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Albert Ellis

Training der Gefühle

Albert Ellis

Training der Gefühle

Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein

Aus dem Amerikanischen übertragen von Gordon H. Price

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

info@mvg-verlag.de

8. Auflage 2021

© 2006 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die englische Originalausgabe erschien 1988 unter dem Titel How to Stubbornly Refuse to Make Yourself Miserable About Anything — Yes Anything!

© 1988 by Institute for Rational-Emotive Therapy. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Gordon H. Price

Umschlaggestaltung: Atelier Seidel, Teising

Umschlagabbildung: © master file, Düsseldorf (Elisabeth Knox)

Satz: Jürgen Echter, Landsberg am Lech

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN 978-3-636-06283-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-905-3
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-906-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie

www.mvg-verlag.de

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Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Die häufigsten REVT-Fachbegriffe

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Vorwort zur Neuauflage

Kapitel 1

Warum ist dieses Buch anders als andere Selbsthilfe-Ratgeber?

Kapitel 2

Können Sie sich wirklich weigern, sich wegen jeder Kleinigkeit unglücklich zu machen?

Kapitel 3

Kann wissenschaftliches Denken Sie von Ihren 39 seelischen Problemen befreien?

Kapitel 4

Wie Sie sich selbst, andere und Ihre Lebensumstände wissenschaftlich einschätzen können

Kapitel 5

Warum die üblichen Einsichten Ihnen nicht beim Überwinden Ihrer emotionalen Probleme helfen können

Kapitel 6

Einsicht Nr. 1: Wie Sie sich Ihrer angemessenen und unangemessenen Gefühle bewusst werden

Kapitel 7

Einsicht Nr. 2: Sie selbst bestimmen Ihr emotionales Schicksal

Kapitel 8

Einsicht Nr. 3: Die Tyrannei der Muss-Vorstellungen

Kapitel 9

Einsicht Nr. 4: Vergessen Sie Ihre schreckliche Vergangenheit

Kapitel 10

Einsicht Nr. 5: Disput irrationaler Ideen

Kapitel 11

Einsicht Nr. 6: Sie können sich weigern, sich über Ihre Probleme Sorgen zu machen

Kapitel 12

Einsicht Nr. 7: Wie man subjektive und objektive Probleme löst

Kapitel 13

Einsicht Nr. 8: Wie Sie Ihre Gedanken ändern können, indem Sie ihnen zuwider handeln

Kapitel 14

Einsicht Nr. 9: Probieren geht über Studieren

Kapitel 15

Einsicht Nr. 10: Ändern Sie Ihre Überzeugungen und Verhaltensweisen

Kapitel 16

Einsicht Nr. 11: Eine emotionale Veränderung zu erreichen ist nicht genug – sie aufrechtzuerhalten ist schwieriger!

Kapitel 17

Einsicht Nr. 12: Nicht aufgeben, wenn Sie rückfällig werden!

Kapitel 18

Einsicht Nr. 13: Erweitern Sie Ihr Trainingsprogramm

Kapitel 19

Einsicht Nr. 14: Ja, Sie können sich hartnäckig weigern, sich unglücklich zu machen!

Anhang:

Die biologische Grundlage der menschlichen Irrationalität

Literaturhinweise

Über den Autor

Danksagung

Ich möchte den vielen Klienten und Workshopteilnehmern, deren Fälle ich in diesem Buch anonym erwähne, für ihre Mitwirkung danken.

Ich danke auch Emmett Velten, Shawn Blau und Kevin Everett FitzMaurice, die das Manuskript dieses Buches lasen und kommentierten, aber nicht für seinen Inhalt verantwortlich sind, für ihre konstruktive Kritik. Herzlichen Dank!

Und schließlich möchte ich auch Tim Runion für seine vorzügliche Arbeit am Computer danken.

Die häufigsten REVT-Fachbegriffe

Abkürzung

Amerikanischer Fachbegriff

Deutscher Fachbegriff

A

Activating Event

Aktivierendes Ereignis

B

Belief

Idee/Überzeugung/Interpretation

C

Consequence

Konsequenz

D

Dispute

Disput

E

Effective New Philosophy

Effektive Neue Philosophie

G(s)

Goal(s)

Ziel(e)

iB(s)

Irrational Belief(s)

Irrationale Idee(n)/Überzeugung(en)/Interpretation(en)

LFT

Low Frustration Tolerance

Niedrige Frustrationstoleranz

rB(s)

Rational Belief

Rationale Idee(n)/Überzeugung(en)/Interpretation(en)

REI

Rational Emotive Imagery

Rationale Vorstellungsübung

REBT/REVT

Rational Emotive Behavior Therapy

Rational-Emotive Verhaltenstherapie

 

Hinter der bahnbrechenden Arbeit von Albert Ellis steht die Erkenntnis, daß wir unser Leben durch bestimmte Annahmen schwer machen können. Eine Kategorie jener Annahmen sind Varianten von drei Muß-Aussagen:

1.Ich muß ständig gute Leistungen erbringen“ (sonst bin ich unmöglich),

2.Du mußt mich rücksichtsvoll behandeln!“ (sonst bist du unmöglich) und

3.Mein Leben/die Welt muß meine Wünsche erfüllen!“ (sonst ist es unerträglich …).

Diese Aussagen klingen zwar verrückt, wenn wir sie genau betrachten, und doch schwingen sie oft im Hintergrund mit und verursachen äußerst unangenehme Stör-Töne in unserem Lebens-Konzert. Wie wir den Grad an innerer Harmonie systematisch vergrößern können, wenn wir einige grundlegende Einsichten gewinnen und diese dann praktisch umsetzen, zeigt dieses Buch: Leicht verständlich und nachvollziehbar von einem der wichtigsten Forscher und Psychotherapeuten über intelligente und realistische Strategien für positives Denken!

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Vera F. Birkenbihl

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Es ist für mich eine erfreuliche Aufgabe, Albert Ellis’ „Training der Gefühle“ dem deutschsprachigen Leser vorzustellen – hauptsächlich weil ich meine, dass bisher noch viel zu wenig Bücher dieses herausragenden Psychotherapeuten auf Deutsch veröffentlicht wurden und weil es sich dabei um ein ganz besonderes Selbsthilfebuch handelt.

Unter den mehr als 50 Büchern, die Albert Ellis bisher geschrieben hat, finden wir auch mehrere Selbsthilferatgeber mit über einer Million verkaufter Exemplare. Keines davon liegt bisher in Deutsch vor. Allein dieser Umstand macht die Herausgabe von „Training der Gefühle“ begrüßenswert.

Albert Ellis ist der Begründer der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (REVT), die einen Haupttrend der modernen Psychotherapie darstellt. Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) kann charakterisiert werden als ein ganzheitlicher, handlungsorientierter Psychotherapieansatz mit dem Ziel emotionalen Wachstums: Wir werden ermutigt, unsere Gefühle bewusst zu erleben und auszudrücken, wobei der Zusammenhang von Denken, Fühlen und Handeln betont wird.

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie hilft,

emotionalen Stress und zwischenmenschliche Probleme zu überwinden,

die vorhandene persönliche Energie kreativ einzusetzen,

das Leben bei der täglichen Arbeit und im persönlichen Bereich mit mehr Zufriedenheit, Erfolg und Erfülltheit zu gestalten.

Die Unzulänglichkeiten traditioneller Formen der Psychotherapie veranlassten Albert Ellis in den fünfziger Jahren, das System der REVT zu entwickeln. Heute werden REVT und andere kognitiv-behaviorale Techniken weltweit von über 10 000 Psychotherapeuten und Beratern im psychosozialen Bereich praktiziert. Die Therapieforschung hat gezeigt, dass emotionale Probleme hauptsächlich auf bestimmte Erwartungen und Einstellungen gegenüber sich selbst, anderen Menschen und der Welt zurückzuführen sind – und eben nicht nur von Erziehung und Umwelt abhängen. Wir Menschen tendieren dazu, uns übermäßig psychisch zu belasten, wenn:

etwas schief läuft oder wir von einem uns wichtigen Menschen abgelehnt werden,

andere Menschen uns (gewollt oder ungewollt) unfair behandeln,

wir mit Dingen konfrontiert werden, die unangenehm oder schmerzvoll sind.

Indem wir lernen, unsere selbstschädigenden Einstellungen zu verändern, entwickeln wir größere Fähigkeiten, mit gegenwärtigen Problemen umzugehen und ein freieres, unabhängigeres und emotional befriedigendes Leben zu führen.

Lassen Sie mich kurz einige Hauptaspekte dieses Ansatzes unterstreichen:

1. Zwischen der Psychotherapie und der Philosophie bestand seit längerer Zeit eine unsinnige Trennung. Dagegen hat die REVT nunmehr ausdrücklich auf eine lange philosophische Tradition Bezug genommen: Burkhard Hoellen zeigt in seinem Buch „Stoizismus und Rational-Emotive Therapie“ ausführlich, wie eng die Verbindung zwischen REVT und stoischer Philosophie ist. Der Ausspruch Epiktets, dieses größten Vertreters der stoischen Philosophie, umreißt die klinische Theorie der REVT: Es sind nicht die Dinge an sich, die die Menschen in emotionale Verwirrung bringen, sondern die Sicht, die sie von diesen Dingen haben.

2. Die REVT macht uns klar, dass psychologische Hilfe zu einem großen Teil aus Selbsthilfe besteht. Die vielen Therapeuten und Berater, die in der ganzen Welt nach den Prinzipien der REVT arbeiten, ermutigen ihre Klienten regelmäßig, verschiedene Selbsthilferatgeber zu lesen. Diese Bibliotherapie kann sehr nützlich sein und den therapeutischen Erfolg beschleunigen. Hunderte von Lesern meines Selbsthilfebuches „Gefühle erkennen und positiv beeinflussen“ erklärten mir stolz, dass sie sogar ohne jeden Kontakt mit einem professionellen Therapeuten nur durch Bibliotherapie bemerkenswerte Verbesserungen ihres psychischen Befindens erreichten.

3. Die REVT betont die Bedeutung und Wirksamkeit aktiver Selbstmanagementtechniken. In „Training der Gefühle“ präsentiert der Begründer der REVT in exzellenter Weise eine große Zahl von praktischen Übungsvorschlägen, mit deren Hilfe der Leser die Prinzipien der REVT für sich anzuwenden lernt. In klar aufeinander aufbauenden Kapiteln führt uns Albert Ellis in die verschiedenen Techniken der Realitätsbewältigung und der Lösung emotionaler Probleme ein.

Dennoch: Auch „Training der Gefühle“ kann nicht garantieren, dass man entsprechend hart an sich arbeitet, um sein Leben entscheidend zum Vorteil hin zu ändern – aber es zeigt genau, wie man an sich arbeiten kann, wenn man will.

Dieter Schwartz, Psychotherapeut

Deutsches Institut für Rational-Emotive und Kognitive Verhaltenstherapie (DIREKT) e.V., Eisingen bei Würzburg

Vorwort zur Neuauflage

Die Weiterentwicklung der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie auf den Stand des 21. Jahrhunderts

Die erste Ausgabe dieses Buches schrieb ich 1987, zu diesem Zeitpunkt wurde die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) bereits seit 42 Jahren erfolgreich praktiziert. Fast alle hielten den Titel meines Buches für zu lang – 14 Wörter im amerikanischen Original und immerhin noch elf in der deutschen Ausgabe – und meinten, dies würde sich ungünstig auf den Verkauf des Buches auswirken. Diese Prognose erwies sich jedoch als falsch; Training der Gefühle. Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein ist zusammen mit A Guide to Rational Living das erfolgreichste meiner Bücher.

In den vergangenen 18 Jahren hat sich allerdings vieles weiterentwickelt, und auch REVT hat sich seit 1987 durchaus verändert. Zum einen heißt sie seit 1993 Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) statt Rational-Emotive Therapie (RET). Zum anderen ist sie heute mehr denn je multimodal. Sie legt nicht nur besonderen Nachdruck auf viele kognitive, emotive und behaviorale therapeutische Methoden, sondern auch auf ihre Integration (wie ich in dieser überarbeiteten Ausgabe darlege). Somit ist sie heute mehr denn je eine kognitiv-emotive Verhaltenstherapie.

Darüber hinaus ist sie philosophischer – oder betont Philosophie stärker als früher. Anders als die meisten anderen Kognitiven Verhaltenstherapien (KVT) betont sie drei grundlegende philosophische Aspekte, wie ich sie in mehreren meiner kürzlich erschienenen Bücher unterstrich, vor allem in Feeling Better, Getting Better, Staying Better; Overcoming Destructive Beliefs, Feelings, and Behaviors; Rational Emotive Behavorial Therapy – It Works for Me, It Can Work for You; und The Road to Tolerance: The Philosophy for Rational Emotive Behavior Therapy. Diese Lebensphilosophien ergeben sich daraus, dass Sie sich Ihrer dysfunktionalen und irrationalen Ideen bewusst werden, sie kognitiv-emotiv-verhaltenstherapeutisch disputieren und so zu einer Effektiv Neuen Philosophie oder Rational Coping Philosophy gelangen.

Die drei grundlegenden Aspekte einer Rationalen Lebensphilosophie, welche die REVT betont, sind:

Voraussetzungslose Selbstakzeptanz (Unconditional Self-Acceptance – USA) statt auf Voraussetzungen beruhendes Selbstwertgefühl (Conditional Self-Esteem – CSE). Sie bewerten und evaluieren Ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen in Bezug auf Ihre Hauptlebensziele, nämlich lange gesund am Leben und dabei relativ glücklich zu bleiben, um dann beurteilen zu können, ob Ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen diesen Zielen förderlich sind. Wenn sie ihnen förderlich sind, bewerten Sie sie als „gut“ oder „effektiv“, und wenn sie Ihre Ziele sabotieren, bewerten Sie sie als „schlecht“ oder „ineffektiv“. Aber Sie akzeptieren und respektieren sich selbst, Ihr Menschsein, Ihre Person insgesamt immer – ja, ausnahmslos immer –, unabhängig davon, ob Sie nun gute Leistungen erbringen oder nicht, ob andere Menschen Sie und Ihre Verhaltensweisen billigen oder nicht.

Voraussetzungslose Akzeptanz anderer (Unconditional Other-Acceptance – UOA). Sie bewerten, was andere Menschen denken, fühlen und tun – gemäß Ihren eigenen und den allgemeinen gesellschaftlichen Normen – als „gut“ oder „schlecht“. Aber Sie bewerten niemals diese Menschen an sich, ihr Menschsein, ihr Sein. Sie akzeptieren und respektieren sie als Person – aber nicht immer alle ihrer Eigenschaften und Verhaltensweisen – einfach weil sie, genauso wie Sie selbst, lebendig und menschlich sind. Sie empfinden hilfreiches Mitgefühl für alle Menschen – und vielleicht für alle empfindungsfähigen Lebewesen.

Voraussetzungslose Akzeptanz des Lebens (Unconditional Life-Acceptance – ULA). Sie bewerten die Bedingungen Ihres Lebens und Ihrer Gemeinschaft als „gut“ oder „schlecht“ – gemäß Ihren moralischen Zielen und denen Ihrer Gemeinschaft. Aber bewerten Sie niemals das Leben als solches oder die Bedingungen als solches als „gut“ oder „schlecht“. Versuchen Sie, wie Reinhold Niebuhr sagte, die Ihnen nicht genehmen Bedingungen, die Sie ändern können, zu ändern. Haben Sie aber auch die Gelassenheit, jene Umstände hinzunehmen, die Sie nicht ändern können, und verfügen Sie über die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

REVT behauptet nicht, dass diese drei philosophischen Grundformen der Akzeptanz Sie unglaublich glücklich machen werden. Das wird nicht der Fall sein. Sie werden noch immer Ihren Beschränkungen und denen Ihrer sozialen Gruppe ausgesetzt sein. Sie werden noch immer die Fähigkeit – das Talent! – haben, sich unnötig unglücklich zu machen, indem Sie Ihre gesunden Wünsche zu ungesunden Forderungen machen. Sie werden noch immer mit handfesten Problemen konfrontiert sein, mit denen Sie zu leben haben – wie Überschwemmungen, Stürmen und Krankheiten. Aber Ihre emotionalen, Ihre Denk- und Verhaltensprobleme werden mit größter Wahrscheinlichkeit abnehmen – und auch Ihre gestörten Gefühle in Bezug auf Ihre Gedanken, Emotionen und Handlungen.

Was gilt es zu tun, um mit Ihren eigenen Problemen, denen anderer Menschen und denen der Welt fertig zu werden? Werden Sie sich Ihrer eigenen unnötigen Tendenzen vollkommen bewusst. Mit Soll-, Müsste- und Muss-Vorstellungen, die Sie zusätzlich zu Ihren Wünschen und Vorlieben haben, machen Sie sich unglücklich. Verdeutlichen Sie sich Ihre eigenen Irrationalitäten (und die anderer) so gut wie möglich. Disputieren Sie sie realistisch, logisch und pragmatisch. Disputieren Sie sie denkend und emotional und auf der Verhaltensebene – wie es in diesem Buch gezeigt wird. Erarbeiten Sie sich wie oben erwähnt die grundlegenden Aspekte einer rationalen Lebensphilosophie und trainieren Sie diese ständig und dauerhaft!

Albert Ellis

KAPITEL 1

Warum ist dieses Buch anders als andere Selbsthilfe-Ratgeber?

Hunderte von Selbsthilfebüchern werden jedes Jahr herausgebracht, und viele davon helfen tatsächlich Millionen von Lesern. Warum also noch eins? Warum sollte ich versuchen, mein eigenes und Robert A. Harpers „A New Guide to Rational Living“ (,Ein neuer Führer in ein rationales Leben‘) zu übertreffen, das bereits eine Auflage von über einer Million erreicht hat, und den Versuch unternehmen, davon abgeleitete Bücher wie zum Beispiel „Der wunde Punkt“ und andere Bücher von Wayne W. Dyer zu ergänzen, die ebenfalls Millionen Leser angesprochen haben. Wozu?

Aus mehreren triftigen Gründen. Obwohl die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT), die ich 1955 ins Leben rief, nunmehr anerkannt ist und obwohl die meisten modernen Therapeuten (ja sogar Psychoanalytiker) große Teile davon in ihre Behandlungspläne einbauen, wird sie oft auf verwässerte Art angewandt.

Abgesehen von meinen eigenen Fachbüchern gibt es bis jetzt keine realistische, an der Praxis orientierte Version der REVT aus erster Hand; die wenigen Versuche sind nicht allgemein verständlich und populär in Ratgeberform geschrieben. Der vorliegende Band beabsichtigt, dieses Versäumnis nachzuholen.

Insbesondere hat das Buch die folgenden Ziele, die der Leser meines Erachtens in keinem anderen psychologischen Ratgeber vorfinden wird.

Es ermutigt Sie, Ihre Gefühle intensiv zu spüren und sie auszuleben, wenn etwas in Ihrem Leben schief geht. Es unterscheidet jedoch eindeutig zwischen angemessenen und hilfreichen Emotionen wie Besorgnis, Trauer, Frustration und Verdruss und unangemessenen und zerstörerischen Ängsten, Depressionen, Wut und Selbstmitleid.

Es zeigt Ihnen, wie Sie mit schwierigen Lebenssituationen fertig werden, und wie Sie sich wohler fühlen, wenn Sie ihnen gegenüberstehen. Aber was wichtiger – wesentlich wichtiger – ist, es zeigt auch, wie es Ihnen besser gehen kann und wie Sie sich besser fühlen können, wenn Sie sich nicht unnötigerweise „neurotisieren“ bzw. quälen.

Es bringt Ihnen nicht nur bei, wie Sie Ihr emotionales Schicksal beherrschen und es hartnäckig ablehnen können, sich unglücklich zu machen, sondern es erklärt auch ganz spezifisch, was Sie unternehmen können, um Ihr Potenzial an Selbstbestimmung zu nutzen.

Wissenschaftliches Denken, der Verstand und die Realität werden rigoros befolgt und gefördert, und dieses Buch meidet genau das, was die meisten heutigen Selbsthilfebücher so sorglos empfehlen, nämlich gigantische Mengen an Mystik, Religiosität und utopischen Tagträumereien.

Es wird Ihnen helfen, eine tiefe gedankliche Veränderung und eine radikal neue Lebenseinstellung zu entwickeln, statt unrealistisch übertrieben einer Lebenseinstellung wie dem „positiven Denken“ zu huldigen, die Ihnen zwar kurzfristig Erleichterung verschafft, aber auf lange Sicht oft versagt.

Es bietet Ihnen viele Techniken zur Entwicklung Ihrer Persönlichkeit, die nicht nur von anekdotischen „Beweisen“ bzw. Erfahrungsberichten gestützt werden, sondern inzwischen auch durch Dutzende von objektiv wissenschaftlich, mit Kontrollgruppen durchgeführte Experimente als wirkungsvoll belegt wurden.

Es zeigt Ihnen wirksam, wie Sie im Augenblick Ihre Gefühls- und Verhaltensprobleme immer noch selbst schaffen. Es ermutigt Sie nicht, endlos Ihre Zeit und Energie mit dem törichten Versuch zu vergeuden, Ihre Vergangenheit zu begreifen, zu bewältigen und zu verklären. Es führt die Mechanismen Ihrer selbst geschaffenen Probleme vor Augen und zeigt, was Sie heute unternehmen können, um dieses fortdauernde unnötige Verhalten abzulegen.

Es ermutigt Sie, lieber die volle Verantwortung für Ihr Verhalten zu übernehmen und es zu verändern, anstatt das Handtuch zu schmeißen und Ihren Eltern oder aber Ihrer Umwelt die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, dass Sie ihren albernen Lehren folgen.

Dieses Buch legt die Grundlagen der REVT (und anderer Formen der kognitiven Therapie bzw. kognitiven Verhaltenstherapie) in allgemein verständlicher Weise dar und zeigt, wie Stimuli bzw. aktivierende Ereignisse (A) in Ihrem Leben nicht unbedingt oder unmittelbar Einfluss auf Ihre Gefühlswelt haben müssen (C). Stattdessen ist es das System Ihrer eigenen und selbst geschaffenen Ideen (B), das Sie ziemlich verwirrt, und Sie sind daher in der Lage, diese unsinnigen Ideen anzufechten und aufzugeben. Insbesondere zeigt Ihnen dieses Buch viele Denk-, Emotions- und Verhaltensstrategien, wie Sie das System Ihrer eigenen irrationalen Ideen (iBs) anfechten und aufgeben können, und wie Sie dadurch zu einer effektiven neuen Lebensphilosophie (E) gelangen können.

Es zeigt Ihnen nicht nur, wie Sie Ihre gegenwärtigen Wünsche, Begehren, Vorlieben, Ziele und Werte beibehalten, sondern auch, wie Sie Ihre übersteigerten, gottähnlichen Forderungen und Befehle aufgeben können, diese absoluten und dogmatischen „ich sollte“, „ich hätte“ und „ich müsste“, die man seinen Wünschen und Vorlieben anhängt und mit denen man sich umsonst abgibt.

Dieses Buch demonstriert, wie Sie unabhängig und nach innen orientiert sein können, und wie Sie mehr an sich selbst denken, anstatt leichtgläubig und beeinflussbar weiterhin das zu denken, was andere von Ihnen erwarten.

Es zeigt Ihnen viele praktische, handlungsorientierte Übungen, die Ihnen dazu verhelfen werden, Ihre bisherige Lebensweise neu zu gestalten und rationale REVT-Methoden in der Praxis zu verwenden.

Es zeigt Ihnen, wie Sie in einer höchst irrationalen Welt rational vorgehen können, damit Sie unter den schwierigsten und „unmöglichsten“ Umständen so glücklich wie möglich leben können. Es besteht darauf, dass Sie es hartnäckig ablehnen können, sich über einige wahrhaft grauenhafte Ereignisse – Armut, Terrorismus, Krieg – unglücklich zu machen; und dass Sie, wenn Sie sich doch dazu entschließen, erfolgreich daran arbeiten können, einige der schlimmsten Situationen, mit denen Sie konfrontiert werden, und vielleicht sogar die ganze Welt zu verändern.

Es wird Ihnen helfen, für einige der Hauptursachen von Geistesstörungen, wie zum Beispiel Engstirnigkeit, Intoleranz, Dogmatismus, Tyrannei und Despotismus, Verständnis aufzubringen, und zu sehen, wie Sie gegen diese Ursachen Ihrer eigenen neurotischen Störungen oder der Neurosen Dritter angehen können.

Das „Training der Gefühle“ stellt eine große Vielfalt von REVT-Methoden vor, die Ihnen helfen, mit den quälenden Gefühlen von Angst, Depression, Feindschaft, Selbsterniedrigung und Selbstmitleid umzugehen. Mehr als andere Therapieformen bleibt die REVT wirklich eklektisch und multimodal. Gleichzeitig ist sie zielstrebig und tut ihr Möglichstes, schädliche und unwirksame psychotherapeutische Methoden aus der Welt zu schaffen.

Die REVT ist sehr aktiv ausgerichtet. Sie zielt direkt auf den Kern menschlicher Störungen und stellt ein Selbsthilfeprogramm vor, das innerhalb kürzester Zeit ungewöhnliche Erfolge erzielen kann.

Dieses Buch zeigt Ihnen, wie Sie ein ehrlicher Genießer und Individualist sein können – sich selbst treu, aber gleichzeitig ein glückliches, soziales Mitglied der Gesellschaft. Es lässt zu, dass Sie Ihre eigenen spezifischen Werte, Ziele und Ideale beibehalten und sogar erweitern, während Sie gleichzeitig ein verantwortungsbewusster Bürger bleiben.

Es ist einfach und, wie ich hoffe, außergewöhnlich klar, aber keineswegs zu stark vereinfachend. Seine Weisheit, die von vielen Philosophen und Psychologen stammt, ist praktisch und realitätsnah – aber nichtsdestotrotz profund.

Es stellt Regeln und Methoden vor, die von den beiden Therapieformen abgeleitet wurden, die in den letzten Jahren die größte Anerkennung gefunden haben – REVT (Rational-Emotive Verhaltenstherapie) und KVT (Kognitive Verhaltenstherapie) – und die auf Grund ihrer effektiven Hilfe bei Millionen von Klienten wie auch Tausenden von Therapeuten in den vergangenen Jahren enorm Verbreitung gefunden haben. Es nimmt das Beste der Selbsthilfetechniken, aus denen diese Therapien bestehen, und passt sie so an, dass sie jeder anwenden kann.

Vermittelt Ihnen dieses Buch tatsächlich, wie Sie sich hartnäckig weigern können, sich wegen irgendetwas – gleichgültig was – unglücklich zu machen? Ja, das zeigt Ihnen dieses Buch, wenn Sie ihm aufrichtig Gehör schenken und daran arbeiten, seine Botschaft zu empfangen und anzuwenden.

Werden Sie ihm Gehör schenken? Werden Sie daran arbeiten? Werden Sie DENKEN, FÜHLEN und HANDELN?

Das können Sie ganz eindeutig. Ich hoffe, Sie tun es auch!

KAPITEL 2

Können Sie sich wirklich weigern, sich wegen jeder Kleinigkeit unglücklich zu machen?

Dieses Buch vermittelt eine seltsame Botschaft, nämlich, dass praktisch alle seelischen Konflikte ziemlich unnötig sind – ganz zu schweigen davon, dass sie unethisch sind. Sie selbst unethisch? Wenn Sie sich selbst in tiefe Angst oder Depressionen versetzen, so sind Ihre Handlungen ganz klar gegen sich selbst gerichtet und Sie sind sich selbst gegenüber unfair und ungerecht.

Ihre Verwirrung hat auch eine schlechte Auswirkung auf Ihr soziales Umfeld. Sie trägt dazu bei, Freunde und Verwandte in Aufregung zu versetzen und in gewissem Maße Ihrer ganzen Umwelt zu schaden. Die Konsequenzen, die Sie dafür zu tragen haben, dass Sie sich in Panik, Zorn oder Selbstmitleid ergehen, sind ungeheuerlich. Sie vergeuden Zeit und Geld, unternehmen nutzlose Anstrengungen, leiden unerwünschte seelische Qualen, unterminieren das Glück anderer und lassen sich dummerweise mögliche Freuden entgehen in dem einen – jawohl, dem EINEN Leben, das Sie jemals haben werden.

Was für eine Verschwendung!

Aber ist seelischer Schmerz vielleicht nicht eine Grundbedingung der menschlichen Existenz? Begleitet er uns nicht seit undenklichen Zeiten? Ist er dann nicht unvermeidlich, solange wir wahrhaft menschlich sind, solange wir die Fähigkeit besitzen zu fühlen?

Nein, das ist er nicht.

Verwechseln wir nicht schmerzliche Gefühle mit seelischer Störung! Ohne Zweifel können Menschen fühlen. Andere Wesen fühlen auch, ihre Gefühle sind jedoch nicht so tief. Zum Beispiel scheinen Hunde das zu fühlen, was wir vielleicht Liebe, Trauer, Furcht und Vergnügen nennen. Sie empfinden nicht genauso wie wir, aber sie haben ganz zweifellos Gefühle.

Aber wie steht es mit Ehrfurcht, romantischer Liebe, poetischem Feuer, kreativer Leidenschaft und wissenschaftlicher Neugierde? Haben Hunde und Affen diese Gefühle auch?

Ich bezweifle es. Unsere feinsinnigen, romantischen, kreativen Gefühle entstehen aus komplizierten Gedanken und Weltanschauungen. Zwei Stoiker, Epiktet und Mark Aurel, wiesen darauf hin, dass wir Menschen hauptsächlich so fühlen, wie wir denken. Das stimmt nicht ganz, aber im Großen und Ganzen.

Das ist seit über 30 Jahren die zentrale Botschaft der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (REVT). Sie entstand aus der Verschmelzung und Anpassung einiger Grundregeln alter und neuerer Denker, insbesondere der Gedanken von Baruch Spinoza, Immanuel Kant, John Dewey und Bertrand Russell. In der Tat schaffen wir unsere eigenen Gefühle, und das tun wir durch Lernprozesse (von unseren Eltern und der Umwelt) und durch das Erfinden unserer eigenen rationalen und irrationalen Gedanken.

Wir treffen bewusst oder unbewusst die Wahl unserer Gedanken und somit bestimmen wir unsere Gefühle, und zwar auf eine Art und Weise, die uns selbst hilft oder schadet.

Das stimmt so noch nicht ganz. Denn sowohl die Vererbung als auch unsere Umwelt beeinflussen uns zusätzlich.

Wir werden kaum mit bestimmten Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen geboren. Und genauso wenig veranlasst uns unsere Umgebung unmittelbar zum Handeln oder Fühlen. Unsere Gene und unser soziales Umfeld beeinflussen unser Denken und Handeln in hohem Maße, auch unsere Launen, unsere Lust und unsere Vorlieben. Und obwohl wir normalerweise diesen vorhersehbaren Neigungen nachgeben, sind wir doch nicht unbedingt dazu gezwungen.

Nicht, dass wir unbegrenzte Wahlmöglichkeiten oder gar einen freien Willen hätten. Oh nein. So sehr wir es auch wollen, wir können nicht einfach die Arme ausbreiten und fliegen. Wir können unsere verschiedenen Abhängigkeiten, wie die Abhängigkeit von Zigaretten, Nahrungsmitteln und Alkohol, oder Gewohnheiten, wie chronische Entschlusslosigkeit, nicht so einfach ablegen. Es fällt uns sehr schwer, auch nur eine unserer eingefahrenen Verhaltensweisen zu ändern. Leider!

Wir haben aber die Möglichkeit, uns merklich zu verändern. Wir sind in der Lage, selbst unseren eingefahrensten Verhaltensweisen eine neue Richtung zu geben. Warum? Weil wir, im Gegensatz zu Hunden, Affen und Kakerlaken, menschlich sind. Als Menschen werden wir mit einem Wesenszug geboren (und können diesen gezielt weiterentwickeln), den andere Wesen nicht besitzen: Wir besitzen die Fähigkeit, uns über unsere Gedanken Gedanken zu machen. Wir sind von Natur aus Philosophen, wir können über unsere Weltanschauungen philosophieren, unsere Vernunft durchdenken.

Das ist ein ziemliches Glück! Und das gibt uns einen gewissen Grad an Selbstbestimmung oder freiem Willen. Wenn wir nämlich nur eingleisige Denker wären, unser Denken nicht erforschen, unsere Gefühle nicht abwägen, unser Tun nicht im Nachhinein analysieren könnten, wo stünden wir dann? Wir säßen fest!

In der Tat sitzen wir nicht fest, wir sind auch nicht die Sklaven unserer eigenen Gewohnheiten, wenn wir es nicht wollen. Denn wir können uns unserer Umgebung und unserer selbst bewusst sein. Wir werden geboren – ja, geboren – mit dem seltenen Potenzial, unsere Beobachtungsgabe und unsere Fähigkeit nachzudenken, uns selbst gegenüber einzusetzen. Nicht, dass andere Wesen (zum Beispiel die Primaten) kein Bewusstsein ihrer Selbst hätten. Sie haben ein wenig davon, aber nicht sehr viel.

Wir Menschen besitzen richtige Selbsterkenntnis. Wir können, obwohl wir es nicht müssen, unsere eigenen Ziele, Wünsche und Zwecke betrachten und beurteilen. Wir können sie überprüfen, neu setzen und sie ändern. Wir können auch unsere veränderten Ideen, Gefühle und Taten beobachten und über sie nachdenken. Und wir können sie immer und immer wieder ändern!

Nun wollen wir diesen Gedanken der „Selbstveränderung“ nicht sinnlos ausschlachten. Natürlich besitzen wir diese Fähigkeit. Natürlich können wir sie anwenden, aber nicht grenzenlos. Wir erhalten unsere ursprünglichen Ziele und Wünsche zum großen Teil durch unsere biologische Konditionierung und unsere frühkindliche Erziehung.

Wir mögen Muttermilch (oder abgepackte Fertignahrung), und es bereitet uns Vergnügen, uns an den Körper unserer Eltern zu schmiegen. Muttermilch und Körperkontakt zu den Eltern lieben wir, weil unser Überlebensinstinkt uns zeigt, dies zu lieben, wir dazu erzogen sind, es zu lieben, und wir uns daran gewöhnen, es zu lieben. Also ist das, was wir unsere Wünsche und Vorlieben nennen, nicht frei gewählt. Vieles davon wird uns durch Vererbung und Erziehung eingepflanzt.

Je mehr wir unsere Selbsterkenntnis benutzen, um über unsere Ziele und Wünsche nachzudenken, desto mehr schaffen wir freien Willen und Selbstbestimmung. Das gilt auch für Gefühle, sowohl für gesunde als auch gestörte Gefühle. Nehmen Sie nur als Beispiel Ihre eigenen Gefühle der Frustration und Enttäuschung, wenn Sie einen Verlust erleiden. Jemand verspricht Ihnen beispielsweise eine Stellung, oder will Ihnen Geld leihen, und macht dann einen Rückzieher. Natürlich fühlen Sie sich verärgert und traurig. So weit, so gut: Diese negativen Gefühle bestätigen, dass Sie nicht bekamen, was Sie wollten, und ermutigen Sie, nach einer anderen Stellung oder einem anderen Geldgeber Ausschau zu halten.

Diese Gefühle von Verärgerung und Traurigkeit sind also zunächst unbequem und „schlecht“. Auf Dauer gesehen haben sie jedoch die Tendenz, Ihnen zu dem zu verhelfen, was Sie wollen, und dem abzuhelfen, was Sie nicht wollen. Haben Sie Einfluss auf diese gesunden negativen Gefühle, wenn etwas in Ihrem Leben schief geht? Ja. Sie können sehr verärgert sein – oder nur wenig. Sie könnten sich auf die Vorteile konzentrieren, die der Verlust einer bereits versprochenen Stellung mit sich bringt (wie etwa die Möglichkeit, eine bessere zu suchen) und sich kaum verärgert fühlen. Oder Sie könnten auf die Person herabschauen, die Ihnen irrtümlicherweise diese Stellung versprochen hat, und glücklich sein, dass Sie „besser“ sind als diese „Laus“.

Sie könnten sich natürlich auch entschließen, Ihr Augenmerk auf die Nachteile der versprochenen Stellung zu richten (z.B. die Unannehmlichkeiten der täglichen Anfahrt) und letztlich ganz froh sein, sie nicht bekommen zu haben. Sie müssten sich vielleicht darum bemühen, nicht traurig oder enttäuscht über den verlorenen Arbeitsplatz zu sein, aber Sie könnten sich in jedem Fall dazu entschließen. Also haben Sie die Wahl, was die natürlichen oder normalen Reaktionen auf den Verlust eines Arbeitsplatzes (oder einer Anleihe oder etwas Ähnlichem) betrifft. In der Regel würden Sie sich nicht bemühen, überhaupt eine Wahl zu treffen, und stattdessen die normalen, gesunden Gefühle von Verärgerung und Enttäuschung akzeptieren. Sie würden mit ihnen leben und sie sich zunutze machen.

Nehmen wir einmal an, dass Sie, wenn Ihnen eine Stellung oder Anleihe unfairerweise entgeht, tief besorgt, deprimiert, erniedrigt oder erzürnt sind. Sie sehen sich unfair behandelt. Sie regen sich sehr darüber auf.

Haben Sie dennoch Einfluss auf diese ausgeprägten Gefühle? Oder aber nicht?

Ja, ganz bestimmt sogar!

Das ist das Hauptthema dieses Buches: Egal, wie Sie sich verhalten, egal, wie unfair andere Sie behandeln, egal, wie elend die Lebensumstände sind – Sie haben praktisch immer (JA, IMMER) die Fähigkeit und die Macht, die eigenen Gefühle von Angst, Verzweiflung und Feindseligkeit zu ändern. Sie können sie nicht nur vermindern, sondern Sie können sie auch aus Ihrem Leben streichen, wenn Sie sich die in den folgenden Kapiteln vorgestellten Verhaltensweisen zu Eigen machen und sie praktizieren.

Wenn Sie einen echten Verlust erleiden, sind dann Gefühle von Panik, Depression und Wut unnatürlich? Natürlich nicht. Sie machen einen Teil des Menschseins aus. Nahezu jeder kennt solche Gefühle. Sie wären eine Ausnahme, wenn sie Ihnen weniger vertraut wären. Alle von uns haben sie und das sehr oft! Es wäre also verwunderlich, wenn Sie nicht ziemlich häufig so fühlen würden.

Aber vertraut ist nicht gleichbedeutend mit gesund. Erkältungen sind weit verbreitet, genauso blaue Flecken, Knochenbrüche und Infektionen. Aber man kann sie schwerlich als angenehm oder wohltuend bezeichnen.

So ist es auch mit Gefühlen der Angst, Sorge, Vorsicht, Umsicht und was wir leichte Besorgnis nennen. Sie sind normal und gesund. Wenn Sie absolut keine Angst hätten, würden Sie bald nicht mehr darauf achten, wo Sie hingehen oder was Sie tun, und Sie würden bald in Schwierigkeiten geraten, oder sich vielleicht selbst in tödliche Gefahr bringen.

Schwere Angstzustände, Furcht und Panik sind zwar normal (oder häufig), aber ungesund. Tiefe Angst führt zu düsterer Überbesorgtheit, zu Schrecken und Entsetzen. Sie kann Sie lähmen und dazu beitragen, dass Sie sich inkompetent und unsozial verhalten. Deshalb sollten Sie auf alle Fälle Sorge und Vorsicht positiv bewerten, dafür aber Gefühle wie Überbesorgtheit, „Überdramatisierung“, Panik und Furcht über Bord werfen.

Wie das?

Zuerst müssen Sie anerkennen, dass die beiden Gefühle ganz verschiedener Natur sind, und Sie dürfen keine Ausflüchte machen oder aber pseudorationalisieren, Angstzustände wären „gesund“. Behaupten Sie nicht, dass Angst unvermeidlich sei und als Teil Ihres Lebens akzeptiert werden müsse. Sorge oder Vorsicht sind fast unvermeidlich (und gut) für Sie, Panik und Schrecken dagegen nicht.

Worin liegt also der Unterschied zwischen Sorge und Panik?

Der Unterschied liegt darin, die Dinge, die Sie sich wünschen, als absolute Notwendigkeiten zu betrachten. Wie ich bereits in „A New Guide to Rational Living“ (,Ein neuer Führer in ein rationales Leben‘) ausgeführt habe, können Sie schwere Angstzustände auslösen, wenn Sie Wünsche durch Mussturbation ersetzen.

Wenn Sie eine gute Leistung bringen und von anderen akzeptiert werden wollen, sind Sie besorgt darüber, ob Sie versagen und zurückgewiesen werden könnten. Diese gesunde Besorgnis lässt Sie möglichst gut und kompetent handeln. Wenn Sie jedoch fest daran glauben, dass Sie unbedingt unter allen Umständen eine gute Leistung bringen und von anderen akzeptiert werden müssen, dann neigen Sie dazu, sich selbst in Panik zu versetzen, wenn Sie eine weniger gute Leistung erbringen als Sie vermeintlich müssen.

Wenn die Theorien von Epiktet, Karen Horney (die als Erste über die Tyrannei von „Muss-Vorstellungen“ sprach), Alfred Korzybski (der Gründer der allgemeinen Semantik) und REVT richtig sind, dann sind Ihre emotionalen Probleme praktisch immer selbst geschaffen, indem Sie nämlich eine grundlegende Methodik verschrobener Denkweise angenommen haben – die Mussturbation.

Wenn Sie also die Mechanismen erkennen, durch die Sie in irrationale Soll/Muss-Vorstellungen geraten, können Sie damit aufhören, sich unbewusst von ihnen konditionieren zu lassen.

Immer? Nein, aber fast immer.

Denn es gibt, wie wir später sehen werden, ein paar Ausnahmen von den Regeln der Mussturbation. Aber in etwa 95 von 100 Fällen können Sie die mussturbatorische Denkweise entdecken, sie ändern und sich weigern, sich wegen der Schwierigkeiten elend zu fühlen, wegen derer Sie sich „normalerweise“ aufregen.

Wirklich?

Ja, wirklich, wie Sie feststellen können, wenn Sie darüber nachdenken.

Kann ich diesen REVT-Anspruch beweisen? Ich glaube schon. In der modernen Psychologie ist mehrfach nachgewiesen worden, dass deprimierte oder unter Angstzuständen leidende Menschen im Stande waren, über ihre gestörten Gefühle hinwegzukommen und ein viel glücklicheres Leben zu führen, indem sie ihren gedanklichen Ansatzpunkt änderten. Es liegen mehr als 200 kontrollierte wissenschaftliche Studien über Rational-Emotive Verhaltenstherapie, Kognitive Therapie und andere kognitive Verhaltenstherapien vor, die zeigen, dass Menschen ihre Handlungen und Gefühle viel besser in den Griff bekommen, wenn man sie darin unterweist, wie sie ihre negativen Vorstellungen verändern können. Uns liegen auch Hunderte anderer Studien vor, die zeigen, dass die Haupttechniken, die in der REVT-Arbeit angewendet werden, wirkungsvoll funktionieren.

Weitere wissenschaftliche Studien – bis heute mehr als 250 – haben getestet, ob die hauptsächlichen irrationalen Überzeugungen (iBs im Englischen: irrational beliefs), an denen Menschen festhalten, tatsächlich ein Indiz dafür sind, wie sehr diese Menschen unter seelischen Störungen leiden, das zeigte ich schon im Jahre 1956 auf. Ungefähr 95 % dieser Studien zeigen, dass Menschen, die schwere emotionale Probleme haben, auch mehr irrationale Überzeugungen haben als Leute mit weniger Problemen.

Beweisen all diese wissenschaftlichen Zeugnisse, dass es leicht ist, Ihre vorbehaltlosen, starren Soll/Muss-Vorstellungen, Befehle und Ansprüche, die Sie unglücklich machen, aufzuspüren? Ist es möglich, sie bald danach aufzugeben? Können Sie schnell ein klarer Denker werden und danach ein sorgenfreies Leben führen?

Nein, nicht unbedingt! Dazu braucht es mehr, wie die weiteren Seiten dieses Buches zeigen werden.

Es gibt jedoch eine Antwort. Sie können die irrationalen Ideen, mit denen Sie sich selbst in Aufregung versetzen, erkennen, an Ihnen arbeiten und sie aufgeben. Sie können eine wissenschaftliche Denkweise benutzen, um die eigenen selbstzerstörerischen Dogmen auszumerzen. Wie?

Lesen Sie das nächste Kapitel. – Aber zuerst eine Übung.

REVT-Übung Nr. 1

Zunächst mag die nachfolgende Übung sehr einfach erscheinen, aber sie ist nicht ganz so einfach wie sie aussieht. Sie verleiht Ihnen Übung darin, zwischen angebrachten und unangebrachten negativen Gefühlen zu unterscheiden, wenn Sie etwas in Ihrem Leben als „unglücklich“ ansehen oder wenn Sie darüber besorgt sind, dass Ihnen etwas „Schlechtes“ zustoßen könnte.

Wie Sie zwischen angebrachter Besorgnis, Vorsicht, Umsicht und unangebrachter Angst, Nervosität und Panik unterscheiden können

Stellen Sie sich vor, es könnte Ihnen etwas Unangenehmes geschehen, wie z.B. der Verlust eines guten Arbeitsplatzes, ein Autounfall oder der Verlust eines geliebten Menschen. Stellen Sie sich vor, dass dieses Ereignis leicht eintreffen könnte. Wie fühlen Sie sich dabei? Was sagen Sie sich, um dieses Gefühl hervorzurufen?

Wenn Sie eine angebrachte Sorge oder Vorsicht fühlen, sagen Sie sich so etwas wie „Ich möchte wirklich nicht, dass so ein Unglück passiert, aber wenn es geschehen sollte, werde ich damit fertig werden.“ – „Wenn mein Partner schwer erkranken oder sterben würde, so wäre dies sehr traurig, aber ich könnte trotzdem weiterleben und einigermaßen glücklich sein.“ – „Wenn ich das Augenlicht verlieren würde, wäre das eine schwere Behinderung, aber ich könnte dennoch mein Leben genießen.“

Achten Sie darauf, dass alle diese Gedanken aussagen, was für einen Verlust Sie erleiden würden, und wie es Ihnen Leid täte, wenn gewisse Dinge geschehen würden. Fügen Sie allen diesen Aussagen ein „aber“ hinzu, das Ihnen trotz allen Leids immer noch eine Aussicht auf ein lebenswertes Leben eröffnet.

Wenn Sie unangebrachte Angst, Nervosität oder Panik empfinden, sollten Sie nach diesen Arten von Muss-Vorstellungen, Überdramatisierungen, „Ich-kann-es-nicht-mehr-ertragen“-Vorstellungen, Selbstherabsetzungen und Übergeneralisierungen suchen. „Wenn ich meine Arbeit verlieren würde, was nicht passieren darf, könnte ich niemals mehr eine gute Stelle bekommen, und das würde beweisen, was für ein komplett unzulänglicher Mensch ich bin.“ – „Mein Partner darf nicht sterben, denn ich könnte es nicht ertragen, allein zu sein und würde mich bis an mein Lebensende elend fühlen.“ – „Es darf nicht geschehen, dass ich mein Augenlicht verliere, denn sonst wäre mein Leben schrecklich und entsetzlich, und ich könnte nie wieder Freude empfinden!“

Beachten Sie, dass dies Voraussagen sind, die Sie in tiefste seelische Qualen stürzen werden und dass es für Sie keinen Ausweg mehr aus lebenslangem Leid geben wird.

Stellen Sie sich weiterhin vor, dass Ihnen tatsächlich etwas Schreckliches geschehen ist, so wie der Verlust Ihres gesamten Vermögens oder einen Chef zu haben, der Sie ständig kritisiert oder einen Partner oder besten Freund, der Sie sehr ungerecht behandelt. Fühlen Sie sich jetzt nur traurig und voll Bedauern? Oder fühlen Sie sich auch unangemessen deprimiert oder wütend?

Falls Sie sich deprimiert fühlen, suchen Sie nach Soll, Muss oder Zwangsvorstellungen wie „Ich hätte mit meinem Geld vorsichtiger umgehen sollen. Was für ein Narr ich war, dass ich nicht vorsichtiger war!“ oder „Mein Chef sollte mich nicht so kritisieren. Ich kann diese Art von ständiger Kritik nicht ertragen!“

Wenn Sie sich sehr verärgert fühlen, suchen Sie nach mussturbatorischen Selbstaussagen wie „Mein bester Freund darf mich nicht unfair behandeln! Was für ein lausiger Mensch er ist!“ oder „Meine Lebensumstände müssen besser sein als sie sind! Wie ungerecht und schrecklich, dass alles so ist!“