schreiend, wild mit den Armen rudernd, jauchzend, verlor sie langsam, aber unsicher das Gleichgewicht, riss im Fallen den provisorisch befestigten Tresen um und brach in prustendes Gelächter aus. Diehm, der Handwerker, wollte zuerst sie, dann den Tresen retten, brach dann aber mit Astrid unter den stürzenden Flaschen zusammen. Nun warfen sich auch die von draußen hereinstürmenden Hoax, Bullnik und Creshnikov in die ausgebrochenen Bierfluten und richteten ein Blutbad an. In diesem Gewusel sich übereinanderschichtender und mit Schnittwunden gezeichneter Leiber ergriff Jarka die Gelegenheit und das herausfallende, prall gefüllte Portemonnaie des Persers, der wie zig andere mitgerissen wurde. Jarka ließ dabei auch noch die 20.000-D-Mark-Rolex und drei Cartier-Diamantringe des Zuhälters in ihre zarten Hände gleiten, die im Fassen von Gliedmaßen ihre eigenen Erfahrungswerte besaßen und das ergatterte Gut im allgemeinen Tumult dem nichts ahnenden Berg in den Plattenkoffer legte. Die Band sortierte ihre Instrumente und legte los.

Holly, die Sängerin, begann mit einem Stück, das die tobende Masse zur Ruhe bringen sollte: Pale Blue Eyes von Velvet Underground, I’ll be your mirror und What goes on, um die Party nicht zum Erliegen zu bringen. Totaler Jubel.

Inzwischen war auch die regionale Presse eingetroffen und machte Fotos von Gästen, Künstlern und Brockmann. Die Band spielte eine halbe Stunde, der Gastgeber kündigte die nächste Gruppe an: Desdemona. Mystische Trance-Sounds mit glockenheller Mädchenstimme. Es folgte eine Lesung: Nikola rezitierte ein Kapitel aus ihrem gerade erschienenen Roman, in dem eine Demonstration von der Polizei aufgemischt und die Hauptfigur auf der Flucht in einem Hauseingang zusammengeknüppelt wurde. Begeisterung. Dann spielte Brockmann selbst drei Eigenkompositionen auf der Gitarre und sang – leider fürchterlich. Derart entschleunigt, gruppierten sich die Erlebnishungrigsten zu Taxi-Fahrgemeinschaften und fuhren zur nächsten Sause, irgendwo am Hafen.

Inzwischen war es dunkelste Nacht geworden, es hatte sich abgekühlt. Regen prasselte auf die Teerpappe des Dachs und lief die Fensterscheiben herunter. Die Tropfen pladderten auf die Blätter der Rhododendren und Fächerpalmen. Jarka saß in der Hollywoodschaukel im Garten und rauchte mit Berg einen Joint, bevor die zwei sich anschickten, sich durch das Gelage einen Weg zu bahnen und mit dem Akustik-Bassisten der Cover-Band zu Jarkas Sounds zu improvisieren. Von ihren Songs, die sehr narrativ waren, fast spoken words, hatte sie Berg soeben erst erzählt, nun sollte er sie schon begleiten. Über die Klangflächen aus dem Keyboard oder dem Harmonium spielte er an der E-Gitarre Fill-ins, die der Bassist zu einem Ganzen verband. Es wurde sehr spät.

Um sechs Uhr morgens hatte Jarka die glorreiche Idee, sie könnte doch einige Schrankteile aus einem Keller eines Freundes in Eimsbush holen, um diese in Brockmanns Laden zu einem neuen Tresen mit Einbauschränken zusammenzubauen. Mit Dingo, einem indonesischen Flüchtling, der sich zufällig auf die Party verirrt hatte, zogen Jarka und Berg los, um riesige Holzplatten durch die halbe Stadt zu schleppen. Bergs Arme wurden immer länger, er war betrunken. So lastete die Schwere des Materials ganz auf Dingo und Jarka, die tapfer mithielt. Und kräftig war. Was Berg nicht für möglich gehalten hatte.

Als sie nach vier Kilometer Transportweg in Brockmanns Laden standen, forderte Jarka Berg, trotz der Schmach des Schwächelns (er war mehr hinter den beiden hergegangen, als zu tragen), mit ihren Blicken demonstrativ auf. Und während Dingo sich noch Hoffnungen auf eine heiße Liebesnacht machte, fasste Berg Jarka vor Dingos erstauntem Blick in den Schritt und prüfte mit drei Fingern Zartheit und Zustand der Erregung. Was Berg selbst seltsam vorkam. Woher hatte er nur diesen Drive? Es muss an ihr liegen, dachte er. Dann erst küsste er Jarka.

Dingo trottete von dannen.

Wenige Stunden danach saßen Brockmann, Berg, Jarka und ein paar Übriggebliebene in desolatem Zustand auf der Polizeiwache und wurden verhört. Als der Staatsanwalt und Vermieter vom Diebstahl erfuhr, zerriss er den noch nicht unterzeichneten Mietvertrag für das Gartenhäuschen und setzte Brockmann auf die Straße.

In Bergs Koffer entdeckte die Polizei das Diebesgut, wenig später erhielt er einen Anruf seines erbosten Chefs Blarn: „Ich sorge persönlich dafür, dass Sie als Werbetexter nie wieder Fuß fassen! Nirgendwo! Sie haben nicht nur gestern Bockmist verzapft, es reicht!“ Berg wusste nicht, was er getan haben sollte. War etwas falsch gelaufen? War der Chef etwa Stammgast im Etablissement des Persers, womöglich sein bester Kunde?

Jarka flüsterte Berg derweil, dass er sie genau so anfassen soll, wie er es getan hat … in Zukunft …

Was Berg nicht ahnte: Jarkas Freund Tibor hatte während ihrer Annäherung im Garten gesessen und über elektronische Musik philosophiert …

Alexa verbot Berg bald jeglichen Kontakt zu den Kindern und untersagte ihm, überhaupt noch einmal anzurufen.

2

Ein halbes Jahr später …

„π mal Daumen“, Jarka drückte ein Auge zu und maß ihn via Luftlinie mit den Fingern, „bist du sechs Zentimeter groß. Einsfünfundachtzig kleiner als eben. Wie machst du das nur“, fragte sie. Einen Schmunzeleffekt, einen kleinen Ruck in seinen Gesichtsmuskeln erwartend. Nichts da. Keine Bewegung im Getriebe.

Sie stand auf einem formschönen Bein, das linke wedelte nach hinten, und krallte sich einhändig am Türrahmen fest. Sie wirkte wie ein Kreuz, als sie dort in Stand-by-Stellung verharrte.

Da saß er nun: bergfarben, wolkenförmig, wirkte unscharf, konturlos. Nicht nur zwischen Daumen und Zeigefinger. Überhaupt. Seines Zeichens Bindegewebe, Güteklasse II, schwieg er in den Pfennigbaum aus der Gattung der Fettgewächse hinein, der auf der Fensterbank stand. Saß, ihr den Rücken zugewandt, den Gasfuß unter die Heizung abgelegt, am Tisch und blickte auf den Staubfilm auf der Scheibe. Dahinter beleuchteten Sonnenstrahlen fast kahle Äste. Davor, auf dem Tisch: ein Automodell, Ford Mustang Shelby. Daneben die Zeit: 11.58, Sonnabend, 29. Oktober. Ein silberner Bilderrahmen zeigte eine nackte Frau, die einen Baumstamm umarmte: Jarka. Acht Zentimeter groß, Format 10 x 13.

Ab ins Bad ging sie, Haare machen. Er war wieder einmal auswärts. Oder, von ihm aus gesehen, in sich gegangen. „Meditation und Unansprechbarkeit gehen doch Hand in Hand“, schnaubte sie mit roten Lippen. Vor einer verwirrenden Mischung aus Kraft und Erotik strotzend, nahm sie den Föhn wie eine Hantel auf und ließ diesen mit 1500 Watt heißem Wüstenwind sprechen.

Berg, so nannten seine Freunde ihn wegen der steinern wirkenden Gesichtshaut, rauchte Zigaretten und hüllte sich in blauen Dunst, der im Gegenlicht als Schliere im Raum hing. Stumm erhob er sich vom Stuhl, mit dem er sonst verwachsen schien, und wechselte in die Küche, von wo aus er den Balkon betrat. Dieser Ast interessierte ihn. Gespannt, sich über die Brüstung in den Garten beugend, sah er auf den Boden, dem sich der ausgedörrte Zweig zuneigte, ihm greifbar nahe. Kein Blatt mehr, keine Knospen, keine Keime. Der Sommer ging zu Ende. Die Trockenzeit hatte den Elementen das Wasser entzogen. Berg streckte auf dem Balkon, der lächerlicherweise nur einen halben Meter über dem Erdboden schwebte, die Arme in die Luft und bog seinen Rücken kräftig durch. „Ahorn“, flüsterte er leise und hörte dabei seine 39 Jahre alten Lungen, vom Rauchen spröde, seltsam rasseln. Müder Lebensbaum?

In der Nachbarswohnung schlug eine Kuckucksuhr. In der Ferne läuteten die Kirchturmglocken: 12 Uhr mittags. Zeit für einen Showdown.

„Hast du den Lottoschein irgendwo gesehen“, fragte Jarka aus der Tiefe des Raumes. Berg verstand „Sonnenschein gesehen“, bejahte und starrte weiter in den Garten. „Keine Ahnung“, gab er ein paar Sekunden später zusammenhangslos zu. „Was sagtest du?“ Jarka verstand kein Wort, föhnte weiter und puzzelte an ihrem Kopf herum. Berg ging ins Schlafzimmer, versank einen halben Zentimeter im Kuschelflor, drehte sich vor dem weißen Spiegelschrank und überprüfte den Sitz des neuen cremefarbenen Anzugs. An der Brust wartete der Einreiher mit einer Tasche auf, die man per Reißverschluss zuzippen konnte. Ein Extra. Berg war zufrieden mit Passform und Verarbeitung. Jarka trat fertig geföhnt an seine Seite. Ihr Gang war federleicht. Als wären Ober- und Unterkörper an einem unsichtbaren Punkt in ihrer Mitte aufgehängt, bewegte sie sich wie ein Mobile. Ständig war sie in der Schwebe. Nur ihr Unterkiefer saß starr und steif, als wolle der etwas behaupten, dem man nicht widersprechen durfte.

Als Berg auf einem mokkafarbenen Ledersessel Platz nahm, ließ sie ihre langen kastanienbraun gefärbten Haare versuchsweise über seinen Kurzhaarschnitt hängen.

„Trägst du jetzt eine Perücke?“, scherzte sie, sank eine Etage tiefer und legte ihre Stirn auf seine gepolsterte Schulter.

Er gab einen gehusteten Lachlaut von sich, nahm ihren schmalen Arm in seine rechte und fuhr mit der linken Hand über die Härchen in ihrem Nacken, massierte diesen mit kreisenden Bewegungen.

„Na, wie isses?“ Er stand auf und umarmte ihre Taille. Sie erhob sich, wiegte, vor ihm stehend, die Hüfte: Biegsamkeit rules.

Sie lächelte, warf den Nacken in den Rücken, löste sich aus der Umarmung und wurde wieder ernst.

„Ich hatte einen Traum heute Nacht. Ich war ein Glas und passte irgendwo nicht durch. Um mich herum war alles milchig und konturlos“, sagte sie.

Berg schwieg, wollte das als Antwort gedeutet wissen und sah ihr ins Gesicht. Einmal in ihrer Haut stecken, einmal fühlen, was in ihr vorgeht! Berg fixierte ihre Augen, ihren Mund. Sein Blick löste sich nur schwer.

Hatte sie nicht Ähnlichkeit mit Ornella Muti – ihr breites Gesicht, das dennoch die Wangenknochen hervortreten ließ, die verlockenden mandelförmigen Augen, die verführerischen Lippen? Andere sahen das anders. Er wollte es so sehen.

In ihrem hellblauen Hosenanzug mit weit ausgestelltem Schlag wirkte sie heute wie ein Star aus den Siebzigern. Eine Fontäne superbleu.

Etwas begann zu stören: Die Fußfessel kratzte an seiner Wade.

„Was ist, was starrst du mich so an, du Komiker!“, sagte Jarka und schubste ihn spaßhaft. Gemeinsam fielen sie schräg nach links ins Bett.

„Ich hätte sehr unglücklich fallen können“, sagte er, einen ironischen Vorwurf inszenierend.

Berg drehte den Kopf nach links, nach rechts, überdehnte die Halsmuskulatur, stieß auf einen leichten Schmerz, um sodann die Prüfung, körperlich noch alles beisammenzuhaben, mit zufriedenstellendem Ergebnis abzuschließen.

„Du bist ein seltsamer Vogel! Sei nicht so empfindlich!“ Sie griff seine Hand, er zog sie weg. Sie sagte nichts mehr, guckte ihm in die Augen, worauf diese zur Seite wegkullerten und sich nach innen drehen wollten. Das aber schaffte Berg dann doch nicht. Jarka lachte. Ihre Wangen wurden dabei noch breiter. Sie zeigte Zähne, sie waren aus Gold. Sie zeigte Zahnfleisch. Es war ein leckeres Rot, wie das Fleisch einer Drachenfrucht. Jarka legte ihre Zähne an seine Zunge, leicht nur, dass er ihre Beißer spürte. „Ich will sie fressen.“ Dachte er das? Etwas hielt ihn davon ab.

Eine Stimme sagte: „Lass das!“

„Komm, lass los und lass uns los, du hast anscheinend Hunger, ich auch“, sagte sie und gab ihm einen leichten Tritt auf den Allerwertesten. Jarka stand bereits im Treppenhaus. Berg passierte die Wohnungstür. Es ertönte ein Signal, das durch die Fußfessel an seinem Bein ausgelöst wurde.

Als sie das Restaurant, eine Mischung aus Wiener Kaffeehaus und Pizzadiele, betraten, kam er sich tapsig vor, unbeholfen und insgeheim fürchtend, auch in dieser Tür oder in den Gesichtern der Anwesenden etwas auszulösen, ein Signal oder etwas Unvorhersehbares.

Da! Die fünfzigjährige Frau mit kamelfarbener Jacke, verrunzeltem Gesicht und anthrazitfarbener Bluse, die neben der Tür sitzt, starrt mich an, unterwirft mich ihren hochgezogenen Augenbrauen. Ist sie pikiert über meinen Anblick, fragte sich Berg hektisch, aber lautlos.

Als er die Alte taxierte, wandte diese ihre Augen schlagartig ab. Als hätte er etwas Abstoßendes, als würde man ihm ansehen, dass er direkt von zu Hause kommt, wo sich nur die schrecklichsten Dinge abspielen.

Berg wies auf einen Tisch, Jarka stimmte zu. „Ja, hier am Fenster … nett!“ Sie setzte sich, entledigte sich ihrer Jacke, zog eine Zigarette aus einem goldenen Etui und bot sie Berg an. „Sag mal, wie war’s denn gestern bei deiner Aktion“, fragte er.

„Ha!“, hob sie lachend an, „das war witzig. Ein Riesengelände, eine Baumschule mit Gartencenter-Supermarkt und einer Kongresshalle für Tagungen und Veranstaltungen. Wir waren zu zweit: Helga und ich haben die Ankömmlinge begrüßt. Ein Treffen der Bauingenieure von Siemens, die aus ganz Deutschland in Bussen an diesen Ort gekarrt wurden. In der Nähe von Hannover.“

Der Kellner kam und gab Karten aus.

„Dann mussten wir allen Leuten, das waren fast nur Männer, 400 waren’s bestimmt, vielleicht 15 Frauen, zur Ankunft vor der Konferenzhalle eine Blumenmarkette anstecken. Blaue, gelbe, grüne, rote. Zuerst hab ich sie den Männern ganz vorsichtig ans Revers geheftet, dann aber, so nach 100 Leuten, hab ich denen die Dinger so mit ’nem Klaps an die Brust gebackt. Das war lustig. Die mussten auch lachen und fragten, ob das denn irgendeine Bedeutung habe, diese Farben, ob sich alle Roten und Gelben und so weiter zueinander setzen sollten. ,Nö‘, sagte ich, das hat keine Bedeutung, ,setzen Sie sich, wohin Sie wollen!‘ Weißt du, diese Eventagentur wollte die Leute nach der Fahrt ein bisschen auflockern, hat ihnen aber auch keine Sekunde Zeit gelassen, anzukommen.“

Berg musterte Jarka und blies den Zigarettenrauch zur Seite. Eine junge Frau am Nebentisch holte blaue Stoffhippos aus ihrer Umhängetasche und gab eines davon einem blonden Jungen, vermutlich ihrem Sohn, der sich mächtig freute. Berg lächelte Jarka an. Die aber war ganz in ihrem Redefluss aufgegangen und hatte keine Augen für dieses kleine Ereignis.

„Dann hat da eine Band gespielt, das klang schrecklich, die Akustik war auch so schlecht … es hallte total und dröhnte, die Halle war so groß und ungemütlich, da haben bestimmt 3000 Leute reingepasst und unsere paar people fielen da kaum auf. Über drei Viertel der Halle blieben leer.“

Der Kellner nahm die Bestellung auf.

„Ich habe noch gar nicht geguckt, ich nehme, einen Moment, das Forellenfilet und einen weißen Bordeaux.“

Berg entschied sich für eine Reispfanne und Cola. Jetzt lächelte Jarka ihn an und er verzog kaum das Gesicht. Er war stolz, mit einer schönen Frau an einem Tisch zu sitzen, wollte es sich aber nicht anmerken lassen, nicht auf Kommando zurücklächeln.

„Na ja, und dann haben wir noch Sekt auf Tabletts gereicht, sind um alle Sitzbänke gelaufen und die Männer waren dann auch schon nach zwei, drei Gläsern leicht angeschickert und wollten einen angrapschen. Lästig! Nach zwei Stunden war unser Job erledigt. Zwischendurch dachte ich, was machst du hier eigentlich? Aber als ich mir ausrechnete, dass ich 250.- Mark verdiene, fühlte ich mich ganz gut. Kein schlechter Stundenlohn. Könnte ich öfter haben, solche Jobs“, sagte sie und legte ihre Hand auf seine.

„Damals mit dem Verteilen von Zigaretten und diesen Werbeaktionen, da war ich ja oft eine ganze Woche oder ein Wochenende an der Ostseeküste, Timmendorfer Strand und so“, Jarka hielt inne und blies den Rauch aus, „aber da habe ich nicht soo dolle verdient.“ Berg schaute sie an, nahm eine weitere Zigarette, hustete.

Jarka hatte schon einiges ausprobiert: Schauspielerin, Fremdsprachenkorrespondentin, Avon-Beraterin, Versicherungsangestellte, Schwimmlehrerin, Hutmacherin, Tanztherapiekursleiterin, Yoga-Lehrerin, Werbekauffrau und Kinderpflegerin. Ihr Lebenslauf umfasste mehrere Seiten. Und in jeder Zeile war eine andere Tätigkeit angegeben. Ihre eigentliche Bestimmung … kannte sie die?

Nun versuchte sie ihr Glück in der Sparte „Kellnernder Clown“, ein Berufszweig, für den Berg nur ein Kopfschütteln übrig hatte.

Während sie redete, wackelte er unmerklich. Er überlegte oft ergebnislos, wer ihm vor Monaten die Uhr und das Geld ins Case gesteckt haben könnte. Er wagte nicht, Jarka zu fragen. Sie wurde vom Kellner unterbrochen, der die Speisen brachte. Geschirr klapperte, Münder wurden geöffnet, man kaute, schluckte, trank.

Berg schaute Jarka an. Wie schön sie ist! Als sei die Vergangenheit an ihr abgeprallt. Aber es ist ja nur ihr Äußeres, das mir gegenübersitzt, die erwachsene Frau. In Wirklichkeit liegt ihre Seele als Baby im Kinderbett und weint, dachte er.

Berg, der eigentlich Rudolph hieß, Rudolph-Martin Berg, stand auf, ging um den Tisch, küsste sie, setzte sich wieder. Jarka weilte anderswo, blickte ins Leere, schien etwas bedenken und entscheiden zu wollen.

Nach dem Essen fuhren sie in Jarkas blauem 200er-Diesel, ein Geschenk ihres Vaters, zu ihm, in Bergs Privatgefängnis, fernsehen.

Regionalhandball, Spielfilmsequenzen aus fünf Dekaden auf acht Sendern, Videoclips, Minuten einer Dokumentation über Bachstelzen, Paarungs- und Sozialverhalten, Berichte von Handwerkern in Fulda und Feuerwehrleuten auf Island … nichts dabei?

Fiebrig drückte Berg die Fernbedienung und zappte hektisch von einem Programm ins andere.

Was machte ihn unruhig? Er spürte eine Erwartung von ihr ausgehen, die ihn belastete.

„Jetzt bleib doch mal auf einem Kanal. Ich werd ganz rammdösig“, maulte sie halb eingeschlafen, um sich sodann mit einer Flasche Rotwein nebenan ins Bett zu legen.

Einfach hinterhergehen? Geht nicht! Hündisch! Lieber warten, zappen, mich mit intensivster Dringlichkeit langweilen! Berg, während er sich am Bein kratzte, war genervt, blieb stur, wollte der inneren Stimme Paroli bieten, obwohl er wusste, dass er anderes tun müsste.

Als er sich dreißig Minuten später doch zu ihr gesellte, hatte sie schon zwei Drittel der Flasche intus und schlief. Ihre Brust hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Er bestaunte ihre Formen. Ihre geschlossenen Lider brachten die langen Wimpern besonders zur Geltung. Die dichten Augenbrauen machten einen Schwung aufwärts. Sanft fuhr er mit einer befeuchteten Fingerkuppe über die Brauen, streichelte ihre Stirn.

Sie zu beobachten war eine Freude! Besonders, wenn sie ihm dabei nicht zusah. Berg glaubte, dass er dies keine Minute früher hätte tun können.

Jarka wachte auf und nahm ihn mit unter ihre Decke. Sie war nackt. Er zog sich Anzug, Hemd und Slip aus, küsste ihren Nacken und legte sich dicht an sie. Jarka gab ihm ihre weichen Lippen … eng umschlungen lagen sie sich in den Mündern. Er fuhr ihr mit der Handinnenseite über Schenkel und Bauch, nahm ihre Brust in eine Hand und küsste ihre Brustwarze, bespielte sie mit seiner Zunge, schnell und heißatmig. Er berührte ihre Höfe mit den Daumen, vorsichtig wie Nitro, das jederzeit hochgehen könnte, umfasste er die Brüste mit zweimal vier Fingern und übte leichten Druck aus. Dann zog sie ihn auf sich. Als er eindrang und sich zentimeterweise vorarbeitete, zog sie ihn ganz eng an sich und presste ihre Arme auf seinen Rücken, wollte sie mit ihm ringen? Als er tiefer stieß und ihr einen Finger in den Mund steckte, soft, wurde sie reglos.

„Nicht so schnell!“, hauchte sie.

Als er langsamer wurde, warf sie ihren Kopf zur Seite: „Ich kann nicht. Lass mich! Bitte!“

Er nahm sich zurück, rollte herunter: „Was ist? Hast du wieder?“

„Ja … da waren wieder Bilder … so viele Männer, die ich bedienen musste. Das Schlimmste: Es macht mich scharf! Aber ich will das nicht, ich will es nicht …“ Jarka weinte.

„Musst du ja auch gar nicht, musst du nicht wollen.“

Er legte sich wieder dicht an ihre Seite. Jarka legte ihren Kopf an seine Brust, schwieg und schien nach zehn Minuten eingeschlafen.

Berg versank in leichtes Dämmern.

Als er nach einer halben Stunde erwachte, war Jarka verschwunden. Er hatte sie nicht fortgehen gehört. Auf dem Küchentisch ein Zettel:

Tut mir leid! Melde mich!

Nachts, Berg schlief bereits, klingelte das Telefon. Er ertastete den Hörer neben dem Bett.

„Hallo“, sagte sie zerbrechlich, „schläfst du schon?“

„Jetzt nicht mehr“, murmelte er.

„Sei mir nicht böse.“

Ihr Tonfall verriet Tränen und einen gestiegenen Alkoholpegel.

„Vielleicht ist es besser, wir sehen uns erst mal nicht“, sagte sie.

Berg schwieg. Es war dunkel, nur das rote Licht im Kippschalter der Steckdosenleiste flackerte porös.

„Oder soll ich noch vorbeikommen“, fragte sie plötzlich.

Soll ich? Statt: Kann ich? Und das, obwohl sie mich eigentlich erst einmal nicht mehr sehen will …?

„Ja“, sagte er ebenso zärtlich wie verwirrt.

„Okay, dann bin ich in zwanzig Minuten da. Ich komm mit dem Taxi. Bis gleich!“

Als Jarka vor seinem Bett stand, roch sie nach Wein. Zu viel davon. Ihre Haare: zerzaust. Ihre Haut: klebrig, verschwitzt. Sie legte sich zu ihm, schmiegte sich an ihn. Ihr Körper war nass. Weich und warm fühlte sich Berg an. Sie strich ihm über die Brust und küsste seine rotbraunen, behaarten Inseln. Er drehte sich ihr zu, lauschte ihrem Atem … ihre kleine Zunge näherte sich seinen Mundwinkeln und leckte ihm die Lippen. Die Zartheit überwältigte ihn. Eine fleischliche Pforte öffnete sich und die Räume wurden groß. Jarka führte seine Hände an ihre Brüste, die diese Teller, hier hineingegossen, ganz ausfüllten. Dann setzte sie sich auf ihn und er spürte ihre Hinterbacken auf seinen Lenden kreisen. Er bewegte sie in rhythmischen Stößen auf und ab, strich mit den Fingern an ihrem Hals hoch, schob ihr Kinn nach oben, massierte ihre Kiefermuskeln, nahm ihren Kopf in die Hände und stülpte seine Finger wie ein Netz über ihren Kopf. Mit den Daumen rieb er ihre Warzen, presste die Brüste mit den anderen Fingern aneinander und nahm ihre hervorstehenden Vulkane in den Mund …

Sie brach ab, weinte, verdeckte ihr Gesicht mit der Bettdecke.